piwik no script img

Sanktionspolitik der EUKein Shopping mehr für Folterer

Mit einem neuen Mechanismus will Brüssel Personen treffen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Vorbild ist der Magnitsky Act der USA.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (l.), und Heiko Maas in Brüssel Foto: John Thys/ap

Brüssel taz | Die EU bereitet neue Sanktionen gegen Menschenrechtsverletzungen etwa in China, Hongkong oder in der Türkei vor. Sie könnten schon 2021 in Kraft treten und Verantwortliche für Folter, Sklaverei oder sexuelle Gewalt treffen. Den dazu nötigen Rechtsrahmen billigten die EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Er erinnert an den „Global Magnitsky Act“, den die USA 2016 erlassen haben.

Für einen „europäischen Mag­nitsky Act“ hatte sich zuerst das EU-Parlament ausgesprochen. Deutschland machte das neue Sanktionsregime zu einem Schwerpunkt seines EU-Vorsitzes. Jedoch reden deutsche Diplomaten ungern von Sergei Magnizki. Der russische Anwalt war 2009 in einem Moskauer Gefängnis ums Leben gekommen, die USA zielten mit ihrem Gesetz auch zunächst auf Russland.

Bei den nun geplanten, „horizontalen“ Sanktionen soll es aber nicht um ein Land gehen, heißt es in Brüssel. Vielmehr will die EU direkt auf Personen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, zielen – also auf einzelne Personen, die nicht unbedingt ein Amt haben müssen. Das war zwar auch bisher schon möglich – doch nur auf Umwegen, etwa wegen Verstoßes gegen das Chemiewaffenverbot.

Auf dieses Verbot hatte sich die EU im Fall des russischen Kremlkritikers Alexei Nawalny berufen und Geheimdienstler und Kremlmitarbeiter mit Einreisesperren und anderen Strafen belegt. Auch für Terrorismus und Cyberattacken gibt es „thematische“ Strafmaßnahmen. Insgesamt hat die EU mehr als 2.000 Sanktionen in 37 Ländern erlassen – die meisten gegen Nordkorea, Iran und Syrien.

Noch keine Wirkung gezeigt

Zu einer Besserung der Lage haben diese Strafen kaum beigetragen. Auch die zuletzt verhängten Sanktionen im Fall Nawalny oder gegen den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko haben bisher nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Dennoch setzt Außenminister Heiko Maas unbeirrt auf die „restriktiven Maßnahmen“.

Wer foltere oder für Menschenhandel verantwortlich sei, „soll künftig nicht mehr sorgenlos in Europa shoppen gehen können“, sagte der SPD-Politiker. Mit dem neuen Sanktionsregime wolle man auch ein Signal an die Türkei senden, erklärte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.

Er verwies auf das Vorgehen der türkischen Justiz gegen Menschenrechtsanwälte. Diese würden als Terroristen bezeichnet, verhaftet und zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. „Das muss aufhören“, fordert Asselborn.

Mit der Türkei wird sich die EU am Donnerstag bei einem Gipfel in Brüssel befassen. Türkeisanktionen sind umstritten, bisher hat sich Maas dagegen gestellt. Beim Außenministertreffen in Brüssel räumte er allerdings erstmals ein, dass die deutschen Vermittlungsbemühungen mit Ankara gescheitert seien. Ob Berlin nun Sanktionen befürwortet, ließ Maas offen.

Einstimmigkeit notwendig

Für Strafmaßnahmen gegen China sprach sich der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer aus. Er fordert, das Instrument „umgehend“ gegen den KP-Parteichef in der chinesischen Provinz Xinjiang, Chen Quanguo, anzuwenden. Chen, der auch Politbüromitglied der KP Chinas ist, verantworte den „Polizeistaat in Xinjiang, die Inhaftierung von über einer Million Uiguren in Lagern“.

Das letzte Wort haben die 27 EU-Staaten. Sie müssen auch die neuen Sanktionen beschließen – und zwar einstimmig. In der Vergangenheit hat dies immer wieder zu Problemen geführt. So blockierte Zypern wochenlang die Strafmaßnahmen gegen Belarus, weil es im Gegenzug Sanktionen gegen die Türkei erzwingen wollte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Sie müssen auch die neuen Sanktionen beschließen – und zwar einstimmig.

    Und genau das ist Blödsinn!



    Eine 3/4 Mehrheit muss reichen, ansonsten bleibt die EU handlungsunfähig.

  • Gute Idee!

    [Auch wenn mensch hier Sarkasmus heraushören könnte: nein, ich meine es ernst]

    Auch der Versuch, auf Personen statt auf Staaten zu zielen scheint mir vernünftig: z.B. Iran, ein Gruselregime, doch will mensch sich die Tür für Möglichkeiten in der Art des Atomabkommens, die eine Eskalation umkehren können, offenhalten.

    Wiewohl diese Verbrecher sicher dann auch in China, Emirate oder sonstwo shoppen können.

    Kompliziert.

    Und nun meine Frage: gilt das Ersaufenlassen von Menschen im Mittelmeer, das Abdrängen von Menschen in Folterlager oder das Abschieben [1] von Menschen in Diktaturen, die sich im Bürgerkrieg befinden auch als Menschenrechtsverletzung?

    Kann Seehoofer bald nicht mehr bei uns shoppen? **JA, BITTE!**

    [1] taz.de/Abschiebung...h-Syrien/!5736905/

  • Hehehe ... sie lachen sich kaputt !

    Es geht doch nur darum dass unsere lieben Polits sagen können: "Wir tun was !"