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Champions-League-Pleite des BVBRatlos in Rom

Dortmund enttäuscht bei Lazio Rom. Wieder bleibt das Team weit unter seinen Möglichkeiten – zur Genugtuung eines ehemaligen Borussia-Stürmers.

Marco Reus und Erling Haaland sind traurig Foto: reuters

ROM taz | Es ist ungewohnt ruhig in Rom, so richtig gemütlich an einem herrlichen Herbsttag, an dem die Sonne über der italienischen Hauptstadt noch einmal ihre Kraft entfaltet, bevor die Temperaturen fallen und die ungemütlichen Monate kommen. An der Spanischen Treppe und am Trevibrunnen, wo sich sonst Tausende Touristen aus ganz Europa, Amerika und Japan gegenseitig auf den Füßen stehen, kann der Besucher flanieren und dabei problemlos alle Abstandsregeln einhalten, die durch das Coronavirus notwendig geworden sind.

Auch in der Ewigen Stadt schnellt die Zahl der Infizierten wieder sprunghaft nach oben, im Parlament wurden zuletzt 20 Parlamentarier und Parlamentarierinnen positiv auf jenes Virus getestet, das den Alltag aller Menschen so nachhaltig verändert hat.

Im Bus Nummer 280 auf dem Weg zum Olympiastadion ist ebenfalls nicht viel los. Normalerweise hätten die Fans von Lazio die Rückkehr ihres Vereins in die Champions League wie ein Hochamt zelebriert und dabei hektische Betriebsamkeit verbreitet, nun müssen sie zu Hause bleiben. Im weiten Rund, in dem Franz Beckenbauer vor 30 Jahren nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft einsam durch den Mittelkreis lustwandelte, hallen die Rufe der wenigen Hundert Zeugen, die für das Spiel gegen Borussia Dortmund Einlass gefunden haben.

Die Kulisse ist trist, das ist nicht der Festakt, den diese Begegnung verdient gehabt hätte. Aber die Spiele müssen ja weitergehen, um das Multimillionengeschäft der Königsklasse am Leben zu erhalten. Die Gastgeber durften zufrieden sein, weil sie bei ihrem Champions-League-Comeback nach 13-jähriger Abstinenz eine überzeugende Vorstellung boten und das Spiel überaus verdient mit 3:1 gewannen. Dagegen erwischte der BVB einen ganz schwachen Abend und hinterließ wieder einmal viele ratlose Gesichter.

Unbequemer alter Bekannter

Vor allem mit einem Spieler des Gegners hatten die Dortmunder ihre liebe Müh: Ciro Immobile, bei dem das Aufeinandertreffen mit seinen ehemaligen Kollegen für Genugtuung gesorgt haben dürfte. Während seiner Dortmunder Zeit fühlte sich der Torjäger nicht richtig angenommen, im kühlen Ruhrgebiet vermisste der Italiener Herzenswärme und Gastfreundschaft, worüber er sich in der Heimat bitterlich beschwerte.

Du musst laufen. Das haben wir nicht gut gemacht

Dortmunds Trainer Lucien Favre

In Rom blüht der Stürmer förmlich auf, in der vergangenen Saison wurde er mit 36 Treffern in 37 Partien mit dem Goldenen Schuh ausgezeichnet, den Europas erfolgreichster Torjäger verliehen bekommt. Nun zeigte der 30-Jährige seinem Ex-Arbeitgeber, wie Stürmer erfolgreich agieren. Dabei hatte Mats Hummels vor dem Spiel noch vollmundig bekundet, diesen Mann müsse die neu formierte Dreierkette im Verbund stoppen.

So weit die Theorie, in der Praxis bekam die Dortmunder Hintermannschaft den quirligen Gegenspieler nie in den Griff. Immobile hätte noch mehr Erfolge feiern können als sein Tor zur frühen Führung. Die Defensive des BVB war in der noch jungen Spielzeit bis dato in vier ihrer fünf Pflichtspiele ohne Gegentor geblieben, auf gehobenem europäischen Niveau bekam sie jedoch ihre Grenzen aufgezeigt.

Das Fazit, in Rom gewogen und für zu leicht befunden worden zu sein, galt indes nicht nur für die Abwehr, sondern auch für die mit vielen Hochkarätern gespickte Offensive, die sich mit Ausnahme von Erling Haaland erschreckend harm- und leidenschaftslos präsentierte. Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspielerabteilung, fand deutliche Worte. Er sprach von einer „desolaten Leistung in der ersten Halbzeit. So darf man sich nicht einmal ansatzweise präsentieren.“

Irritierende Fehlpassquote

Diese Analyse war ebenso schonungslos wie zutreffend, was für die Borussia im Allgemeinen galt, stimmte vor allem bei Thomas Meunier. Der Belgier erwischte einen rabenschwarzen Tag, war an zwei Gegentreffern beteiligt und vergab auch noch eine riesige Möglichkeit kläglich aus kurzer Entfernung. Insgesamt zählten die Statistiker beim aus Paris gekommenen Profi 19 Fehlpässe, eine exorbitante Quote, die selbst in der Kreisklasse nicht alltäglich ist.

Über einzelne Spieler mochte Dortmunds Trainer Lucien Favre allerdings nicht sprechen, als er die 90 Minuten beurteilte. Sein Ensemble sei „nicht gut bei der Balleroberung“ gewesen, monierte der Schweizer. Als weiteres Manko kam hinzu, „dass wir zu spät in den Zweikämpfen sind. Das fängt vorne an und setzt sich über das Mittelfeld nach hinten fort. Das ist ein Kampf, und da müssen alle da sein.“

Es fällt auf, dass die mit Edeltechnikern bestückte Dortmunder Mannschaft stets Probleme bekommt, wenn es darum geht, einem aggressiv und physisch auftretenden Gegner Paroli zu bieten. In Rom sah Favre „zu wenig Gegenwehr, zu wenig Zweikämpfe. Du musst laufen, aber wir haben das nicht gut gemacht.“

Der Auftritt in Rom war ein erneuter Rückschlag für ein Team, das weiter auf der Suche nach einer Konstanz ist, die ihren Fähigkeiten entspricht. Am Samstag spielt der FC Schalke 04 in Dortmund vor, sollte es im Revierderby keinen überzeugenden Sieg geben, dürfte das Klima für Favre deutlich rauer werden.

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1 Kommentar

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  • Mit diesem Fußballprofessor Favre wird der BVB nie was reißen.