Geplante A 49 durch Dannenröder Wald: Autobahn um jeden Preis
40 Kilometer Asphalt: In Nordhessen soll die A 49 durch ein Trinkwasserschutzgebiet gebaut werden. Wasserwerker warnen vor den Folgen.
Wenn es nach der hessischen Landesregierung geht, soll die Waldbesetzung weg. Denn die Landesregierung will die A 49 mitten durch den Dannenröder Wald bauen lassen. Insgesamt geht es um gut 40 Kilometer Asphalt in Nordhessen. Im Weg stehen sechs Baumhausdörfer mit bis zu 50 Baumhäusern, alle auf der künftigen Trasse.
Etwa 100 Menschen leben aktuell im Wald, sagt Linde. Viele von Fridays for Future (FFF) hätten ihre Sommerferien hier verbracht. Am Mittwoch trafen sich Abgesandte unter anderem von FFF, Campact, Ende Gelände, BUND und ansässigen Initiativen im Baumhausdorf Oben und planten Demonstrationen und Camps.
Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelhessen, das den Großeinsatz durchführen müsste, sagt der taz: Bisher sei keine der rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt, ein Beginn des Großeinsatzes sei nicht absehbar. Dass die Polizei zahlreiche umliegende Dorfgemeindehäuser ab Oktober angemietet hat, gehöre „zu den Einsatzvorbereitungen und ist nichts Außergewöhnliches.“
Der Dannenröder Wald mit seinen vielen Buchen und Eichen gilt seit den 1980er Jahren als Vorzeigewald für nachhaltige Forstwirtschaft. Kühl ist es hier und feucht, mit vielen Tümpeln und Pfützen. Das große Waldgebiet mit bis zu 300 Jahre alten Eichen macht sein eigenes Klima. Hier leben der Kammmolch, der Ameisenbläuling, der Gelbspötter, die Fledermausart Braunes Langohr und sogar Feuersalamander.
Sonntägliche Waldspaziergänge
Für die A 49 sollen hier nun über 100 Hektar gerodet werden. Auch in einem FFH-Gebiet, das nach EU-Recht unter Naturschutz steht. Tatsächlich ist die Baufläche sogar Trinkwasserschutzgebiet. Ein riesiges Grundwasserreservoir liegt unter mehreren Gemeinden der Region – und versorgt eine halbe Million Menschen. Auch Städte wie Gießen oder Frankfurt beziehen Wasser aus der Gegend. Nun sollen Maschinen bis zu 30 Meter tiefe Gruben graben.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für den Bau der A49 ausgesprochen, CDU-Kreisverbände haben gut 7.000 Unterschriften gesammelt. Das Versprechen: Neue Jobs. Gleichzeitig engagieren sich Bürger:innen-Initiativen gegen den Bau. Pensionen sagen, sie hätten abgelehnt, für Bauarbeiter Zimmer zur Verfügung zu stellen – obwohl sie dann anderthalb Jahre ausgebucht wären. Landwirte fahren Wasser in den Wald, um die Besetzung zu versorgen, sonntags finden Waldspaziergänge statt.
Hessens Verkehrsminister und Vize-Ministerpräsident ist der Grüne Tarek Al-Wazir. Seine Landespartei steht ihrem Ja zum Projekt gegen die Grünen vor Ort. Auch die Bundesgrünen sagen auf Anfrage: „Wir halten diesen Autobahnbau für falsch.“
Karl-Heinz Schäfer, Geschäftsführer des ZMW
Untypisch ist, dass sich die Wasserwerke zu dem politischen Konflikt äußern. Sie vertreten die Interessen der Trinkwasserverbraucher:innen, mehr nicht. Diese Interessen sind hier betroffen. Also äußert sich der Geschäftsführer des Zweckverbands Mittelhessische Wasserwerke (ZMW). Für das Trinkwasser sei das Großprojekt mit einem „hohen Risiko“ verbunden, erklärte Karl-Heinz Schäfer schon im Herbst 2019. „Da darf kein Bagger an der falschen Stelle stehen und Öl verlieren.“
Eine dicke Lehmschicht, die das Grundwasser aktuell schützt, soll mit Brückenpfeilern durchstoßen werden: Durch diese Lücken könnten Schadstoffe ins Trinkwasser gelangen. Auch wenn die A 49 in Betrieb geht, besteht ein Risiko: Was, wenn Lkws mit gefährlicher Fracht in einen Unfall geraten und die Stoffe auslaufen? Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht 2019 festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss zur A 49 die europäische Wasserrahmenrichtlinie mißachtet – aber eine Klage des BUND abgewiesen.
Die Wasserwerke werden vorsorglich zwei Brunnen außer Betrieb nehmen. „Bei planmäßiger, auflagengerechter und ordnungsgemäßer Baudurchführung dürfte die Risikolage weitgehend minimiert sein“, sagt Schäfer. Doch entscheidend sei, was auf der Baustelle passiere. „Restrisiken sind nicht zu vermeiden.“ Wäre das Grundwasser für die Versorgung eventuell verzichtbar? „Der Grundwasserkörper ist selbstverständlich nicht verzichtbar“, sagt Schäfer.
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