Bayerns Champions-League-Sieg: Gaudi mit Hansi
Umweht vom alten Geist der Unbesiegbarkeit, schnappt sich der FC Bayern München radikal souverän den großen Henkelpott.
S elbst eingefleischte Verächter des Bayern-Modells, also Leute, die mit der Mia-san-mia-Attitüde des Klubs an der Säbener Straße nicht klarkommen und die Münchner für die Pest auf Stollen halten, werden angesichts der Dominanz der Bayern nicht umhinkommen, anzuerkennen, dass die derzeit beste europäische Mannschaft die Champions League gewonnen hat.
Der FC Bayern hat den Wettbewerb heuer gerockt wie kaum ein Team vor ihm. Er ist nicht durch den sprichwörtlichen Bayern-Dusel zum Henkelpott gekommen, nicht durch eine glückliche Fügung oder eine Formschwäche des Gegners, nein, dieser FC Bayern München des Coronajahres 2020 steht sehr verdient auf dem Olymp des kontinentalen Fußballs.
Der Klub hat nicht nur alle Spiele in der Eliteklasse gewonnen und dabei beeindruckende 43 Tore geschossen (3,91 pro Spiel), er hat sich auch am eigenen Schopf aus dem Schlamassel gezogen, als wäre es das Normalste der Welt. Noch im Herbst vergangenen Jahres schien das Gefüge des deutschen Dauermeisters merkwürdig fragil. Die Konkurrenz witterte Morgenluft. Man sprach davon, dass der FC Bayern lange brauchen werde, um sich wieder zu finden und jene Hegemonialmacht zu sein, die die anderen das Fürchten lehrt und allzu oft für ein Klima der Langeweile und Berechenbarkeit sorgt.
Aber das Comeback der unwiderstehlichen Bayern glückte viel schneller als gedacht. Die Selbstheilungskräfte des FC Bayern waren offenbar immens, und das unter einem Trainer, den viele nicht ganz so ernst nahmen: Hansi Flick. Auch er selbst hielt sich ja nur für eine Interimslösung, sah sich als Platzhalter für einen internationalen Großtrainer. Doch Flick, der das für den Klub so wichtige „Bayern-Gen“ in sich trägt, also ein intimes Verständnis hat von den Abläufen und der Kultur im Klub, war der richtige Mann zur richtigen Zeit, weil er es fertigbrachte, die Teamhierarchie wiederherzustellen.
Metamorphosen im Team
Thomas Müller spielte sich mit seinem unorthodoxen, aber sehr effektiven One-Touch-Fußball wieder in den Mittelpunkt, Manuel Neuer kam wieder in 2014er-WM-Form. Auch Jerome Boateng gelang die Metamorphose vom Problemfall zum Abwehrstabilisator. Die für den FC Bayern München so wichtigen Flügelspieler Alphonso Davies, Serge Gnabry und Kingsley Coman schienen sich für einen 100-Meter-Titel in der deutschen Leichtathletik zu empfehlen.
Das Forechecking der Bayern entwickelte sich zu einem Horrortrip für den Gegner. Wer immer auch kam, die Bayern nervten ihn mit ihrem permanenten Auf-den-Füßen-Stehen kolossal. Auch Finalgegner Paris entkam dem Bayern-Stress oft nur durch hohe, spekulative Bälle in die Spitze. Wollte Paris kombinieren, verfingen sie sich nicht selten im Netz der Roten, und wenn sich das Star-Ensemble von Scheichs Gnaden doch einmal durchsetzte, wehrte Neuer die Bälle mit großer Selbstverständlichkeit ab.
Bayerns klug dosierter Ballbesitz-Fußball, die Konzentration aufs Hochgeschwindigkeits-Flügelspiel und die individuelle Klasse von Leuten wie Robert Lewandowski oder Seidenfuß Kimmich waren die Grundpfeiler für den Erfolg, am wichtigsten war aber wohl, dass die Kicker wieder in sich ruhten.
Hansi Flick hat gesagt, dass er gar nicht so viel verändern musste, und das wird wohl stimmen, denn in Kollektiven von Hochbegabten geht es oftmals darum, ein Klima der Inspiration und des Vertrauens zu schaffen. Die Spieler wollen sich wohl fühlen, Spaß haben. Und anderen den Spaß verderben. Das schweißt zusammen und potenziert vorhandenes Talent.
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