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Aktion für Geflüchtete am ReichstagNicht hinsetzen, sondern handeln

Im griechischen Lager Moria sitzen 13.000 Menschen fest. In Berlin stellen deswegen Aktivist*innen vor dem Reichstag 13.000 Stühle auf.

Aktivist*innen beim Aufbau der 13.000 Stühle vor dem Reichstag Foto: dpa

Berlin taz | Manchmal reicht schon ein Blick aus dem Fenster für einen Blick über den Tellerrand: Das wäre jedenfalls Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu wünschen, falls der am Montag vom Reichstagsgebäude aus auf die davor liegende Wiese geschaut haben sollte.

Innerhalb von wenigen Stunden war am Vormittag von jener großen Reichstagswiese jedenfalls kaum noch etwas zu sehen: 13.000 Stühle stellten Aktivist*innen der Bündnisse SeaWatch, Seebrücke und LeaveNoOneBehind dort auf. „Wir signalisieren, dass 13.000 Menschen gerade in Moria leben und dass wir hier Platz haben“, erklärt Tareq Alaows, der an der Aktion mitwirkt. „Welcome united – We’ll come united“ lautet der Titel der Aktionstage, dessen Abschluss sie bilden soll.

Das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hatte in den letzten vier Jahren immer wieder für Aufsehen gesorgt. Konzipiert ist es eigentlich für 3.000 Menschen. Dementsprechend katastrophale Bedingungen herrschen dort, während die Geflüchteten auf Aufenthaltsgenehmigung oder Abschiebung warten müssen.

Seehofer blockiert Aufnahme

Alaows schreitet am Montagvormittag zwischen den Stuhlreihen entlang: „Heute ist die erste Sitzung des Bundestags nach der Sommerpause. Die humanitäre Krise hat aber keine Pause gemacht. Von daher ist es umso dringender, dass die Aufnahme sofort geschieht“, sagt er.

Die Aktion solle sich nicht nur auf Moria begrenzen, sondern beziehe sich auf alle Menschen in den griechischen Lagern und an den Außengrenzen Europas. Schon seit Längerem fordern die Bündnisse, die sich an der Aktion beteiligen, eine Evakuierung des Lagers Moria und die Aufnahme von Menschen durch Deutschland. „Die Blockade von Seehofer wollen wir nicht hinnehmen“, meint Alaows.

Nachdem Berlin und Thüringen eigenständig den Entschluss gefasst hatten, ein paar Hundert Menschen aus dem Lager aufzunehmen, zog Innenminister Seehofer eilig die zwei heruntergelassenen Brücken des Festungsgrabens wieder hoch und erteilte den Ländern Anfang August für ihre Vorhaben eine Absage.

„Wir schaffen das“

Berlin und Thüringen sollten mit allen Rechtsmitteln gegen Seehofers Entscheidung vorgehen beziehungsweise dagegen klagen, so Alaows. Fünf Jahre sei es her, dass Angela Merkel „Wir schaffen das“ sagte, erzählt er. Und auch jetzt sei die Bereitschaft der Zivilgesellschaft noch da, Menschen auf der Flucht aufzunehmen.

Auf die Stühle setzen soll man sich bitte nicht, wird über Lautsprecher verkündet. Hoffentlich hat Seehofer das mitbekommen: Nach der Sommerpause wieder hinsetzen und weitermachen wie bisher, geht nicht.

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