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Hongkongs dritte InfektionswelleWahlverschiebung dank Corona?

Das Coronavirus wütet in der Ex-Kolonie stärker denn je. Die pekinghörige Regierung könnte die Pandemie jetzt für ihre politische Agenda nutzen.

Hongkong, 20. Juli: Mitarbeiter der Umwelt- und Lebensmittelhygiene desinfizieren einen Markt Foto: May James/ZUMA Wire/dpa

Peking taz | Nachdem das von Peking installierte nationale Sicherheitsgesetz die Protestbewegung in Hongkong in Schockstarre versetzt hat, gelten dort die für den 6. September geplanten Parlamentswahlen als letzte große Chance, Opposition gegenüber Chinas Einflussnahme auf die eigentlich autonome Stadt auszudrücken. Eine Mehrheit der Sitze im Legislativrat wäre eine öffentlichkeitswirksame Ohrfeige gegen die kommunistische Staatsführung.

Und dies scheint tatsächlich im Bereich des Möglichen zu sein: Bei den Kommunalwahlen im November erzielten die Peking-Kritiker einen historischen Erdrutschsieg. Und Anfang Juli mobilisierte die Demokratiebewegung unerwartet viele Wähler zu ihren informellen Vorwahlen.

Nun jedoch erwägt Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam laut der Hong Kong Economic Times die Wahlen zu verschieben. Bisher hat sich die Regierung noch nicht zu dem unbestätigten Bericht geäußert.

Das Coronavirus, das die Protestbewegung bereits ausgebremst hat, wäre jedoch ein perfekter Vorwand für eine solche Entscheidung. Bis Anfang Juli hatte Hongkong den Erreger noch voll unter Kontrolle. Drei Wochen lang meldeten die Gesundheitsbehörden keine lokale Infektion mehr.

3. Infektionswelle wegen Lücken bei Tests und Quarantäne

Seitdem jedoch gab es rund 1.500 neue Fälle, am Montag gar 145 an einem einzigen Tag. Erneut hat die Regierung strenge Maßnahmen angeordnet: Die meisten Restaurants und Kneipen mussten schließen, öffentliche Zusammenkünfte mit mehr als zwei Personen und damit alle Proteste sind verboten, überall gilt eine Maskenpflicht.

Nach systematischem Tests der Bevölkerung zeichnete sich ab, dass ein blinder Fleck der Regierung für die erneute Ausbreitung des Virus verantwortlich ist: So wurden zwar Einreisende nach Hongkong kategorisch auf das Virus getestet und in 14-tägige Quarantäne geschickt. Doch blieben etwa Crews von Flugzeugen und Schiffen da weitgehend ausgenommen.

So blieben zwischen April und Mitte Juli über 160.000 Einreisende von den Quarantäne- und Testmaßnahmen verschont. Die Folge: Corona breitete sich aus.

Streng genommen ist es für Hongkong schon die dritte und bisher schwerste Welle. Bereits im Januar hatte ein Chinese aus Wuhan das Virus nach Hongkong gebracht. Darauf schloss die Sonderverwaltungszone rasch die Grenze zu Festlandchina. Im März kehrten dann viele Studenten von ihren Unis im Ausland heim, was die Infektionen erneut ansteigen ließ.

Protestverbot wegen Corona

Die jetzige Infektionswelle zeigt sich gleich in mehreren Ländern im Asien-Pazifik-Raum wie etwa in Japan und Australien. Auch die schienen die Coronapandemie zuvor im Griff zu haben. In Hongkong kommt jedoch noch eine politische Komponente hinzu: Die strengen Beschränkungen in Bezug auf öffentliche Versammlungen und nun eine mögliche Verschiebung der Parlamentswahlen werden von Kritikern als politischer Missbrauch gesehen und angeprangert.

„Die Pandemie als Ausrede zu nutzen, die Wahlen zu verschieben, ist eine Lüge“, schreibt der Demokratie-Aktivist Joshua Wong bei Twitter: „Hygienemaßnahmen können das Infektionsrisiko senken. Genau das haben wir gemacht während unserer Vorwahlen.“ Auch haben in letzter Zeit bereits andere Staaten trotz der Pandemie erfolgreich Wahlen abgehalten, darunter Südkorea und die Mongolei.

Die umstrittene Regierungschefin Lam ist in letzter Zeit noch unbeliebter geworden. In der aktuellen Umfrage eines der University of Hong Kong nahestehenden Meinungsforschungsinstituts gaben nur noch 18 Prozent der Befragten an, ihre Politik zu unterstützen – vor zwei Wochen waren es noch 23 Prozent gewesen. Knapp drei Viertel aller Hongkonger lehnen hingegen die pekingtreue Politikerin ab.

Joshua Wong muss Erklärung unterzeichnen

Über das Wochenende wurden im Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen rund ein Dutzend führender Köpfe der pekingkritischen Opposition zu einem Verhör geladen. Dabei wurden ihre politischen Ansichten daraufhin überprüft, ob sie konform seien mit dem von Peking in der Stadt eingeführten nationalen Sicherheitsgesetz.

Joshua Wong musste demnach einen öffentlichen Brief schreiben, in dem er sich von einer möglichen Unabhängigkeit Hongkongs von Festlandchina distanzierte. Und er musste versprechen, die USA nicht mehr zu Sanktio­nen gegen Hongkong aufzufordern.

Ob Wong dennoch bei den Wahlen antreten darf – ganz gleich ob im September oder später –, scheint ungewiss. Bei den Kommunalwahlen im November war er als einer der wenigen von den Behörden ausgeschlossen worden.

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