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Gehorsam und CoronaMacht Disziplin Staat?

Die Politik beschwört in der Coronapandemie die Disziplin – mit wenig Erfolg. Beherrscht wird sie von ganz anderen Akteuren als dem Staat.

Man fragt sich, welche Kräfte auf die Menschen wirken, die krampfhaft auf ihr Smartphone starren Foto: Oliver Ruether/laif

Viel ist in diesen Tagen von ihr die Rede. Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert fast täglich an die der Bürger. Die Disziplin, einst als Sekundärtugend abgetan, feiert in der Coronapandemie eine Rückkehr. CDU-Chefin und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer twitterte kürzlich: „Disziplin ist Ausdruck von Verantwortung.“

Bereits im März mahnte AKK: „Wer keine Ausgangssperre will, muss Disziplin wahren.“ Allein, die Ordnungsrufe sind in dem kasernenhofähnlichen öffentlichen Raum weitgehend verhallt. In Leipzig demonstrierten Tausende ohne Maske, Hunderte am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main, in den Innenstädten gehen die Coronapartys weiter.

Ist die Disziplinargesellschaft also in der Krise? Wenn man sieht, mit welcher Diszipliniertheit Menschen ihre Smartphones checken, ahnt man, dass die Technologie der Macht, wie Foucault es nannte, präsenter denn je ist – sie wird nur von ganz anderen Akteuren als dem Staat beherrscht.

2.617 Mal am Tag, haben Analysten 2016 nachgezählt, berührt ein Nutzer sein Handy. Niemand zwingt einen dazu, Status-Updates anzuschauen oder eingehende Nachrichten zu beantworten. Trotzdem tut man es. Mit psychologischen Tricks und Stimuli ist es den App-Entwicklern gelungen, unser Gehirn zu hacken, unsere Aufmerksamkeitskonten zu ökonomisieren, uns das Gefühl zu geben, als müssten wir uns alle paar Minuten beim digitalen Pförtner melden.

Nach Foucault ist die Disziplin nicht nur eine Technik, die die Körper unterwirft und gefügig macht, sondern auch produktiv. „Die Disziplin steigert die Kräfte des Körpers (um die ökonomische Nützlichkeit zu erhöhen) und schwächt diese selben Kräfte (um sie politisch fügsam zu machen.)“ So formiere sich „eine Politik der Zwänge, die am Körper arbeiten, seine Elemente, seine Gesten, seine Verhaltensweisen kalkulieren und manipulieren.“

Kontrolle und Manipulation

Die Beobachtung ließe sich auf die Smartphone-Nutzung übertragen: Auch da arbeiten Zwänge am Körper, werden Verhaltensweisen kontrolliert und manipuliert. Man fragt sich zuweilen, welche Kräfte auf die Menschen wirken, die krampfhaft auf ihr Smartphone starren – seit einigen Jahren warnen Orthopäden vor dem „Handy-Nacken“! Welche „politische Anatomie“ oder „Mechanik der Macht“ also, wie Foucault es nannte, hier am Entstehen ist.

Es ist erstaunlich: Wo sich radikalisierte Impfgegner gegen eine Unterwerfung des Körpers zur Wehr setzen und den Körper als letztes Bataillon gegen einen biopolitisch übergriffigen Staat in Stellung bringen, lassen Millionen Menschen freiwillig ihre Datenkörper von einer profitorientierten Digitalindustrie dressieren, kontrollieren, manipulieren.

Das Interessante ist, dass sich Individuen wie auch die Massen durch digitale Disziplinartechniken viel effizienter steuern lassen als mit dem traditionellen „Besteck“ des Verwaltungsstaats wie Gesetzen, Verordnungen oder Bußgeldern.

Der Soziologe Grégoire Chamayou beschreibt in seinem Buch „Die unregierbare Gesellschaft“ (2018), wie in den 1970er Jahren mit dem Siegeszug des Neoliberalismus eine „neue Kunst der Arbeitsführung“ erfunden wurde. Das Management in den Automobilfabriken wusste sich gegen die zunehmende Disziplinlosigkeit der Arbeiter nur mit einer Verschärfung der Disziplinarordnung und Sanktionen zu helfen, die allerdings das Fehlverhalten nicht einhegten, sondern Konflikte im Gegenteil noch schürten. Also setzte man auf mehr Autonomie und führte Formen der Selbstverwaltung in der Belegschaft ein. An die Stelle des Kollektivs trat das unternehmerische Selbst.

