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Neuer Lucky-Luke-Band vor US-WahlEin Cowboy gegen Rassisten

Black Lives Matter in den Südstaaten: Comic-Held Lucky Luke reitet wieder. Band 99 erscheint in einer reizvollen Variante von Achdé und Jul.

Szene aus „Lucky Luke“, Band 99 Foto: Egmont Verlag

Überraschung: Lucky Luke wird von einer ihm unbekannten, verstorbenen Verehrerin zum Alleinerben ernannt. Und damit zum Besitzer einer riesigen Baumwollplantage in Loui­sia­na. Kaum hat er auf dem Rücken seines Pferdes Jolly Jumper die Südstaaten erreicht, wird er auch schon mit der dortigen repressiven Gewalt konfrontiert. Zwei weiße Männer wollen einen schwarzen Jungen aus­peitschen, der ihnen angeblich nicht den „Vortritt“ ließ.

Der Western-Comic-Held Lucky Luke reitet nun schon seit über 70 Jahren durch den Wilden Westen, seit sein Schöpfer Morris ihn 1946 im Spirou-Magazin einführte. An das Thema Rassismus wagte sich der 2001 verstorbene Zeichner nicht heran, vielleicht, weil er es sich in einer vorwiegend für Kinder konzipierten Westernparodie nicht vorstellen konnte.

Der Comic

Achdé, Jul: „Lucky Luke. Band 99. Fackeln im Baumwollfeld“. Deutsch von Klaus Jöken. Egmont Verlag, 2020, 48 Seiten, 6,90 € (Hardcover 12 €)

In der von René Goscinny geschriebenen Geschichte „Am Mississippi“ von 1959 verschlug es die Comicfigur – Lucky Luke, den Mann, der schneller schießt als sein Schatten – das erste Mal in das Louisiana nach dem Bürgerkrieg. Hier tauchten bereits Afroamerikaner auf, die als sympathische, lässige, musikalisch talentierte Arbeiter charakterisiert und zugleich mit rassistischen Stereotypen als faule Lastenträger und Hasenfüße belegt wurden.

Der neueste Lucky-Luke-Band „Fackeln im Baumwollfeld“ versucht ein solches altes Story-Telling nun zu korrigieren. In der Zeit eines unter Präsident Trump verstärkt aufflammenden Rassismus und der „Black Lives Matter“-Gegenbewegung wirft er einen komprimierten und in Ausschnitten profunden Blick auf die Geschichte der USA und ihrer Südstaaten.

Sehr überzeugend

Es ist nun das dritte gemeinsame Lucky-Luke-Album des Duos Achdé (Zeichnungen) und Jul (Text). Und es ist zugleich deren überzeugendstes. Wie Jul (Julien Berjeaut) schon im vorletzten Album „Das gelobte Land“ jüdische Einwanderer als diskriminierte Randgruppe prägnant porträtierte, nimmt er sich diesmal eines der schwierigsten Themen in der Geschichte der USA an: des Rassismus und der nach der Abschaffung der Sklaverei fortdauernden Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung.

An der Entwicklung dieses Bandes feilte das Autorenduo vier Jahre lang, wie Jul in einem Interview sagt. Schon das Cover ist eindrücklich: Lucky Luke ist mit einem schwarzen Sheriff an seiner Seite in einem blühenden Baumwollfeld zu sehen, im Hintergrund Männer mit weißen Kapuzen und Fackeln.

Kurz zur Handlung: Lucky Luke trifft auf einen alten Freund, der die aus vielen Lucky-Luke-Bänden bekannten berühmt-berüchtigten Dalton-Brüder ins Gefängnis überführen soll. Es ist kein Geringerer als Bass Reeves. Ein US-Marshal schwarzer Hautfarbe. Dieser warnt Lucky Luke, dass der Süden doch immer noch etwas „wilder als der Wilde Westen“ sei. Einer der Ganoven-Brüder, Joe Dalton, wird hellhörig. Er erlauscht, dass Lucky Luke ein reiches Erbe antreten soll. Und reißt mit seinen Verbrecher-Brüdern bei erstbester Gelegenheit aus.

Szene aus „Lucky Luke“, Band 99

Lucky Luke selber hat gar kein Interesse an der Südstaaten-Plantage. Er reitet einzig dorthin, um den Besitz unter den schwarzen Landarbeitern aufzuteilen. Doch so gut die Absicht, ganz so einfach gelingt ihm die Umsetzung nicht. Die Afroamerikaner, allen voran die resolute junge Lehrerin Angela, bezweifeln zunächst, dass Luke es ernst meint. Luke macht zudem Bekanntschaft mit den versnobten weißen Gutsbesitzern der Gegend, angeführt vom selbstherrlichen Quentin Quarterhouse („QQ“!). Der würde ihn gerne in seinen rassistischen Verein aufnehmen.

