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Vor dem Grünen-ParteitagKampf ums 1,5-Grad-Ziel

Die Grünen-Spitze warnt die Basis vor allzu radikaler Klimaschutzpolitik. Man dürfe das Pariser Klimaabkommen nicht schwächen, sagt Michael Kellner.

Welche Klimaschutzpolitik braucht es, um diesen Eisbrocken zu retten? Foto: Melissa Bradley/unsplash

Berlin taz | Die Grünen-Spitze warnt die eigene Parteibasis vor einer allzu radikalen Klimaschutzpolitik. „Wenn wir jetzt anfangen, die Pariser Ziele umzuformulieren, schwächen wir das Pariser Klimaabkommen – und damit den gemeinsamen Kampf für Klimaschutz“, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Freitag der taz. „Die Zeit drängt, wir müssen ins Machen kommen.“

Kellners Sätze beziehen sich auf eine Abstimmung, die auf dem Grünen-Parteitag ansteht. Ein Antrag aus dem Kreisverband Mannheim fordert, das 1,5-Grad-Ziel zur „Maßgabe“ grüner Politik zu machen. Bisher orientieren sich grüne Beschlüsse am Pariser Klimaschutzabkommen. Das sieht vor, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Es setzt also einen Korridor fest, keine fixe Marke.

„Das Pariser Klimaabkommen ist Grundlage unserer Politik. Und ja, jedes Zehntelgrad zählt, und wir setzen alles daran, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen“, betonte Kellner. Dass sich vor fünf Jahren alle Staaten zum Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet hätten, sei historisch. „Diese massive Anstrengung schaffen wir als Welt aber nur gemeinsam, mit aller Kraft.“

Von Freitag bis Sonntag findet ein komplett digitaler Parteitag der Grünen statt, auf dem ein neues Grundsatzprogramm beschlossen werden soll. Dafür wurden über 1.300 Änderungsanträge eingereicht. Die Debatte über das 1,5-Grad-Ziel am Samstagvormittag dürfte spannend werden, weil dahinter ein großer Konflikt steht.

Fridays for Future mischen mit

Die KlimaschutzaktivistInnen von Fridays for Future werfen den Grünen seit Längerem vor, das 1,5-Grad-Ziel nicht einzuhalten. Der Vorwurf wurde im Oktober durch eine Studie des Wuppertal-Instituts belegt. Die Forscher stellten Eckpunkte vor, wie Deutschland diese Ziel einhalten könne. Die Vorschläge, etwa die Halbierung des Autoverkehrs, gingen weit über grüne Forderungen hinaus.

Der Kreisverband Mannheim ist nicht allein mit seinem Vorschlag. Auch ExpertInnen aus der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie, einem innerparteilichen Thinktank, warben vorab für einen härteren Kurs in der Frage. Der Bundesvorstand wiederum fürchtet, sich mit einer radikalen und einseitigen Auslegung des Pariser Klimaschutzabkommens angreifbar zu machen.

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3 Kommentare

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  • Das ist ja reinster Unsinn, was der Vorstand von sich gibt: Denn die Forderung nach 1,5º Begrenzung wird ja gerade vom Pariser Abkommen als auch sämtlicher Experten bevorzugt. Insofern wäre das Festschreiben dieses Ziels gerade gemäß dieses Abkommens.



    Wer nichts fordert, kann auch nichts erreichen. Das sollte eigentlich Grundwissen jedes Unterhändlers sein.

    Weiterhin drängt die Zeit: Denn die Klimakrise hat sich beschleunigt. Nach Ansicht vieler Experten bewegen wir uns schon jetzt im 2ºC Bereich oder gar drüber. Allein aufgrund dessen sind ambitioniertere Ziele absolut notwendig.

    Denn eins ist klar: Eine Koalition wird grundsätzlich mit Abstrichen einhergehen. Womit wollen sie denn gesichtswahrend und glaubwürdig verhandeln, wenn sie schon zu Beginn am Anschlag reingehen?

  • Das tragische an dem Programmentwurf ist, dass er sich nur noch am politisch Machbaren orientiert und nicht mehr am politisch Notwendigen. Für eine Politik des Notwendigen haben sie sich gegründet. Sie wäre 40 Jahr nach der Gründung drängender denn je. Nicht nur wegen des Klimawandels!



    Die Einsicht in die Notwendigkeit für Veränderungen zu fördern und einen "Bewusstseinswandel in der Gesellschaft" herbeizuführen, wurde und wird durch "grüne" Adjektive und Aufkleber oder Label unterlaufen. Ein "grüner" Punkt auf dem Müll ist machbar, aber keine Veränderung. Ein "umweltfreundliches" Auto (mit Kat) war einmal für die Grünen keine Alternative zum ÖPNV und zur Bahn. Ein "klimaneutrales" Auto ist es? Wird es zu einer Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins beitragen? Nein, aber es ist machbar und sogar mehrheitsfähig. Wenn es darum geht, sind die Grünen auf einem guten Weg.



    Sogar der alte Begriff des "qualitativen Wachstums" findet sich wieder. Das aber zwangsläufig ein mehrheitsfähiges quantitatives Wachstum sein muss, weil es parallel zu Bestehendem entstehen muss. Einer Koalition mit der CDU steht somit nichts mehr im Wege! Weiter so!

  • Hahaha warum sagen sie nicht einfach Leute das mit dem Klimaschutz war früher mal so ne Idee aber das ist doch jetzt nicht mehr relevant wo wir ne realistische Aussicht auf Macht haben? Scheiß auf alle Entwicklungen in der Klimawissenschaft, die eins ums andere Mal zeigen, dass selbst die radikalsten Vorschläge im Rahmen des Parisabkommens nicht ausreichen werden, um nur das 2 Grad Ziel einzuhalten! Scheiß drauf, dass wir 9 von 15 Kippunkten bereits überschritten haben oder gerade überschreiten. Wir kippen der Union jetzt in die Arme weil wenn wir grau werden kriegen wir die ganzen Leute, die Merz nicht wählen würden aber trotzdem Bock auf imperiale Lebensweise haben, und gerne sicherstellen würden, dass das auch weiter so verteidigt wird, bis sie sterben.