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Größte Studie zu Milchvieh-GesundheitViele Kühe sind krank

In Ostdeutschland lahmen 40 Prozent der Tiere, so die bislang umfangreichste Studie dieser Art. Viele sind zu mager. Die Bauern merken das nicht.

Milchkühe führen oft ein schmerzhaftes Leben Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Berlin taz | Die bisher größte Studie zur Gesundheit von Milchkühen in Deutschland zeichnet ein erschreckendes Bild: Im Osten lahmen 40 Prozent der untersuchten Tiere, das heißt, sie können sich wegen einer schmerzhaften Erkrankung der Beine nicht normal bewegen. In den Wochen ohne Melken erhalten in mehr als 60 Prozent der Betriebe im Norden und Osten grundsätzlich alle Kühe Antibiotika. Je nach Region ist im Mittel ein Fünftel bis mehr als ein Drittel der Milchkühe pro Betrieb zu mager. Dennoch mussten die AutorInnen von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, der Freien Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München feststellen: „Die Mehrheit der TierhalterInnen zeigte sich zufrieden mit der Gesundheit ihrer Tiere.“

Für die deutschlandweit repräsentative und vom Bundesagrarministerium finanzierte Studie besuchten die TiermedizinerInnen etwa drei Jahre lang regelmäßig 765 Milchkuhbetriebe – in Schleswig-Holstein und Niedersachsen (Region Nord), Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt (Region Ost) sowie in Bayern (Region Süd). Untersucht wurden insgesamt mehr als 186.000 Rinder, auch wurden Tierhalter interviewt.

Im Norden und Süden waren der Untersuchung zufolge 23 Prozent der Tiere lahm. „Über alle drei Studienregionen hinweg wurden hohe Lahmheitsprävalenzen ermittelt“, urteilen die ForscherInnen. Am besten schnitten Betriebe ab, die alle Tiere auf der Weide hielten. In Ostdeutschland etwa trat das Problem im Mittel nur bei 6 Prozent dieser Höfe auf – aber in 41 Prozent der dortigen Betriebe mit Boxenlaufstall. Der weiche Weideboden schone die Klauen, so die WissenschaftlerInnen: „Wir empfehlen, Weidegang in die Milchkuhhaltung zu integrieren.“

Dass der Ökolandbau das bereits tut, könnte eine Ursache für seine besseren Zahlen sein. Als möglichen weiteren Grund nennt die Studie, dass Ökobauern lahme Tiere eher erkennen würden. Biobetriebe werden von Ökokontrolleuren mindestens einmal pro Jahr inspiziert, während viele konventionelle Höfe jahrelang gar nicht von den Veterinärämtern besucht werden.

Zu wenig Futter, aber viel Antibiotika

Im Osten erkennt die Hälfte der Landwirte lediglich knapp ein Viertel ihrer lahmen Tiere. Im Norden betrug die Trefferquote weniger als 42 Prozent der erkrankten Kühe. Das liege einerseits „an mangelhafter Aufzeichnung von Lahmheitsfällen, zum anderen aber vielmehr an der mangelhaften Fähigkeit, lahme Tiere als solche zu erkennen“. Das koste auch viel Zeit, die Landwirte unter hohem Preisdruck nicht haben. Ökobauern hätten im Schnitt „eine eher mit der Realität übereinstimmende Selbsteinschätzung“ als konventionelle.

Massive Probleme existieren auch bei der Fütterung: Im Süden gaben laut Studie 39 Prozent der Betriebe ihren Kühen in der Zeit, in der sie wenig bis gar nicht gemolken wurden, Futter mit einem geringeren Energiegehalt als empfohlen.

