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Weibliche FührungskräfteFrauenquote in DAX-Vorständen sinkt

Die Coronakrise führt bei der Geschlechtergleichheit zu Rückschritten. Polen hat nun mehr Frauen als Deutschland in den Vorständen der Top-Unternehmen.

Bis April letzte Vorstandsvorsitzende eines DAX-Unternehmens, Jennifer Morgan bei SAP Foto: Arnulf Hettrich/imago

Berlin taz | Frauen sind in den Führungsetagen deutscher Unternehmen stark unterrepräsentiert. Nur 12,8 Prozent der DAX-Vorstände sind weiblich. Stieg der Frauenanteil innerhalb der letzten fünf Jahre an, sinkt er nun im Krisenjahr 2020 erstmals wieder. Dieser Trend gilt allerdings nur in Deutschland, wie eine Studie der Allbright-Stiftung herausfand, die sechs führende Industrieländer miteinander verglich. Anfang September gehörten den Vorständen der 30 DAX-Konzerne 23 Managerinnen an, 2019 waren es noch 29. Bei elf Unternehmen sitzt keine einzige Frau im Vorstand. Dies war im Vorjahr nur bei sechs der Fall.

Die Coronakrise war in vielen Unternehmen Anlass für Umstrukturierungen, auch in der Chefetage. Die Vorstände verkleinerten sich, nicht alle ausgeschiedenen Frauen wurden ersetzt. Das Rekrutierungsmuster ist seit Jahrzehnten konstant: Mitte 50, männlich, meist Wirtschaftswissenschaftler. Waren weibliche Vorstände anfangs Pionierinnen aus dem Ausland, steigt der Anteil der Deutschen stetig. So holte der Pharmakonzern Schering mit der Niederländerin Karin Dorrepaal 2004 die erste Frau überhaupt in einen DAX-Vorstand.

In der Studie bilden die 30 deutschen Top-Unternehmen im Vergleich das Schlusslicht. Nur 12,8 Prozent der Führungskräfte in Vorständen sind weiblich, die Zahl ist 2020 wieder auf den Stand von 2017 gesunken. In den USA stellen Frauen 28,6 Prozent des Top-Managements. Am stärksten stieg der Frauenanteil seit 2019 in Polen um 2,6 Zähler auf 15,6 Prozent.

Seit 2016 verpflichtet ein Gesetz Unternehmen dazu, ihre Aufsichtsräte zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. „Gemischte Führungsteams aus Männern und Frauen treffen die besseren Entscheidungen“, sagte Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, am Mittwoch der taz. Die Bundesministerin für Familie und Frauen, Franziska Giffey (SPD), wünscht sich die Ausweitung der Quotenregelung der Aufsichtsräte auch auf nichtbörsennotierte Unternehmen. Außerdem plant sie noch für die bis September 2021 anhaltende Legislaturperiode ein Gesetz für mindestens eine Frau in Vorständen. Diese Regelung soll für Börsenunternehmen ab 2.000 Mitarbeiter:innen und vier Personen im Vorstand gelten.

Grüne bezweifeln Gesetzesentwurf

Der Vorstoß von Giffey gehe zwar in die richtige Richtung, sagt Ulle Schauws, Sprecherin der Grünen für Frauen- und Queerpolitik. Sie stellt jedoch infrage, ob das durchsetzbar sei. „Dass die Koalition kürzlich eine gesonderte Arbeitsgruppe zum Thema Frauen in Führungspositionen eingesetzt hat, obwohl der fertige Gesetzentwurf bereits vorliegt, lässt nichts Gutes erahnen“, so Schauws. Sie befürchtet, dass das Gesetz „in der Schublade verschwindet und die DAX-Unternehmen weiterhin frauenfreie Zonen bleiben“ können.

Erst bei vier der 30 DAX-Unternehmen sitzen mehrere Managerinnen in der Top-Etage. Unter den Vorstandsvorsitzenden wird man Frauen vergeblich suchen. Seit dem Ausscheiden von Jennifer Morgan bei SAP im April befindet sich keine Frau mehr unter den CEOs. Morgan war sieben Monate lang die bisher einzige DAX-Konzernchefin. Erst ab Mai 2021 wird es hier wieder eine Frau als Vorstandsvorsitzende geben. Beim Pharma- und Chemiekonzern Merck wird Belén Garijo auf Stefan Oschmann folgen.

Die 160 größten börsennotierten Unternehmen sind verpflichtet, feste Zielgrößen für die Steigerung des Frauenanteils in ihren Vorständen zu veröffentlichen. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass 55 der Unternehmen ohne Frauen im Vorstand offenbar auch nicht planen, etwas an ihrer Geschlechterquote zu ändern. Darunter sind auch vier DAX-Unternehmen: Delivery Hero, Deutsche Wohnen, HeidelbergCement und RWE. Bei den kleineren Aktienindizes MDAX und SDAX ist der Frauenanteil unter Vorständen mit 10,9 und 7,5 Prozent nochmals deutlich geringer. Hier stieg jedoch der Frauenanteil der Vorstände um 1,8 und 2,1 Prozent im Vergleich zu 2019. Bei der Entwicklung im DAX dürfte es sich um eine Talsohle handeln. Mit der Deutschen Telekom, SAP und Siemens haben bereits drei der Top 30 neue Vorständinnen angekündigt.

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2 Kommentare

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  • "Polen hat nun mehr Frauen als Deutschland in den Vorständen der Top-Unternehmen." Wie hört sich dieser Satz wohl für eine Polin an?

  • Ist es wirklich wichtig wer sich da bereichert?



    Seien wir ehrlich, wir brauchen generell andere Führungsstrukturen (Beispiel Gore wo Mitarbeiter die Vorgesetzten wählen) und dann benötigen wir geeignete Leute. Und wir benötigen Delegation von Aufgaben. Wichtigtuer mit 60 Wochenstunden, Meetinhopper, etc... braucht kein Mensch. Die kann man i.d.R. entlassen und alles läuft ohne Probleme weiter wie bisher!



    Das Geschlecht ist doch wurscht.