Jeder ist für sich selbst verantwortlich

Der digitale Kapitalismus hat den Gedanken des Selbstmanagements radikal vorangetrieben. Jeder ist heute selbst für sich verantwortlich: für seine Ernährung, Fitness, Bildung etc. Und damit auch für seine Disziplinlosigkeiten. Wo der Einzelne dick wird, macht er sich selbst und seine gescheiterten Ernährungspläne verantwortlich und nicht die Tricks der Lebensmittelindustrie oder die Versäumnisse der Politik. Disziplin ist heute vor allem Selbstdisziplin.

Aus der Perspektive des Neoliberalismus ist dieses Selbstmanagement eine tolle Sache, weil Verantwortung auf den Einzelnen abgewälzt wird und der Raum des Politischen schrumpft, der Unternehmen (etwa durch Regulierung) gefährlich werden könnte.

Diese Individualisierung von Verantwortung hat jedoch Implikationen für das politische System: Denn wo es nur noch selbstoptimierende Ich-AGs gibt und das Kollektiv zerbröselt, können auch keine allgemeinverbindlichen Regeln mehr hergestellt werden.

Politik funktioniert immer häufiger nur noch als Privatregierung, als Selbstmanagement: Man gibt dem Einzelnen Ziele, wie 10.000 Schritte am Tag zu gehen, und bietet ihm dafür Bonifikationen wie Gutscheine. Das Kollektivgut öffentliche Gesundheit wird privatisiert. Im Grunde ist das ein doppelter Triumph des Liberalismus: Nicht nur wird das Individuum für alles Handeln haftbar gemacht. Die Politik muss sich auch der Techniken der Marktwirtschaft bedienen, um den Einzelnen adressieren zu können.

Schubs in die richtige Richtung

Beispiel „Nudging“: Seitdem Großbritannien 2013 eine eigene Nudge Unit aufgebaut hat, wird auch hierzulande darüber diskutiert, wie man diesen Ansatz der Verhaltensökonomie im Alltag fruchtbar machen kann. So wie in der Kantine und am Supermarktregal, wo gesunde oder ungesunde Produkte auf Griffhöhe liegen, soll der Bürger einen sanften Schubs in die „richtige“ Richtung bekommen, auch in der Coronapolitik: Die Unternehmensberatung PwC hat eine digitale Plattform namens „Zone Check“ präsentiert, wo Mitarbeiter unter anderem mit spielerischen Anreizen (Gamification) zum Abstandhalten motiviert werden können. Belohnen statt bestrafen.

Diese Privatisierung des Politischen lässt sich auch am Beispiel von Versicherungen studieren. Dort werden Risiken nicht mehr nur gestreut und auf die Allgemeinheit verteilt, sondern zunehmend in die Sphäre von Individuen verlagert werden. So bieten Kfz-Versicherungen seit einigen Jahren sogenannte Telematik-Tarife an, die die Höhe der Beiträge an die Fahrweise koppeln. Wer sein Fahrverhalten überwachen lässt und vorausschauend fährt, spart am Jahresende bis zu 30 Prozent Beitragskosten.

Laut Bundesverband der Verbraucherzentralen haben 80.000 Deutsche einen solchen Tarif gewählt. Die Disziplinierung der Bürger erfolgt nicht durch Strafandrohung oder einen Bußgeldkatalog, sondern durch eine Kombination aus privater Verkehrsüberwachung und monetären Anreizen.

Vielleicht muss der Staat angesichts dieser privaten Regulative umso härter regieren, weil er Disziplin nur mit dem Werkzeugkasten des Polizeirechts herstellen kann. Der Nationalstaat, den viele in einer globalisierten Gesellschaft mit multinationalen Konzernen schon für klinisch tot erklärten, erlebt in der Coronakrise ein Revival. Dass die Ordnungspolizei in einigen Kommunen Hausbesuche abstattet, um die Quarantäneverpflichtung der Bewohner zu kontrollieren, hätten sich wohl selbst Anhänger eines „starken Staats“ in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.

