piwik no script img

YouTube-Serie „Jugendland“ des NDRDeutschrap auf dem Dorfplatz

Die YouTube-Serie „Jugendland“ porträtiert junge Erwachsene im ländlichen Raum. Angenehm abwesend: der typische Blick aus der Großstadt.

Große Probleme, hier noch größer: Sarah sucht eine Hebamme Foto: Jannis Keil/heyfilm für NDR

Wie ist es, dort zu leben, wo viele eigentlich nur wegwollen? Oder ist das schon die falsche Frage? Eine, die man nur stellt, wenn man in der Stadt lebt? Die Jugendlichen, die in der Youtube-Serie „Jugendland“ des Norddeutschen Rundfunks porträtiert werden, wirken jedenfalls nicht, als ob sie unbedingt wegwollen. Jedenfalls nicht immer.

Sarah, René und Timo heißen die Protagonist:innen, die Christoph Heymann (Regie, Produktion, Schnitt) und Jannis Keil (Kamera) von Sommer 2018 bis zum Frühjahr dieses Jahres mit der Kamera begleitet haben. Die Orte, an denen Heymann und Keil gedreht haben, heißen Uetze, Eicklingen und Lachendorf. Ortschaften, mit mehreren tausend Einwohner:innen, irgendwo in Niedersachsen. Orte ohne Bahnhof. Die Jugendlichen, 18, 19 und 20 Jahre alt, sitzen an der Bushaltestelle, auf dem Spielplatz oder trinken Bier und Hochprozentiges an der Kiesgrube. Meistens hören sie Deutschrap. Dinge, die Jugendliche halt so machen. Wirklich.

In „Jugendland“ geht es um die großen Fragen: René ist auf Bewährung, prahlt damit. Das Team um Heymann wird ihn die nächsten Monate weiter begleiten. Wird er wieder in Schwierigkeiten kommen? Im Gefängnis landen? Oder die Kurve kriegen?

Sarah aus Eicklingen wird im Laufe der Serie schwanger. Sie findet Schwangerschaftshosen nicht so toll und verzweifelt bei der Suche nach einer Hebamme. Das Team filmt sie dabei, wie vom anderen Ende am Telefon „Dies ist der Anrufbeantworter der Hebamme …“ zu hören ist. Die Versorgungslage für Schwangere ist im ländlichen Raum katastrophal. Probleme, die schon in der Stadt groß sind: auf dem Land fast unlösbar.

Andere Antworten als in der Großstadt

Timo ist auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Welche Firma soll mich denn hier in Uetze nehmen?“, fragt er seine Oma. „Und in der Stadt?“, fragt die. Hannover wäre das. „Wie lange soll man denn da morgens mit den Öffis fahren?“, antwortet Timo. Viel drängender, als einen Job zu finden, ist für ihn aber die Frage, ob er am Samstag in Hannover feiern ­gehen kann. „Mit 20 Euro komm ich nicht weit. Mit Fahrkarte und dort trinken. Das ist nichts.“

Die Serie

„Jugendland“ läuft auf Youtube, neue Folgen gibt es dienstags und donnerstags

„Jugendland“ ist nicht per se eine Doku über Dorfjugend. In erster Linie ist es ein Coming-of-Age-Format. Sarah, René und Timo beschäftigt, was viele Jugendliche beschäftigt: die Frage nach der Zukunft, einer Ausbildung, die Frage nach der nächsten Party oder mit wem man zusammen ist. Ihre Antworten fallen anders aus als die einer Großstadtjugend. Was die Antworten der Dorfjugend prägt, ist das Dorf selbst: Entfernungen, Strukturschwäche.

„RTL2 ist harmloser als wir“, sagt Sarah mal in der Serie. Die Jugendlichen wissen offenbar genau, welches Bild man von ihnen, der Dorfjugend, hat. Und sie scheinen damit selbstbewusst umgehen zu können. Für Christoph Heymann sind die drei Jugendlichen Helden, sagt er in einem Interview mit dem NDR, der die Produktion selbst in Auftrag gegeben hat. „Harte Schale, weicher Kern?“, fragt ihn der Interviewer. Wenn man so will, ja, antwortet Heymann. Ob es in „Jugendland“ also um die Frage gehe: Wer schafft den Absprung? „Den Absprung wovon?“, sagt Heymann. In die Stadt, nein. Ins Erwachsenen­leben, ja, vielleicht.

Es gelingt ein authentisches Porträt dieser jungen Menschen, das nicht versucht, sie vorzuführen oder in ein vorgefertigtes Bild zu drängen. Sarah, René und Timo bekommen Raum, für sich selbst zu sprechen.

Jeden Dienstag und Donnerstag erscheint eine neue Folge „Jugendland“, 24 umfasst die erste Staffel. Kurze Episoden, meist nicht länger als acht Minuten. Bis Ende November ist „Jugendland“ noch zu sehen. Eine zweite Staffel ist im Gespräch.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • wo beschäftigen sich die öffentlich rechtlichen gut mit jugendlichen themen für jugendliche? haben sie die serie gesehen? hat der erzählerische ansatz der serie hier einen anspruch auf vollständigkeit?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    So ist das wahre Dorf: vorbestraft, schwanger und arbeitslos. Mal ganz ohne Großstädterblick draufgeschaut. Aha.

  • 23 Minuten von Uetze bis Hannover mit den Öffis ist natürlich eine Weltreise.

    • @Andreas J:

      dass wäre ja nur bis dedenhausen, aber warum nach dedenhausen? wenn man doch nach uetze will! :) dass dauert dann doch bisschen mehr als eine stunde. aber an der busse und auch im bus gibts meistens lte, alles gut