Weltfußball bei Union Berlin: Flucht vor Ritter Keule

Um ein Haar wäre der spanische Edelkicker Isco beim 1. FC Union Berlin gelandet. Was das wohl mit der Klub-DNA gemacht hätte – oder die mit ihm?

Fußballer Isco in der Nahaufnahem bei einem Spiel

Danndochnichtunioner: der spanische Fußballspieler Isco Foto: Jose Luis Contreras Navarro/ap

Es war stürmisch an diesem Dienstag im Südosten Berlins. Fühlt es sich so an, wenn man vom Hauch des Weltfußballs umweht wird, mag sich da manch einer gefragt haben in Köpenick. Isco war beim 1. FC Union Berlin und hat die medizinische Einstellungsuntersuchung über sich ergehen lassen. Würde der Spanier, der lange bei Real Madrid gespielt hat und sich deshalb fünffacher Champions-League-Sieger nennen darf, wirklich bei den Eisernen anheuern?

Ein Fußballer, den man in der ganzen Welt kennt, beim Kultklub am Waldrand, bei dem so etwas herrscht wie die Diktatur des Normalitariats? Ein veritabler Ballartist bei den Schlosserjungs aus Schöneweide? Ob das gepasst hätte, man wird es nicht erfahren.

Es ist dann doch nicht zum Vertragsabschluss gekommen. Woran es lag, wird am Ende keiner der Beteiligten sagen. Dass es ums Geld gegangen sein wird, liegt nahe. Oder hat sich Isco vor Schreck auf den Heimweg gemacht, nachdem er gesehen hat, wie das Klubmaskottchen „Ritter Keule“ mit seinem Schaumstofffolterwerkzeug herumhantiert hat? Wurde er heimgeschickt, weil er die Geschichte vom Hauptmann von Köpenick nicht korrekt hat wiedergeben können und so durch den Einunionisierungstest gefallen ist? Oder ist ihm einfach nur schlecht geworden, weil ihn Union-Präsident Dirk Zingler dazu gezwungen hat, ein Berliner Pilsener aus der Flasche zu trinken? Wohl kaum.

Kann man Isco kultig kriegen?

Und auch wenn man bei Union gehofft haben mag, dass Isco dem Klub, der auf Platz zwei der Bundesliga­tabelle steht, sportlich weiterbringen kann, bis zur Qualifikation zur Champions League gar, wird man vielleicht auch froh sein, dass der Spanier so schnell wieder das Weite gesucht hat. Man hätte Isco schließlich nicht nur in das eigentlich sehr gut funktionierende Spielsystem integrieren müssen, man hätte ihm auch eine Anpassungskur zur Klub-DNA verpassen müssen.

Aber wie hätte man einen ­Ballstreichler wie Isco kultig gekriegt? Eine Woche lang Nina Hagens Vereinshymne in Dauerschleife via Kopfhörer auf die Ohren packen vielleicht? Jeden Tag einmal im Wald hinter der Tribüne des Sta­dions, die sich Waldseite nennt, an einen Baum schiffen? Oder reicht es, die Namen der Mannschaft aus­wendig zu lernen, die 1968 den FDGB-Pokal der DDR gewonnen hat? Einfach wäre es nicht geworden, diesen stinknormalen Fußballmulti­millionär aus Spanien in die Unionfamilie zu integrieren.

Es ist wahrlich nicht immer leicht, die Klub-DNA auf neue Spieler, Trainer oder Funktionäre zu übertragen. Bei Hertha BSC, drüben im Westen Berlins, tut man sich da leichter als bei Union. Da endet alles zuverlässig in einer Posse, jeder Neuanfang führt mindestens zu einem Skandal, jeder Aufbruch führt zum Absturz. Da wird man selbst beim FC Bayern neidisch. In München ist man stolz auf das Bayern-Gen, das allen Spielern dort (darf man das so überhaupt sagen?) eingeimpft wird. Nach drei Nicht-Siegen hintereinander in der Liga muss man sich da beinahe schon fragen, ob da nicht ein Gendefekt vorliegt.

Nach dem Isco-Intermezzo hat sich der Wind gelegt in Köpenick. Das Achtelfinalspiel gegen den VfL Wolfsburg konnte gewonnen werden. Ach ja: Welche DNA hat eigentlich der Klub aus der Autobauerstadt am Mittellandkanal?

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