Vielleicht erleben wir gerade das letzte Gefecht eines im Kampf mit dem Neoliberalismus verwundeten Staats, der noch mal alle Reserven mobilisiert – oder den ersten Schimmer von etwas Neuem, einer Renaissance der Disziplinarmacht, die die „gelehrigen Körper“ (Foucault) mit digitalen Technologien erzeugt. Allein mit Disziplin ist am Ende allerdings kein Staat zu machen.

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13 Kommentare

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  • Danke

    „Privatisierung Politischen lässt sich bei Versicherungen studieren. Dort werden Risiken nicht mehr nur gestreut auf Allgemeinheit verteilt, sondern .. in Sphäre von Individuen verlagert werden“



    Wohl wahr, das befördert Identität mit immer kleinerer Versicherungsgemeinschaft mit Alleinstellungsmerkmal, beworbenem Selbstmanagement, statt gemeinwirtschaftlicher Solidarität, dazu zulasten gesetzlicher Sozialversicherung steuerlich gefördert, ohne staatliche Regularien, Ausgleichsmechanismen, wie es geschieht, zerbröselt Solidargemeinschaft zu Pustekuchen. Mit dem Nationalismen nicht eingelösten Versprechen, globale Vernetzung mit anderen Nationen auf Augenhöhe fairen Vertragsgemeinschaften zu verhandeln, abzuschließen, , befeuert staatlich subventionierte Identitätspolitik denn erweiterte Solidargemeinschaften unter Ethnien, Staaten, Völkern zum gegenseitigen Nutzen



    Digitaler Kapitalismus, was soll das sein?, ein Wortverknüpfungsungetüm und Bluff, Zeitgenossen ins Bockshorn zu jagen? nichts außer vorhanden nun digitalisierter Verschuldung von Staaten, Privathaushalten, Unternehmen? Der schafft gesellschaftspolitisches Vakuum, ungeachtet personenbezogen erstellten Profilen, fehlende persönliche Ansprache. Das gesellschaftspolitisch wahrgenommen lässt Neoliberalismus Milton Friedman Chicago Bays mit ihrer Schocktherapie für nationale Ökonomien „Privatisierung staatlicher Daseinsvorsorge, Energie, Gesundheitswesen, Wasser, Strom, Telekommunikation, Wohnen, Abbau Sozialsystemen, winselnd entschwinden, wie es Naomi Klein *1972 in gleichnamigem Buch „Schocktherapie“ 2007 ahnen lässt



    Anders als Foucaults verhaltensbiologischer Disziplin Ansatz, ausgelöst durch Technik, Körper mit Anreizen überflutet, zugunsten Dritter produktiv zu machen, sehe ich darin So als ob Nutzer Standby, das jederzeit, s. Fridays for Future 2019, ICAN UNO Atomwaffenverbot Kampagne 2017 sehen, andere globale Präsenz einnimmt?



    Disziplin bleibt erwachsen nicht Sache von Zwang sondern Vertrauen

  • Man kann es so sehen: Der Staat wird immer stärker und autoritärer, weil die Bürger immer individualisierter sind und sich dadurch nicht mehr so unkompliziert regulieren lassen.



    Man kann aber auch sehen, dass die Verantwortung für die Krise immer mehr auf die Bürger abgewälzt wird. Weil "einige" nicht diszipliniert genug sind, muss der Staat härter eingreifen. Hat der Staat aber nicht auch Möglichkeiten, ja geradezu eine Verantwortung jenseits einer Regierung durch Appelle und Verbote? Wäre es nicht auch staatliche Aufgabe, die Infrastruktur anzupassen, das Gesundheits- und Bildungssystem entsprechend zu gestalten? Die zweite Welle wird als Folge des Versagens von Individuen dargestellt. Aber ist das die ganze Wahrheit? Ist es nicht auch ein Versagen des Staates, der die Schulöffnungen nicht vorbereitet hat (Hygienekonzepte, Luftfilter, Schulbusse...)?



    Interessant auch, dass soziale Kontakte und Freizeit reglementiert werden, Arbeit und Wirtschaft also bestenfalls subventioniert. Ist nicht auch der Fokus auf Bildung entgegen den Einwänden von Eltern und Lehrkräften auch ein Zeichen dafür, dass die Qualifizierung von Arbeitskräften wichtiger ist als z.B. Menschenleben? Auch das ist mindestens kapitalistisch, wenn nicht spezifisch neoliberal: statt die Wirtschaft zu regulieren (Fleischfabriken etc) wird an die Bürger als Individuen appelliert und sie werden auch verantwortlich gemacht, wenn es nicht reicht.



