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Weltweiter Kampf gegen CoronaGrüne für faire Impfstoffverteilung

Die Grünen fordern mehr Hilfen für ärmere Staaten. Sie wollen etwa die Impfkampagne Covax besser ausstatten und den Patentschutz aussetzen.

Sicherheitsabstand unmöglich: Gedränge in einem Bahnhof in Mumbai, Indien Foto: reuters

Berlin taz | Die Grünen fordern im Kampf gegen die Coronapandemie mehr internationale Hilfen für ärmere Staaten. „In vielen ärmeren Ländern sind die öffentlichen Gesundheitssysteme an der Belastungsgrenze oder bereits zusammengebrochen“, heißt es in einem Positionspapier von Parteivorstand, Bundestagsfraktion und Europaabgeordneten. Besonders dort, wo wenig Zugang zu hygienischer Versorgung, staatlicher Unterstützung und einer guten öffentlichen Gesundheitsversorgung bestehe, „trifft die Pandemie die Menschen mit voller Wucht und Härte“.

Die Grünen fordern nun mehrere Gegenmaßnahmen auf internationaler Ebene. So müsse im Rahmen der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und internationaler Impfallianzen eine globale Impfstrategie erarbeitet werden, welche jahrelange Verzögerungen bei der Impfstoffverteilung verhindere. Die internationale Einkaufsplattform Covax brauche mehr Geld, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Und reiche Industriestaaten müssten überschüssige Impfdosen an Covax spenden.

Das Positionspapier haben Grünen-Vizechefin Jamila Schäfer, die Europaabgeordnete Anna Cavazzini, die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger und das Parteiratsmitglied Pegah Edalatian verfasst.

Schäfer sagte der taz am Sonntag, Union und SPD verhedderten sich in Schuldzuweisungen, statt sich darauf zu konzentrieren, wie möglichst schnell möglichst viele Menschen geimpft werden könnten. „Wir brauchen doch eine globale Kraftanstrengung, um diese schwere Krise gemeinsam und solidarisch zu schultern.“ Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass der Impfstoff, Textmaterialien und wichtige Medikamente überall dort ankämen, wo sie gebraucht würden.

Reiche Staaten decken sich ein

Die sogenannte Covax-Initiative wurde von der WHO angeschoben. Sie soll allen Staaten einen fairen Zugang zu Impfstoffen ermöglichen und wird von 190 Ländern unterstützt. Wohlhabende Nationen zahlen den vollen Preis für die Impfstoffe, ärmere Länder haben einen Anspruch auf Gratislieferungen.

Die Grünen weisen allerdings auf Probleme in dieser Struktur hin. Sie begrüße das Engagement der EU, aber es reiche nicht aus, sagte die Europaabgeordnete Anna Cavazzini. „Die EU muss sich bei der Welthandelsorganisation dafür starkmachen, dass auch Länder des globalen Südens wie Indien oder Südafrika den Impfstoff produzieren können.“ Man könne Covid-19 nur besiegen, wenn so schnell wie möglich alle Menschen geimpft würden.

Die Forderung bezieht sich auf einen Antrag, den Indien und Südafrika schon im Oktober bei der Welthandelsorganisation gestellt hatten. Beide Länder fordern wegen der Coronapandemie, den Patentschutz auf Covid-19-Impfstoffe auszusetzen. Dadurch würde die Produktion von günstigen Nachahmermedikamenten ermöglicht, um die Herstellung großer Mengen zu beschleunigen. Der Antrag wird von den USA und der EU im Moment blockiert. Neben den Grünen wollen auch Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen die Aussetzung des Patentschutzes.

Auch die WHO drängt auf eine fairere Verteilung der Impfstoffe. „Zu Beginn haben die reichen Länder den Großteil des Vorrats an verschiedenen Impfstoffen aufgekauft“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Freitag. Kein Land dürfe jedoch „die Warteschlange überholen und seine gesamte Bevölkerung impfen, während andere Länder gar keine Impfstoff-Lieferungen erhalten“. Ghebreyesus rief die Hersteller dazu auf, keine bilateralen Geschäfte mit einzelnen Ländern auf Kosten der Covax-Kampagne abzuschließen.

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4 Kommentare

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  • Um was geht es denn? Um Zugang zu Impfstoffen oder um Zugang zu Produktionsknow-how? Der erste Punkt steht für Hilfsbereitschaft und Solidarität und der zweite für wirtschaftliche Eigeninteressen. Eine Verknüpfung ist willkürlich.

  • "Und reiche Industriestaaten müssten überschüssige Impfdosen an Covax spenden."

    "Für den Ansatz, das Risiko zu streuen, bekam die EU-Kommission ausdrücklich Rückendeckung aus dem Europäischen Parlament. „Der Gesundheitsausschuss hat die Kommission aufgefordert, nicht nur auf ein Pferd zu setzen“, sagt die Grüne Europa-Abgeordnete Jutta Paulus." www.wiwo.de/politi...kauf/26767218.html

    Welche Überschüsse also? Man hat von allen Autos nur einen Reifen bestellt und erst einen, nun schon drei bekommen. Das sind alles keine Überschüsse.

    Das Risiko, das nun zu wenig Impfdosen vorhanden sind war eine bewusste politische Entscheidung, die auch von den Grünen getragen wurde.

    Und es war zudem erst recht auch keine Entscheidung für arme insolvente Staaten, denn überzählige Impfdosen waren, wie nun zu beobachten, nicht eingeplant.

  • Interessant, den Artikel mit einem Bild aus Indien einzuleiten.

    Indien produziert Impfstoff, entwickelt Impfstoff. Sie beginnen jetzt und wollen 300 Mio bis Mitte des Jahres impfen.

    Die hängen nicht am Rockzipfel der EU.

    Afrikanische Staaten haben vielfach Zusagen von China. Was die Zusagen taugen, wird sich noch zeigen. Aber die hängen ebenfalls nicht an der EU.

    Das Selbstbildnis von der Welt zeigt sich auch in solchen Papieren.

  • Die Armen müssen warten.. das ist bedauerlich, lässt sich aber kaum vermeiden. Dass die Staaten, die die Entwicklung des Impfstoffs mit beträchtlichen Mitteln entwickelt haben, dies im Eigeninteresse taten, darf als gesicherte Erkenntnis gelten. Dass auch die Staaten, die - obwohl sie nicht in der Lage sind, die einen Impfstoff zu entwickeln - davon profitieren werden, gilt ebenso. Aber es wäre politisch kaum vermittelbar, wenn man den Impfstoff nun zuerst in anderen Ländern verabreicht nur weil sie arm sind.

    Der Biontec Impfstoff stellt zudem gewisse Herausforderung an die Logistik, die sosehr man sich das auch wünschen mag, in vielen Ländern nicht erfüllt werden und damit ist dieser nicht unbedingt das Mittel erster Wahl. Die geschlossene Tieftemperaturkühlkette aufrechtzuerhalten stellt ja schon deutsche Bundesländer vor Herausforderungen, die sich nicht gerade mit Eleganz meistern.