In dieser Periode des „Trockenstellens“ behandelten viele Landwirte die Kühe jedoch großzügig mit Antibiotika. Die massenhafte Gabe trägt aber dazu bei, dass Krankheitserreger gegen diese Präparate resistent werden. In Deutschland sterben laut einer von der EU finanzierten Studie jährlich Tausende Menschen, weil sie sich mit derartigen Keimen infiziert haben. Im Süden aber behandelten nur 24 Prozent der Betriebe alle Trockensteller mit Antibiotika.

Bullenkälber werden offenbar schlechter gehalten. „Es fiel auf, dass die männlichen Kälber häufiger krank waren als die weiblichen Artgenossen und dass männliche Kälber von Milchrassen insgesamt schlechter versorgt wurden als weibliche“, so die Studie.

„Ein einheitlicher Einfluss der Betriebsgröße war nicht erkennbar, das heißt: Man kann nicht sagen, dass die Tiergesundheit in kleineren Betrieben besser ist als in größeren“, teilte die Studienleiterin Martina Hoedemaker der taz mit.

Bauernverband gesteht Probleme ein

Der Deutsche Bauernverband räumte ein, dass die Studie auf teils bekannten Verbesserungsbedarf hinweise. Die Untersuchung zeige aber auch, dass viele Betriebe ein hohes Tierwohlniveau erreichten, schrieb Generalsekretär Bernhard Krüsken der taz. Er forderte eine Herkunfts- und Haltungskennzeichnung von Milchprodukten. Dafür müssten die VerbraucherInnen mehr bezahlen, damit die Bauern mehr für das Tierwohl tun könnten.

Deutschlands größter Ökobauernverband, Bioland, freute sich, dass laut der Studie Biohöfe bei haltungsbedingten Leiden konventionellen überlegen seien.

Der Tierschutzbund verlangte, „eine verbindliche Verordnung zur Haltung von Rindern“. Bisher gebe es keine Vorschriften speziell für diese Art. Die Tierrechtsorganisation Peta sieht die Studie als Argument für eine vegane Lebensweise.

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10 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    AutorInnen und WissenschaftlerInnen auf der einen Seite, Bauern, Landwirte und Kontrolleure auf der anderen. Warum solche Inkonsequenz in der genderneutralen Sprache? Oder ist die dark side immer männlich?

  • Die Haltung der Kühe ist bis auf wenige Ausnahmen reine Tierquälerei.

    90 Prozent der Kühe in Deutschland sehen niemals in ihrem armseligen Leben eine Weide, sondern nur den Stall. Da dieser viel zu eng ist werden ihnen die Hörner abgesägt, mittlerweile auch einfach genetisch weggetrickst.

    Und jemals eine Kuh in Anbindehaltung gesehen? So ein furchtbar trauriges Bild wird man nie in seinem Leben mehr vergessen können.

    • @shantivanille:

      Ja, wer würde den eigenen Hund zuhause 24/7 anbinden, ihn in der eigenen Scheiße stehen/liegen lassen und behaupten, das wäre ein erfülltes Leben?

  • In so einem langen Artikel über ein landwirtschaftliches Thema sind natürlich immer ein paar Fehler drin, deshalb fände ich es manchmal gut, wenn es eine Fachperson querlesen würde bevor es rauskommt....



    ...ein Veterinär ist bei einer Ökokontrolle nicht dabei, was hier suggeriert wird.



    ...der Veterinär würde in den allermeisten Fällen empfehlen beim Trockenstellen eine Antibiotikagabe zu geben.



    Aber das nur am Rande, ich schätze die Arbeit von Jost Maurin im Gegensatz zu einigen anderen...

    Das ganze Dilemma der Hochleistungszucht, aus die wir auch nicht in wenigen Jahren herauskommen, wird deutlich. Der "Markt" reguliert die Viehhaltung, den Begriff der wahren Kosten gibt es auch dort nicht. Es wurde zuviel in "Wachstumsbestände" investiert und die wenigsten Landwirte habe die Möglichkeit sich daraus zurückzuziehen. Ich schätze es wird eine ganze Generation brauchen, bis ein Umdenken zu anderen Produktionsformen aber vor allem auch anderen Konsumverhalten stattfindet. Wenn überhaupt.....