    Das erinnert an die Halterung zum Klimawandel.



    Dass an old-school Demokratie nicht mehr geglaubt wird, zeigt auch die Rolle des Parlaments und des Austausch mit der Gesellschaft.

  • @SNOWGOOSE, der Artikel verweist auf ausgezeichneten Journalismus, welcher sich darin auszeichnet vielschichtig zu informieren, um aus diesen gesicherten/erforschten/belegten wie auch quellenverwiesenen Informationen für den Menschen eigene Überlegungen und Handlungen zu erzeugen.



    Ein Artikel, der ein Überdenken vllt zulässt und dir weniger eine Meinung über Geschehnisse vorklatscht.



    Oder besser noch; dich wissender macht, für bzw. gegen affektive Handlungen.



    Ja von Medizin, Psychologie, Ökonomie, Digitalisierung, bis hin zu wissenswerten Denkern der Geschichte bietet Dir der Artikel Anschlüsse der eigenen Recherche und Gegenpositionen.



    Hey mensch, der Artikel enthält sogar Witz! Auch wenn er mit seinem letzten Abschnitt eine bittere Note enthält, wohin unsere menschlich gewollte Eingeschränktheit führen kann, so zeigt er trotzdem die Chancen der Digitalisierung. Er gibt Anstoß, sich dem Wissen über die Neue Informationstechnologie zu befähigen und nicht als Handlanger*in ausgenutzt zu werden.



    Hier auch noch einmal den Verweis auf Foucault (falls er zu selten in der Analyse aufgetaucht ist), welcher schon vor seinem 46. Todestag die Erkenntnisse von „Überwachen und Strafen„ zusammengefasst hat. Der Artikel verschafft mit seiner Analyse eine bedeutende Reichweite der Verständigung (vor allem im politischen Raum) des zu Hauf verwendeten Begriffs „Disziplin„ und der Anmerkkmg/Kritik/Beobachtung der Doppelmoral denkender Menschen, wenn es um „ihre“ Einschränkung geht, sie aber nicht erkennen, welcher Manipulation sie tagtäglich unterlaufen und sich vllt noch exzessiver in ihrer Bubble aufhalten.



    Welchen Ton auch immer, du mit deinem Nebensatz versucht hast, hier erzeugen zu wollen; es kann helfen, wenn Journalismus als Informationsquelle verstanden wird. Wenn du eine Meinung gebildet haben möchtest, so wende dich doch bitte an einen anderen Verlag (wenn dir eine bestimmte Zielsetzung hier fehlt).



    @KDIDK,Same thought nachm gelesenen Artikel: #tazzahlich

  • Vielleicht ist "freiwillig" das Zauberwort. Viele Menschen geben Google und Co. freiwillig ihre Daten, während bei den Coronamassnahmen ja immer "du musst" dahinter steht.



    Ich halte mich auch an die meisten Coronamassnahmen aus Rücksicht gegenüber meinen Patienten, Eltern und Umfeld. Das mache ich dann freiwillig und verzichte gerne Mal auf was.



    Auf Anordnungen von Merkel und Söder reagiere ich instinktiv erstmal ablehnend.

    • @Aymen:

      Auch wenn Empathiefähigkeit durch die Abschottung gesellschaftlicher Interaktionen in der Praxis nun weniger erfahrbar ist, kann uns in der Gedankenwelt immer die Gegenposition helfen, um das eigene Verständnis seiner Haltung/Meinung vielleicht selbst besser zu begreifen und sogar feinfühlig mit Positionen anderer umgehen.

      Wie denkst du, würde ein Mensch eingestellt sein, wenn er aus seiner Sicht oder im tatsächlichen Leben stets von Gesellschaft/Familie/Freunde allein gelassen wurde?



      Kannst du dir vorstellen, dass er eine Verantwortung für die Gesellschaft in seinem Verhalten sieht oder für tragen vermag?



      Müssen wir uns nicht gerade deswegen davon entfernen, eine Ichbezogenheit an den Tag zu legen und daher vielmehr „gemeinsam“ denken, was nicht nur das Virus-Problem besiegen kann.



