piwik no script img

Hamburger „Ärzte für Aufklärung“Der Verschwörung auf der Spur

Die Hamburger „Ärzte für Aufklärung“ sind willkommene Gäste bei Corona-Demos und Verschwörungsideologen. Wofür stehen sie?

Warnt vor einer Weltverschwörung: Heiko Schöning, hier bei einer Corona-Demo Ende Mai in Hamburg Foto: dpa

Hamburg taz | Sie sind die Stars der Bewegung: In Berlin, Stuttgart und Hamburg sind die „Ärzte für Aufklärung“ (ÄfA) willkommene Redner bei den Demos gegen die Coronamaßnahmen. Nach szeneinternen Aussagen kann der Hamburger Ärzte-Zusammenschluss schon gar nicht mehr allen Einladungen zu Protesten nachkommen, aus Mangel an Kapazitäten.

Die Köpfe der Ärzte für Aufklärung sind die Initiatoren Walter Weber, Heiko Schöning und Olav Müller-Liebenau, mit dabei sind auch die Ärzte Marc Fiddike und Axel Arlt. Der Habitus des Ärztestandes gibt den Herren eine vermeintliche medizinische Kompetenz, bei den Reden pflegen sie diesen Habitus mit angeblichen Fakten und Wissenschaftsdebatten.

Die Webseite der ÄfA offenbart, dass die Ärzte aus dem Impfgegner*innen-Spektrum kommen. Unter dem Titel „Niemand hat die Absicht eine CORONA-Impfung durchzuführen“ hinterfragen sie vier Beispiele von Impfungen in Afrika und Indien. Auch ein Beitrag mit dem Titel „Wer impft zu welchem Zweck?“ legt eine Verschwörung nahe. Ein Name darf natürlich nicht fehlen: Bill Gates sei für „unerlaubte Menschenversuche mit Medikamenten“ verantwortlich. Die Quelle: das verschwörungslastige „Kopp-Online“-Portal.

Auf die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung spielt auch Schöning in seinen Reden immer wieder an. Er wisse, dass die Pandemie vor allem einem Netz von Pharmaindustrie, Impfprojekten, Großkapital und Politik nutze. Am Samstag warnte er zuletzt bei der Kundgebung „Querdenken 40“ in Hamburg vor Gates und einer großen Weltverschwörung. Schöning war auch schon bei einer Sendung von KenFM, dem Portal des Verschwörungsideologen Ken Jebsen, zu Gast.

Aus der Mitte der Gesellschaft

Bei den ersten Kundgebungen gegen die Maßnahmen warnte bereits der „Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte“ vor Verschwörungsideologie und Wissenschaftsfeindlichkeit. Auch der Verein kritisiert die Gates-Stiftung, allerdings wegen ihres Profitinteresses, und betont: „Wir halten Gates nicht für den allmächtigen Strippenzieher.“

Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts schildert gegenüber der taz seine Beobachtung, dass die Drahtzieher*innen der Verschwörungsszene in Hamburg Angehörige der Mitte der Gesellschaft sind. „Also Selbstständige, Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen, mittlere Angestellte und andere Angehörige akademischer Berufe, die sich nun mit Reichsbürger*innen, Antisemit*innen, AfD-Funktionär*innen und organisierten Neonazis treffen.“

Die Hamburger Ärztekammer möchte aufgrund der Amtsverschwiegenheit nichts zu den ÄfA sagen. Sie verweist aber auf eine Erklärung, in der die Kammer vor den Antimaskendemonstrationen warnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie war ich gestern zur Behandlung bei meiner Hamburger Zahnärztin. Zunächst etwas irritiert von der Maskenfreiheit in den Praxisräumen, stand mir später auf dem Behandlungsstuhl auch im übertragenen Sinne der Mund offen, als die Ärztin Anspielungen in Richtung "Corona-Faschismus" machte. Nachdem ich nun auf der Praxis-Homepage nachgelesen habe, dass sie Dr. Fiddike zu ihrem Netzwerk zählt, wundert mich nichts mehr...hoffentlich hat das nicht gesundheitliche Konsequenzen für alle (Noch-)Patienten!

  • Das auch Ärtzte bei den Hygienedemos und den Impfgegnern mitmischen bestätigt mal wieder meine These:

    "Approbation schützt nicht vor Dummheit"

    Allerdings frage ich mich schon, wie diese Damen und Herren die Statistikscheine in ihrem Studium gemacht haben.

    • @Thomas Dreher:

      wiemeinst du das "mitmischen".



      Wenn du zu einer Demo gehst, mischt du dann mit? oder drückst du einfach nur deine Meinung auß?

      • @Nordbaer:

        "Mitmischen" im Sinne von aktiv teilehmen, als Redner z.B.,im gegensatz zu einfach nur incognito mitlaufen.



        Jetzt ja?

  • Warum recherchiert die taz nicht endlich auch mal die Verstrickungen eines Bill Gates in Sachen seiner Stiftung? Das wäre angebrachter als immerzu nur zu behaupten, die Behauptungen der Anderen seien bar jeder Realität gar Verschwörungstheorien. Das ist anstrengend und wenig zielverführend. Sarah Wagenknecht hat mal recherchiert: youtu.be/uwsV7vKyF3E .

    • @OSCILLATEWILDLY:

      Warum können Leute, die einen Artikel mit dem Argument kommentieren, die taz solle doch zu etwas anderem schreiben, eigentlich die Suchfunktion nicht bedienen? Einmal geschaut liefert taz.de/Archiv-Such...&SuchRahmen=Print/



      Mit etwas mehr Mühe findet sich noch mehr.

      • @bicyclerepairman:

        Hallo bicyclerepairman,



        danke für den Link. Das ist ein sehr lesenwerter Artikel.



        Inzwischen habe ich aber den Eindruck, dass die anderen taz-Redakteure den nicht kennen! Sollten sie aber!

      • @bicyclerepairman:

        In diesem Artikel wird nicht Bill Gates recherchiert und seine konkreten Verstrickungen, wo was hinfließt und zurückkommt, sondern der Philanthrokapitalismus anhand des Beispiels Bill Gates. Das ist etwas anderes und hat in diesem Fall nichts mit Aufklärung zu tun, sondern ist lediglich die Festellung eines Umstandes ohne die Nennung der dem zu Grunde liegenden Fakten, die genau aber das Wichtige sind, weil die Aufschluss darüber geben, was faul ist an der Causa Gates. Trotzdem danke für den Link dahin. PS. Auch interessant wäre mehr darüber zu erfahren, wie es dazu kommen konnte, dass Privatmensch Bill Gates 10 Minuten Prime-Time-Sendezeit in den Tagesthemen bekommen hat und warum ein Privatmensch sich überhaupt äussern darf in den öffentlich-/rechtlichen Fernsehsendern, zu welchen Themen auch immer. Soviel ich weiß, hat es so etwas bis dahin noch nie gegeben.

        • @OSCILLATEWILDLY:

          Nachtrag: ich meine natürlich, warum ein Privatmensch sich überhaupt äussern darf in einer Nachrichtensendung in den öffentlich-/rechtlichen Fernsehsendern zu einer die Öffentlichkeit betreffenden Sache.

      • @bicyclerepairman:

        Aus demselben Grund, weshalb Leute, die darüber schwadronieren, dass "die Medien" etwas "totschweigen" das nicht können.