    Wer mal das "Glück" hatte in Asien über einen Frischfleischmarkt zu laufen, weiss wie lang der Weg ist. Da ist dann auch der Buddhismus unauffindbar.



    Auch wenn ich selbst keiner bin, jeder Veganer mehr ist ein Fortschritt.

    Ach ja, aber die Aussage das bezüglich der Gesundheit nicht einfach der Strich zwischen gross und klein gezogen werden kann...... kommt dann doch wieder dem Buddhismus nahe ;-). Das Eine gibt es nur weil es das Andere gibt, wird dort so geschrieben....

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Heiner Petersen:

      Im Text steht keinesfalls, dass bei einer Ökokontrolle ein Veterinär dabei ist.

    • @Heiner Petersen:

      "...der Veterinär würde in den allermeisten Fällen empfehlen beim Trockenstellen eine Antibiotikagabe zu geben."

      Wahrscheinlich würden die eher eine Haltung empfehlen wo man sowas nicht benötigt.

      Ihre Aussage klingt eher nach Lobby.

      • @danny schneider:

        Eine Tierarzt hat die Aufgabe Tierleid zu verhindern oder schnellstmöglich zu kurieren. Und dies wird er in der Regel auf Grundlage eines evidenzbasierten medizinischen Wissenstandes machen. Wenn es vor dem Trockenstellen Hinweise (bakteriologische Untersuchung, Zellzahlen oder nur Krankengeschichte) gibt, dass es während der nächsten Wochen zu einer Entzündung im dann nicht täglich überprüften Euter geben könnte, wird er sehr wahrscheinlich zu einem antibiotischen "Trockensteller" raten. Und leider ist es sehr oft der Fall.

        Und nein, ich betreibe keine Lobbyarbeit für ein Pharmaunternehmen.

        Und zu der anderen Anmerkung: auch für ein Kuh mit einem grossen Euter ist Bewegung wichtig. Das ist Teil guter Haltungsbedingungen, die du doch oben einforderst ;-)

  • Die Milch machts.



    Die Milch - das Gesundheitslebensmittel.

    Schon lange war offensichtlich, dass bei der Milchproduktion das Tierwohl auf der Strecke bleibt. Frau Klöckner wäre doch wenigstens dafür zuständig, dass nicht auch noch das Menschenwohl auf der Strecke bleibt.

    Der übliche Umgang mit den Kälbern ist alles andere als tiergerecht. Der Umgang mit Bullenkälbern ist Tierquälerei. Bei Bildern von deren Transport in den Nahen Osten sollten empfindsame Gemüter wegsehen.

    • @Sancho:

      Empfindsame Gemüter, gerade die, die meinen Tierfreund*innen zu sein, sollten über Tierproduktion informiert sein, damit sie wissen, was sie durch Konsum mitverantworten und womöglich politisch unterstützen. Berichte über Haltungsbedingungen stellen dafür eine gute Basis dar, wie dieser hier:



      vgt.at/presse/news...news20180314fg.php



      Wenn empfindsame Gemüter ahnen, dass die Berichte Bilder über grausame Behandlungen beinhalten werden und sie verständlicherweise diese Berichte erst gar nicht anschauen wollen, so sollten sie konsequenterweise die eigene Haltung überdenken und zumindest vegetarisch, besser noch vegan werden, da auch für die Eier- und Milchproduktion Tiere gequält und getötet werden. Das gute ist ja, dass mensch heute einfach und gesund vegan leben kann. Es gibt viele Informationen, leckere Produkte, Rezepte und Restaurants.

  • „Wir empfehlen, Weidegang in die Milchkuhhaltung zu integrieren.“

    Gehen? Diese überzüchteten Viecher mit den Rieseneutern? Für die ist gehen doch eine Qual...