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Pop-up-Radwege könnten platzen

Kurzfristig eingerichtete Fahrradspuren in Berlin sollen entfernt werden. Sie wurden nicht ausreichend begründet, meint ein Gericht

Muss wohl jetzt erst mal wieder abgezogen werden: Zeichen für einen Pop-up-Radweg Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Aus Berlin Bert Schulz

Eines der großen Renommeeprojekte der Berliner Senatsverwaltung für Verkehr steht auf der Kippe. Acht sogenannte Pop-up-Radwege müssen wohl vorerst wieder verschwinden. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Freitag entschieden, wie erst am Montag bekannt wurde. Es bestünden „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Radwegeinrichtung“, so das Gericht. Geklagt hatte ein Berliner Abgeordneter der AfD. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Die Verkehrsverwaltung kündigte am Montagnachmittag an, „unverzüglich“ Beschwerde gegen die Entscheidung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einzulegen. Es stünden „grundsätzliche Fragestellungen im Raum“, die das Verwaltungsgericht in seiner Eilentscheidung aus Sicht der Senatsverwaltung für Verkehr nicht hinreichend gewürdigt habe. Sie hält die Pop-up-Radwege für rechtmäßig angeordnet und hinreichend begründet. Zu Hochzeiten der Coronapandemie und des Lockdowns ab Ende März hatte zuerst der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg damit begonnen, an viel befahrenen breiten Straßen zumeist eine Spur der Fahrbahn als provisorischen Radweg auszuweisen. Begründet wurde dies mit den Abstands- und Hygieneregeln. „Mit den bestehenden Radverkehrsanlagen lässt sich die Eindämmungsverordnung gegen das Coronavirus momentan nicht gefahrlos einhalten“, hatte der Leiter des Straßen- und Grünflächenamts des Bezirks, Felix Weisbrich, damals der taz gesagt.

Auch mehrere andere Berliner Bezirke griffen Weisbrichs Idee rasch auf, es folgten auch viele deutsche Städte. Die Spuren wurden bundesweit als sogenannte Pop-up-Radwege bekannt. Die Entscheidung des Berliner Gerichts ist nun ein Dämpfer für die Euphorie, die die temporären Radwege auch bei vielen RadaktivistInnen ausgelöst hatte. Die Beschilderung an acht Streckenabschnitten in Berlin muss laut der Gerichtsentscheidung wieder abgebaut werden.

Auch das will Verkehrssenatorin Günther verhindern, indem sie eine aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde beantragt. Aus Friedrichshain-Kreuzberg, dem Bezirk mit den meisten Pop-up-Wegen bisher, hieß es am Montag wiederum, man werde sich zum weiteren Vorgehen eng mit der Verkehrsverwaltung abstimmen, „da die Pop-up-Radwege alle auf Hauptverkehrsstraßen eingerichtet wurden“.

Laut der Begründung des Gerichts kann die Senatsverwaltung zwar befristete Radwege einrichten, ohne dass es einer „straßenrechtlichen Teileinziehung bedürfe“. Unbedenklich sei ebenfalls, dass der Radstreifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur befristet eingerichtet seien.

Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo „Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen“ und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefahrenlage habe Günthers Verwaltung aber nicht dargelegt, monierte das Gericht. Vielmehr sei die Verkehrsverwaltung „fälschlich davon ausgegangen“, sie müsse eine Gefahrenlage nicht begründen. Doch, so das Gericht, könne „die Pandemie nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um verkehrsbezogene Erwägungen“ handele.

Juristen sind uneins

Die Verkehrsver­waltung kündigte an, unverzüglich Beschwerde einzulegen

Zu einem ähnlichen Schluss war der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses in einem Gutachten Anfang August gekommen. Temporäre Radfahrstreifen könnten zwar angeordnet werden, um „Gefahren entgegenzuwirken, die durch eine Verstärkung des Radverkehrs aufgrund der Coronapandemie entstehen“. Allerdings sei dies nur als Reaktion auf „konkrete Gefährdungslagen auf bestimmten Straßen“ möglich. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von Ende Juni hält die temporären Radwege dagegen für rechtmäßig.

Ende Mai hatte die Verkehrsverwaltung den Fortbestand der eigentlich temporären Wege mit Rückgriff auf den Paragrafen 45 der Straßenverkehrsordnung begründet. Darin heißt es unter anderem: „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.“

Diese Gründe seien weiterhin gegeben, so die Verkehrsverwaltung damals: Es bestehe in allen Streckenabschnitten mit aktuell noch temporären Radfahrstreifen ein Bedarf für die sichere Führung von Radfahrenden. Zugleich verkündete sie das Ziel, die vorübergehend angeordneten gelben Markierungen und mobilen Verkehrszeichen bis Jahresende auf vielen Strecken durch dauerhafte Verkehrszeichen und Einrichtungen zu ersetzen oder sogar baulich umzusetzen. Am Montag erklärte die Verkehrsverwaltung, trotz der Gerichtsentscheidung an diesem Ziel festzuhalten.

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