: Historische Krise und überforderte Arbeitsämter
Von 3,5 Prozent im Februar stieg die Zahl der Arbeitslosen in den USA im Mai auf 14,7 Prozent
Seit der Großen Depression der dreißiger Jahre war die Arbeitslosigkeit in den USA nie wieder so hoch wie in den zurückliegenden Monaten. Von 3,5 Prozent im Februar schnellte sie nach den offiziellen Zahlen des Bureau of Labor Statistics (BLS) im Mai auf 14,7 Prozent hoch. Allein im April und Mai meldeten sich 20 Millionen neue Arbeitslose.
Zwar gab es im Juni wieder 4,8 Millionen neue Arbeitsplätze in den USA, sodass die Arbeitslosigkeit auf 11,1 Prozent zurückging. Doch entstand diese Statistik in der ersten Junihälfte, als die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus in den USA auf 25.000 gesunken war. Seither haben sich die täglichen Neuinfektionen in manchen Bundesstaaten vervielfacht, sodass zahlreiche Betriebe, insbesondere in der stark betroffenen Gastronomie, wieder geschlossen wurden und die Beschäftigten sich erneut arbeitslos melden mussten. Andere Betriebe in bislang weniger stark betroffenen Branchen – darunter Levi’s, Wells Fargo und United Airlines – begannen erst in den zurückliegenden Wochen mit ihren Massenentlassungen.
Die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen durch die Pandemie liegt nach Schätzung von Ökonomen um bis zu ein Viertel höher, als das BLS angibt. Dessen Statistiken erfassen – nach Bekunden des BLS – nicht einmal alle offiziell arbeitslos gemeldeten Personen. Einer der Gründe für die Unzulänglichkeiten der offiziellen Statistik ist die Organisation der Arbeitsämter in den USA. Sie arbeiten in jedem Bundesstaat unterschiedlich und sind nach jahrelangen tiefen Einschnitten in ihre Budgets finanziell, personell und technologisch hoffnungslos überfordert.
Arbeitslosenkrise lange nicht vorbei
Nach Veröffentlichung der Juni-Arbeitslosenstatistik hatte sich US-Präsident Donald Trump bereits lautstark über eine „nie zuvor gesehene Rückkehr zum Leben“ gefreut und das als Verdienst der „historischen Aktionen“ seiner Regierung bezeichnet. Jedoch ist nach Einschätzung des Chefs der US-Zentralbank, Jerome Powell, die Arbeitslosenkrise in den USA noch lange nicht überwunden. Die US-Notenbank erwartet, dass der Arbeitsmarkt Jahre brauchen wird, um sich zu erholen. Nach ihren Prognosen wird die Arbeitslosigkeit bis zum Ende dieses Jahres noch bei 9,3 Prozent und im Jahr 2022 noch bei 5,5 Prozent liegen.
Die großen Banken teilen die Skepsis der Federal Reserve. So erwarten etwas JPMorgan Chase und Wells Fargo eine anhaltende Rezession und zweistellige Arbeitslosenraten bis mindestens Ende des Jahres. Um die erwarteten Zahlungsausfälle von arbeitslosen Kunden auszugleichen, haben die Banken Reserven in zweistelliger Milliardenhöhe angelegt.
Während 30 Millionen Arbeitslose derzeit versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen, hat das Weiße Haus – und die Tochter des Präsidenten – eine neue Kampagne gestartet, um Arbeitslose zu ermuntern, flexibel zu sein. Motto: „Finde etwas Neues.“ Dorothea Hahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen