: Die bessere Wahl
Die Biobranche setzt auf ökologisch produziertes Fleisch. Um die Tiertransporte kurz zu halten, werden viele Tiere aber auf konventionellen Schlachthöfen geschlachtet
Von Ansgar Warner
Neun von zehn Bundesbürgern beißen regelmäßig in Fleischspeisen – und was für welche: zum Großteil aus Massentierhaltung, kostensparend produziert, zum Dauerniedrigpreis verkauft, mit den bekannten Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. 34 Kilogramm Schweinefleisch verzehrten die Bundesbürger beispielsweise pro Kopf im letzten Jahr, dabei ist nicht mal die Stiftung Warentest von einem Alltagsprodukt wie Schweinenackensteak aus konventioneller Landwirtschaft so richtig überzeugt. Erst recht nicht, wenn man neben der Qualität auch noch das Tierwohl mit einbezieht – Testsieger wurden zum Höhepunkt der sommerlichen Grillsaison nicht ganz zufällig Bionackensteaks zweier großer Anbieter. „Für Tierfreunde ist Biofleisch im Vergleich zu konventioneller Ware die bessere Wahl“, urteilten die Tester.
Komisch nur, dass sowohl das freiwillige Tierwohl-Label der Lebensmittelbranche wie auch das von der Bundesregierung geplante Tierwohl-Label zwar eine Premiumstufe, aber keine Biostufe enthalten. Ein bisschen mehr Platz im Stall, ein bisschen mehr Frischluft, und das war's schon? Joyce Moewius vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ist ohnehin eher genervt durch die „Pferd-von-Hinten-Aufzäumungsdebatte“ rund ums vermeintliche Tierwohl per Label. Dass man Fleisch nachhaltig und ökologisch produzieren kann, habe die Biobranche längst bewiesen: „Bioschweine haben 50 Prozent mehr Platz als im konventionellen Betrieb, die Ferkel bleiben länger bei der Sau, es wird nur auf dem Hof produziertes Biofutter gegeben“, zählt sie nur die wichtigsten Vorteile der Bioschiene auf.
Etwas anders sei es allerdings bei Tiertransporten und Schlachtung: dort wird dieselbe Infrastruktur genutzt wie beim konventionellen Fleisch, allerdings erfolgt die Verarbeitung getrennt und unter Einhaltung höherer Standards. „Bio ist eben nicht einfach nur ein Produkt, das beim Verbraucher in einer bestimmten Qualität ankommt, sondern ein Prozessstandard, der an allen Teilen der Wertschöpfungskette zu Verbesserungen führt“, erklärt Moewius.
Im Vergleich zu anderen Bereichen der Landwirtschaft sei Tierhaltung aber auch sehr komplex und schwieriger umstellbar. Am Beispiel Ei zeige sich jedoch zugleich, dass man bessere Standards auch flächendeckend umsetzen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. „Eier aus Käfighaltung sind aus dem Supermarkt inzwischen komplett verschwunden – was auch mit einer konsequenten Kennzeichnung zu tun hat, inklusive der Bioqualität.“ Eins wird in der aktuellen Debatte ums Tierwohl auch gerne unterschlagen: nachhaltiger Fleischkonsum bedeutet auch, es gibt insgesamt weniger Tiere, und es kommt weniger Fleisch auf den Teller. Ganz marktkonform passiert etwas, das Mensch und Tier nützt, so Joyce Moewius: „Das ist das praktische an Bio – man hat eine automatische Steuerung über den höheren Preis, dadurch werden dann insgesamt weniger tierische Produkte gegessen, was Ernährungsexperten sowieso empfehlen.“
Bei der Haltung selbst darf der Markt nicht der wichtigste Maßstab sein, denn viele Probleme entstehen gerade dadurch, dass zugunsten maximaler Profite in engen Ställen das natürliche Verhalten der Tiere gestört wird. Das wissen eigentlich auch alle – dass etwa Kannibalismus unter Hühnern durch mehr Platz besser verhindert werden kann als durch das Kürzen der Schnäbel, kann man selbst in den Broschüren der Landwirtschaftskammern nachlesen.
Doch Wissen ist das eine, Handeln das andere. Am wenigsten Kompromisse gehen traditionell Höfe ein, die nach den Richtlinien des Demeter-Verbandes wirtschaften. Dort haben die Tiere am meisten Platz, was sich auch an der Gesamtzahl bemerkbar macht. Mit 20 Schweinen etwa finden sich in einem Demeter-Betrieb im Durchschnitt fast vierzig Mal weniger der Tiere als in einem industriellen Massenmastbetrieb.
Letztlich geht es darum, dem lieben Vieh das natürliche Herdenverhalten zu erlauben, auch mit scheinbar ungewöhnlichen Methoden: „Demeter verbietet die schmerzhafte Enthornung von Kälbern, auch der Einsatz von genetisch hornlosen Zuchtbullen ist in der Regel verboten“, berichtet Susanne Kiebler vom Demeter-Verband. Denn die Hörner dienen den Rindern auch zur Kommunikation, sie erleichtern ein sozialverträgliches Verhalten in der Herde.
Schwieriger ist der Sonderweg für die Demeter-Betriebe jedoch beim Thema Schlachtung: „Zwar gibt es einige wenige spezielle Bioschlachthöfe, die auch bevorzugt genutzt werden, wie beispielsweise auf dem Bauckhof in Niedersachsen“, so Susanne Kiebler. „Allerdings sind im Sinne des Tierwohls auch die Tiertransporte möglichst kurz zu halten.“ Deswegen würden viele Tiere auf konventionellen Schlachthöfen geschlachtet.
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