US-Außenminister Pompeo in Israel: Tatsachen schaffen vor Biden
Weichen stellen, solange Trump noch im Amt ist: Als erster US-Minister hat Mike Pompeo eine Siedlung im Westjordanland und die Golanhöhen besucht.
Dass der Außenminister ausgerechnet die Verbindungen zu diesem Weingut stärkt, dürfte kein Zufall sein. Medienberichten zufolge haben die Besitzer, die Brüder Falic, US-Präsident Donald Trump unterstützt, den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit großzügigen Spenden versehen und Siedlerorganisationen im vergangenen Jahrzehnt mindestens 5,6 Millionen US-Dollar zukommen lassen. Als Pompeo im vergangenen Jahr die US-Position aufhob, dass die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten gegen das Völkerrecht verstoßen, schuf die Winzerei ihm zu Ehren eine Reihe von Weinen unter Pompeos Namen.
Vor dem Europäischen Gerichtshof war das Weingut weniger erfolgreich. Die Besitzer hatten versucht, eine Entscheidung der EU zu kippen, nach der alle Produkte aus Siedlungen im Westjordanland als solche markiert werden müssen. Der EuGH wies die Klage im November 2019 jedoch zurück. Für die USA kündigte der Außenminister nach seinem Besuch in Psagot dagegen am Donnerstag an, Produkte aus den besetzten Gebieten künftig als „israelisch“ zu kennzeichnen.
Auf seiner Reise durch das Westjordanland machte Pompeo auch einen Abstecher nach Qasr el-Yahud, einer biblischen Taufstelle an der Grenze zu Jordanien. Am Nachmittag reiste er weiter zu den Golanhöhen, die Israel 1981 von Syrien annektiert hatte, die völkerrechtlich aber als besetzt gelten. Im März letzten Jahres hatten die USA die israelische Souveränität über das Gebiet offiziell anerkannt.
Diese Groß-Israel-Reise des US-Außenministers hat eine enorme Symbolkraft. Offenbar versuchen Netanjahus rechtsgerichtete Regierung und der US-Außenminister, vor der Amtsübernahme des designierten US-Präsidenten Joe Biden noch Tatsachen zu schaffen.
Laut der israelischen Tageszeitung Times of Israel versucht Netanjahu indes auch, grünes Licht aus den USA für einen Siedlungsbau im Industriegebiet Atarot im Westjordanland zu bekommen. Erst am vergangenen Sonntag hatte die Regierung eine Ausschreibung für Bauunternehmen für einen Siedlungsneubau in Givat Hamatos in Ostjerusalem veröffentlicht.
Netanjahu weiß, dass Joe Biden den israelischen Siedlungsplänen in Zukunft deutlich kritischer gegenüberstehen dürfte als die bisherige US-Administration, die in nur wenigen Jahren wildeste Siedlerfantasien erfüllte.
Pompeo seinerseits könnte noch etwas anderes bereits im Kopf haben: seine eigene Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten. Evangelikale christliche Zionisten machen rund 25 Prozent der amerikanischen Wählerschaft aus und könnten dem potenziellen Präsidentschaftskandidaten die Großzügigkeit in Bezug auf den Siedlungsbau im Heiligen Land im Wahlkampf 2024 danken.
BDS als „antisemitisch“ einstufen
Seinen Besuch des Weinguts am Donnerstag rundete Pompeo schließlich mit der Ankündigung ab, dass die US-Regierung die anti-israelische Boykottbewegung BDS formell als „antisemitisch“ bezeichnen werde und gegen Gruppen vorgehen werde, die mit ihr verbunden sind.
Für den bahrainischen Außenminister Abdullatif bin Raschid al-Sajani, der am Mittwoch ebenfalls mit Pompeo, Netanjahu, dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin und dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi zusammengetroffen war, war der Besuch in Israel ein Spagat. Bahrain und Israel hatten sich im Oktober darauf verständigt, ihre Beziehungen zu normalisieren. Am Mittwoch nun hieß es, man wolle bis Jahresende Botschaften in dem jeweils anderen Land eröffnen.
Wie wenig Rückhalt Bahrains Regierung bei ihrer Normalisierungspolitik gegenüber Israel hat, zeigt ein Bericht der Times of Israel. Demnach hat das Außenministerium des Königreichs kurzerhand die Wahrheit verdreht und davon gesprochen, dass die offiziellen Treffen nicht in Jerusalem, sondern in Tel Aviv stattgefunden hätten – offenbar, um mit der Erwähnung Jerusalems kein weiteres Öl ins Feuer der heimischen Gegner*innen des Normalisierungsabkommens zu kippen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Berliner Kurator verurteilt
Er verbreitete Hass-Collagen nach dem 7. Oktober
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will