      Sicherlich macht ihr das auch alle für eure Verhältnisse.



      Dieser Artikel könnte dazu führen, dass ein operativ geschlossenes System von sich aus auf Recherche geht und seine Haltung/Meinung neu verknüpft.



      Wie könntest du an jemanden rankommen, ihn zum Verstehen bringen, wenn er schon "instinktiv" ablehnend auf dich reagiert, völlig außer acht gelassen, wie hinreichend gut dein Vorschlag fürs erste in der ungewissen Zeit auch sein mag. Aber er hat nun mal ein Problem mit deiner Religion, deiner Einstellung auf Sexualität usw.



      Macht deine Persönlichkeit also dein Vorschlag für 83+Mio für nichtig und vielleicht sogar für kategorisch ablehnend? Wie anders kann für gleichgerechten Schutz garantiert werden? GlG

    • @Aymen:

      Kann die Begründung einer „freiwilligen Basis“ verstehen, jedoch ist eine Übertragung auf diese Sache völlig unzulänglich; wenn wir von über 83 Millionen Menschen in D ausgehen müssen.



      Wonach richten sich Menschen bei denen Eltern, Familie, Schlüsselpersonen wegfallen? Was ist mit denen, die welche besitzen und trotzdem keine Verantwortung für ihre Umwelt sehen/übernehmen wollen? Suchend nach Argumenten, erheben diese sich über das Wohl anderer.



      Du allerdings hast ein Beispiel gestellt, wie wohl viele der 83+Mio denken werden -zuerst erblicke ich, was mir gut tut/wichtig ist. Der zweite Gedanke richtet sich auf die Gesellschaft; wie ausprägend es also für einen selbst ist, sich auch in der Gesellschaft „einzuschränken“. Habe ich Familie oder bin in einem rücksichtsvollen Rahmen tätig/aufhaltend, wie viel Einschränkung erlaube ich mir. (Ich persönlich halte die Maßnahmen nicht für Einschränkungen, sondern Erfordernisse, die nun in der Öffentlichkeit anzuwenden sind. Dadurch tun sie automatisch weniger weh 😉) (Genauso wie wir uns irgendwann darauf geeinigt haben, dass wir uns bekleidet, bzw. Intimzonenbereich-verdeckend begegnen.) Ich möchte darauf verweisen, dass es in diesem besonderen Fall darum geht, sich der gegebenen Situation anzupassen. (Niemand in der Politik hat Interesse sich weiter zu verschulden und die Wirtschaft außer Kraft zu setzen -wovon die Politik doch schließlich getragen wird- damit Menschen arbeiten und konsumieren können. Sich anpassen, bedeutet „Neues Erzeugen“, gemeinsam gegen dieses Virus anzugehen und sich nun mit all den uns zur Verfügung stehenden Mittel zu entfalten und zu erkennen, zu wie viel, wir Menschen befähigt sind, uns anzueignen, wenn wir unsere Komfortzone verlassen.

  • Dann lassen wir das mit der Smartphone-Corona-App. Dauernd da drauf rum wischen.



    Ich hab eh nur ein Tastenhandy, keine App.



    Allgemeiner:



    die ganzen Regeln lassen sich wohl nicht in allen Bereichen ständig durchhalten.



    Ich denke an Abstände halten bei der manuellen Arbeit, an die vielen kleinen Läden in den beengten Arbeiterstadtteilen.

    • @nzuli sana:

      "Dann lassen wir das mit der Smartphone-Corona-App. Dauernd da drauf rum wischen."

      - aber du nutzt doch das Internet,

      in welchem du deine Spuren mittels Suchanfragen hinterlässt und ein für dich zugeschnittenes Profil erstellst, welches dich in deiner Meinung noch mehr verstärkt, als dass sie dir eine Gegenposition vorschlägt.



      Wir Menschen fühlen uns bestätigt und suchen im WorldWideWeb nach weiteren Mitgliedern unserer Haltung, um auch diese noch stärker zu untermauern und für wahr; richtig; allgemeingültig; universal zu erklären. Der Selbstwert steigt. Völlig außer Acht gelassen, was für "Wahrheiten" gesucht werden.

      Das Netz ist ein Trampolin für konstruierte Realitäten.

