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Gewalt in den USA hört nicht aufWarum schoss er?

Michael R. soll in Portland einen Anhänger von US-Präsident Trump erschossen haben. Jetzt wurde er selbst von Polizisten getötet.

Lacey, Washington am Freitag: Dort erschossen Sicherheitskräfte Michael R Foto: Caitlin Ochs/reuters

Bei einer Schießerei mit Polizisten ist am Donnerstag der 48-jährige Michael R. im US-Bundesstaat Washington erschossen worden. R. stand unter dem Verdacht, am vorigen Wochenende in Portland, Oregon, am Rande eines Autokorsos von rechtsgerichteten Anhänger*innen des US-Präsidenten Donald Trump den 39-jährigen Aaron J. Danielson erschossen zu haben. Danielson, der bei seinem Tod eine Mütze mit dem Zeichen der rechten Gruppierung „Patriot Prayers“ trug, ist seither zum Märtyrer der Rechten geworden – Trump selbst schrieb auf Twitter, er möge in Frieden ruhen.

Nur Stunden bevor Michael R. bei einem Schusswechsel mit der Polizei ums Leben kam, hatte er dem Medienportal Vice ein Interview gegeben. Darin behauptet er, in Notwehr gehandelt zu haben. Er sei sich sicher, dass anderenfalls ein Schwarzer Freund und er selbst getötet worden wären. Auf Videos von der Tat sind diese Umstände nicht näher zu erkennen. Auf rechten Portalen wird die Tat als kaltblütiger Antifa-Mord beschrieben.

Sicher ist, dass es in den Stunden zuvor, als bis zu 600 mit Trump- und US-Fahnen beflaggte Autos durch Portland gefahren waren, tatsächlich teilweise handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Trump-Unterstützer*innen und Teilnehmer*innen von Black-Lives-Matter-Protesten gegeben hatte. Diese sind seit vielen Wochen in Portlands Innenstadt unterwegs.

Eine Ahnung von Bürgerkrieg

Aber das war nicht der erste Moment der spannungsgeladenen Konflikte. Rund einen Monat zuvor hatte jener jetzt erschossene Michael R. bereits dem Sender Bloomberg ein Interview gegeben, nachdem er bei einem Konflikt angeschossen worden war. R. berichtet darin von seiner eigenen Militärvergangenheit und dass er bei Protesten als Sicherheitsmann unterwegs sei.

Freunde aus der Bewegung beschreiben R. als guten Schlichter

Das sagt er auch im Interview mit Vice am Tag seines Todes: Er habe am Nachmittag einen Anruf bekommen, dass er angesichts des Pro-Trump-Korsos womöglich als Security gebraucht werden könnte. Er sei sicher, dass es gerechtfertigt sei, was er getan habe – er vermeidet ein wörtliches Eingeständnis der Tat. Sein Gefühl sei, dass die USA am Beginn eines Bürgerkriegs stünden.

Andere, die in den vergangenen Wochen mit ihm zusammen in Portland an den Demonstrationen teilnahmen, beschreiben R. als deeskalierende Kraft, der es immer wieder verstanden habe, Konflikte gewaltfrei zu lösen, aber zu 100 Prozent hinter der Sache gestanden habe und unbedingt Veränderungen erreichen wollte.

Seit nur Stunden nach den Schüssen sein Name und sein Gesicht in allen sozialen Netzwerken auftauchten, ist R.s Familie – die seit Jahren nur losen Kontakt zu ihm hielt – mehrfach bedroht worden, berichtete seine Schwester verschiedenen US-Medien.

Die Polizei hat auch eine Woche später noch keine abschließende Version des Tathergangs in Portland veröffentlicht.

Unterdessen sind in Rochester im Bundesstaat New York sieben Polizisten vom Dienst suspendiert worden. Sie waren bereits im März dieses Jahres an einer Festnahme beteiligt, die zum Tod eines zu dem Zeitpunkt offenbar sehr verwirrten Schwarzen geführt hatte. Die Polizisten hatten dem Mann, der nackt auf die Straße gelaufen war, eine Kapuze über den Kopf gezogen, unter der er erstickt ist. Nachdem erst jetzt Videos davon zu sehen waren, kam es zu erneuten Protesten gegen Polizeigewalt.

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9 Kommentare

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  • Wer rumschießt wird auch mal getroffen.

    Die USA sind schon im Bürgerkrieg. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist dieser auch modern und findet nicht zwischen Armeen statt, sondern bei Demos in Scharmützeln.

  • Ein ganzer Artikel mit der frage warum er Schoß und leider nicht eine Recherche ☹️

  • Kurzer Prozeß, ist jemand ernsthaft überrascht?

  • Irgendwie scheint´s in USA mit der Umeinanderballerei in den letzten zweihundert Jahren nicht besser geworden zu sein.

    • @Thomas Schöffel:

      So sieht es aus. Und Rassist*innen und Faschist*innen gibt es auch seit langem in den USA, auch u.a. bei der Polizei ...

  • Rest in Power!

  • Zu den Spielregeln einer Schießerei oder eines Schußwechsels gehört im Allgemeinen, daß beide Parteien Schußwaffen mitbringen.



    In anderen Berichten steht allerdings, daß die Polizisten dachten, Michael R. sei bewaffnet und das Feuer eröffnet hatten.



    Daß nachher keine Waffe gefunden wurde, war natürlich "blöd"

    • @JPP:

      Nun ja... Michael R. hatte zugegeben, vor einigen Tagen bei einer bewaffneten Konfrontation einen Menschen erschossen zu haben. Da liegt es irgendwie nahe, dass die Polizei von Waffenbesitz ausgegangen ist.

      Dennoch ist das grundsätzlich keine Entschuldigung für eine derartige Eskalation des Einsatzes. In den meisten anderen Ländern sind Polizeieinheiten, gerade auch hinzugezogene Spezialkräfte in der Lage, einen Festnahmeeinsatz so zu planen und durchzuführen, dass es gar nicht erst zu Widerstand seitens des Verdächtigen kommen kann. Nur in den USA scheint man auf eine derartige Ausbildung bzw. Vorgehen keinen Wert zu legen...

      • @Cerberus:

        Das liegt nicht am fehlenden Können, sondern am fehlenden Willen. Europäische Sondereinheiten, gerade zum Beispiel in Frankreich sind auch schon so vorgegangen, dass man eher von absichtlicher Tötung ausgehen konnte.