Absurder Humor

Jul verwebt mit dem filmisch geschriebenen Szenario gekonnt die finstere Südstaatenhistorie mit dem Plot. Die Erzählung ist anspielungsreich und von einem leicht absurden Humor geprägt. Das ist sehr unterhaltsam.

So kommen die Daltons mit einem Reiseführer in der Hand in den Sümpfen Louisianas an. Die dortigen Cajuns – französischsprachige, abgeschieden lebende Vertriebene aus Kanada – halten sie zunächst für Mexikaner. Später treffen sie auf Mitglieder des Ku-Klux-Klans, die die Daltons wegen ihres merkwürdigen Aufzugs für Indianer halten. Und die gerade „ihren“ Lucky Luke skalpieren wollen.

So bewahren sie aus dem Missverständnis heraus den Cowboy vorm Tod auf dem Scheiterhaufen. Doch auch der schwarze Marshal eilt zu Hilfe, bevor ein gewaltiger Hurrikan aufzieht. Eine Naturgewalt, die die Lebensgrundlage aller bedroht. Zeichner Achdé (Hervé Darmenton) entwirft dabei eindrückliche Bilder in deutlichem visuellen Kontrast zum Terror des Klans – zur betörenden Fauna Louisianas und dem lebensfrohen Cajun-Völkchen.

Prachtvolle Südstaatenvillen erinnern an den heute umstrittenen US-Filmklassiker „Vom Winde verweht“ von 1939 und sind ein gelungenes Spiel mit überlieferten kulturellen Klischees.

Die Partys des Ku-Klux-Clans

Die Darstellung des Ku-Klux-Klans bleibt nahe an der tatsächlichen Geschichte. Erste Klans samt maskierten Mummenschanz und „Großem Hexenmeister“ bildeten sich 1865 direkt nach Bürgerkrieg und Niederlage der Sklavenhaltergesellschaft des Südens. Sie überzogen die lokalen Gemeinden mit grausamen Terrorakten.

Der Comic bildet dies ab. Auf QQs Partygesellschaften sprechen Weiße locker über Lynchmorde an Schwarzen. In anderen Szenen entkommen einige Afroamerikaner nur knapp Auspeitschungen und anderen Bedrohungen.

Durch die fiktionale Auferstehung einer historisch-mythischen Figur wie Bass Reeves gelingt den Autoren Jul und Achdé ein besonderer Coup. Der als Sklave geborene Reeves (1838–1910) wurde nach dem Sezessionskrieg der erste schwarze U. S. Deputy Marshal. Er sorgte vor allem in Oklahoma und Arkansas für Recht und Ordnung. Er soll über 3.000 Kriminelle festgenommen haben. Mit ihm stellen die Comic-Autoren Lucky Luke einen legendären schwarzen Helden an die Seite. Auch andere afroamerikanische Figuren wie die selbstbewusste Angela oder der zurückhaltende Diener Socrates Pinkwater erweitern die Erzählperspektiven des Comics.

Mit „Fackeln im Baumwollfeld“ haben Jul und Achdé eine zeitgemäße Lucky-Luke-Variation vorgelegt. Das Album erzählt auf originelle Weise von einer unrühmlichen Geschichte aus dem historischen Süden der USA. Gegenwartsbezüge („Yes, we can“) tauchen gut dosiert ebenfalls auf.

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7 Kommentare

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  • Bei all dem Lob übersehen Gestalter wie Medien, dass der Transfer auf native americans nicht mal im Keim erkennbar ist. Der Cherokee z. B. wird genauso klischeehaft stereotyp dargestellt wie seinerzeit in den 50ern die Schwarzen. - Das ist so, wie bei vielen, die keinen Transfer von Ablehnung des Antisemitismus auf das Erkennen von Antiziganismus zu leisten in der Lage ist. Und so lange diese Transfers nicht geleistet werden, ist das Grundproblem auch bei Gutwilligen nicht reflektiert angekommen.

  • Danke, Den hol ich mir auch!

  • Hört sich gut an. Schaun mer mal, was der Comic hält von dem, was hier versprochen scheint...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Booey - so früh schon den 2. 🍷 wech?!;)



      Normal.

  • Den hol ich mir auch!

  • Danke. Gekauft •