      Ich denke:



      Jede bestätigte Meinung/Haltung/Position birgt Potenzial, diese im nächsten Schritt zu überprüfen.



      (Wie ist die-/derjenige auf diese Quellen gekommen? Verweist er auf rückschlüssige Informationen?



      Wie erklingt die Haltung im Unterschied zur Gegenposition?



      Welche Motivation kann dort verborgen sein?



      Gehe ich dieser Meinung nach, weil ich mich in meiner momentanen Lage, verstanden fühle?



      Wie sähe die Situation bei mir aus, wenn meine Situation gegenteilig wäre?



      Sollte daher vllt ein Kompromiss gefunden werden, der es erlaubt, sich stets in beide Lagen/Positionen zu verfassen?



      Und wie können diese beiden Gegenpole entstanden sein?



      Versetze ich mich in die Person und ihrer Situation, ihren Auswirkungen und Folgen ihrer Systeme, welche Verantwortung für welche Systeme muss ich dringlichst stützen? (sollte sich Politik auch noch mal durch den Kopf gehen lassen)



      Alle gestellten Fragen stehen stets unter der Prämisse einer Gleichberechtigung aller Menschen.



      Ich bitte um Entschuldigung, bin abgeschweift... ich möchte nur darauf hinweisen, dass nicht "rausgepickt" werden sollte. Eine Wenn-Dann- Haltung ist da weniger hilfreich, glaub ich. (vielleicht zur Erkennung dieser Stolpersteine für die eigene Meinungsbildung und -fundiertheit).



      -würde sagen, der Sinnzusammenhang macht´s

  • Guter Artikel. Ich sollte der taz wohl doch mal Geld geben. :-D

    Die Selbstdisziplin im Zusammenhang mit Corona sollte natürlich eigentlich aus Gründen der Rücksichtnahme und Vernunft (und nicht der neoliberalen Selbstoptimierung) erfolgen, aber auch damit ist kein Staat zu machen... schon gar nicht, wenn die Menschen seit Jahrzehnten auf Konsum und Spaß "gedrillt" wurden (wiederum aus Gründen des Profits). Diese Jugendlichen bei den Coronaparties machen eigentlich nur genau das, was man ihnen von klein auf beigebracht hat.

    Mit Empathie verdient eben keiner Geld, daher verkümmert dieser "soft skill" auch zusehends. Das gleiche gilt für Solidarität. Macht auch keiner einen roten Heller mit, daher: Verkümmert.

    Beides übrigens keine Technologien der Macht (weil nicht zu Kontrollzwecken brauchbar), würde sich also als persönliche Leitlinie doch vielleicht anbieten. Also: Empathie und Solidarität statt Disziplin! (Spoiler: Kommt am Ende aufs selbe raus - Maske und Abstand.)

  • RS
    Ria Sauter

    Die meisten Menschen halten sich an die Vorgaben.



    Was möchten Sie uns mit diesem Artikel sagen?

  • Also so ganz verstehe ich die Zielsetzung des Artikels nicht, dabei bin nicht total ungebildet.

    • @snowgoose:

      Geht mir ähnlich. Ich teile die Bedenken zum Teil, kann aber keine eindeutige Moral erkennen.

      Wie dem auch sei, ich behaupte, dass die App-Basierte Kontrolle niemandem so richtig bewusst war oder ist, weder Nutzen noch Entwicklern, Designern, Produktentwicklern oder wer sonst noch alles mitmacht. Für den Nutzer ist die Benutzung plötzlich intuitiv (man kann die App auch betrunken bedienen), für den Entwickler ist es einfach nur Gamification. Hat sich halt so ergeben.

      Ansonsten kann ich weder gnadenlose Selbstverantwortung noch vollkommene Bevormundung gut finden. Vielleicht ist die Ironie ja gerade, dass beide Extreme aus der freien Wirtschaft kommen aber bestimmt gibt es da auch einen Mittelweg

  • "Allein, die Ordnungsrufe sind in dem kasernenhofähnlichen öffentlichen Raum weitgehend verhallt."

    Quatsch. Man kann die Leipzig Demo doch nicht als DIE öffentliche Reaktion darstellen. Mindestens 80% kommen dem Wunsch nach mehr Abstand und Vorsicht nach. Viele davon aus eigenem Interesse.