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Kräftemessen mit der Polizei

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Innen-minister Schleswig-Holsteins

Untreue lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Lübeck gegen den ehemaligen Innenminister von Schleswig-Holstein, Hans-Joachim Grote, den Innenstaats­sekretär Torsten Geerdts (beide CDU) und einen Ministeriumsmitarbeiter. ­„Untreue“ – das klingt, als sei der Minister, der im April 2020 von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) entlassen wurde, mit der Hand in der Kasse erwischt worden. Aber nein: Er hat einen Mitarbeiter freigestellt.

2017 bildete Grote die Landes-Polizeiführung um. Ungewiss ist, ob das mit der „Rockeraffäre“ zu tun hat, einem seit Jahren geführten Streit darüber, ob bei Polizei und Staatsanwaltschaft nach einer Messerstecherei im Rocker-Milieu alles korrekt gelaufen ist. Grote selbst bestreitet einen Zusammenhang, er sprach von einem „Kräftemessen“, zu dem die Polizeiführung ihn herausgefordert habe.

Während für andere abgelöste Beamte neue Posten gefunden wurden, blieb der Landespolizeidirektor ohne Aufgabe. Inzwischen ist er in Pension, erhielt aber bis dahin weiter sein Gehalt, rund 330.000 Euro. Da ein neuer Ober-Polizist nachgerückt war, zahlte die Landeskasse doppelte Bezüge. Wegen dieser Verschwendung von Steuergeld hatte ein anderer ehemaliger Beamter aus der Polizeiabteilung des Ministeriums Anzeige erstattet: Es gehe nicht an, dass der frühere Landespolizeichef „fürs Spazierengehen voll bezahlt“werde, zitiert das Flensburger Tageblatt diesen Beamten. Die Staatsanwaltschaft ermittelte seit Oktober gegen Unbekannt. So lange brauchte die Behörde offenbar, um das Organigramm des Ministeriums zu durchdringen. Nun stehen der Ex-Minister, der Staatssekretär und der Personalchef im Fokus der Ermittlungen.

Das Innenministerium sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Freistellung sei gerechtfertigt gewesen, weil der Polizeidirektor zuvor Tausende Überstunden angesammelt hatte, unter anderem im Jahr 2015 während des Zustroms von Geflüchteten. Ob nun Anklage erhoben wird, ist noch unklar. In der Vergangenheit hatte die Staatsanwaltschaft mehrfach jahrelang gegen Politiker*innen ermittelt und die Untersuchungen dann ergebnislos eingestellt. Esther Geißlinger

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