125 Jahre Berliner Gedächtniskirche: Vorsichtige Annäherung
Die Gedächtniskirche wird 125 Jahre alt. Bisher war dieser Ort für unsere Autorin nicht mehr als ein Touri-Hotspot. Jetzt schaut sie mal genauer hin.
An der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz bin ich als gebürtige Berlinerin schon so oft vorbeigegangen und -gefahren – und jedes Mal habe ich sie vor allem als einen Ort für Selfies sammelnde Tourist*nnen wahrgenommen. Und doch wissen diese Touris vielleicht viel mehr über das Gebäude als ich, denke ich an diesem Montag auf meinem Weg zu diesem Westberliner Wahrzeichen: Heute wird der 125. Geburtstag der Gedächtniskirche gefeiert, und das ist Anlass und Beginn einer sechstägigen Reihe von Führungen, Vorträgen und Andachten – und für mich, diese Kirche endlich mal aus der Nähe zu betrachten.
Auf dem Platz vor der Kirche ist an diesem Vormittag, am Vortag des Jubiläums, aber kaum etwas los – nur rundherum lärmen Autos und Lkws. Zum ersten Mal besuche ich sie wirklich. Das Erste, auf das ich treffe, ist ein Bauzaun, der im Moment den Gedenksaal und die anliegende Baustelle umgibt. Dann auch: ein paar wenige Tourist*nnen. Die sind sichtlich irritiert, als man sie nach einem 125-jährigen Jubiläum fragt. Auch eine alteingesessene Besucherin weiß nichts von dem Programm.
In seinen 125 Jahren hat das Gebäude im Übrigen einiges mitgemacht. Ich mache mich schlau, bei dieser Gelegenheit: Die Kirche musste nicht nur aufgrund der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg um seine Existenz fürchten. Ob die Kirche bleiben und wiederaufgebaut werden würde, stand daraufhin lange nicht fest. Doch schon vor dem Krieg wurde ein Abriss diskutiert, schlicht weil die Kirche an Aufmerksamkeit und Bedeutung verloren hatte.
Rasantes Tempo
Viereinhalb Jahre brauchte man für den Bau der 1895 eingeweihten Kirche, für die damalige Zeit ein rasantes Tempo. Bis heute trägt sie außerdem den Namen des Kaisers Wilhelm I., der mit dem Bau der Kirche geehrt werden sollte. Früher einmal war ihr vormals 113 Meter hoher Turm der höchste der Stadt. Heute würde das Gebäude, wäre der Turm erhalten geblieben, vielleicht nicht mal mehr die umliegenden Hochhäuser überragen können.
Von blauem Licht wird man eingehüllt, wenn man den Altarraum betritt, der zu den 1961 rund um die Ruine der alten Kirche hinzugefügten Bauten gehört. Eine angenehme Stille macht sich breit, der Verkehrslärm verstummt. Schon nach wenigen Augenblicken möchte ich nicht mehr zurück nach draußen und in die U-Bahn. Eigentlich schade, denke ich: Mittendrin im Gewusel könnte der Kirche auch von allen Berliner*innen, die nicht gläubig sind, etwas Beachtung geschenkt werden. Denn von ruhigen Orten wie diesen lebt die Stadt ebenfalls.
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