Hilfe für Hamburgs Obdachlose: Vom Hotel zurück auf die Straße
Um sie vor Corona zu schützen, buchten kirchliche Träger für 170 Menschen Hotels. Nun ist das Geld aufgebraucht. Die Stadt bietet nur Notunterkünfte.
„Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Diakonie-Pastor Dirk Ahrens. Auch wohnungslose Menschen hätten das Bedürfnis, mal die Tür hinter sich zuzumachen. „Das Projekt hat gezeigt, dass Einzelunterbringung funktioniert“. Man habe Menschen erreicht, die sonst durchs Raster der städtischen Angebote fallen, und ihnen neben Schutz vor Ansteckung auch Ruhe bieten können, um neue Perspektiven zu gewinnen. „Wir haben kein zusätzliches Personal eingestellt und keine Security-Kräfte gebraucht“, ergänzt Diakonie Fachbereichsleiter Dirk Hauer. „Die Straßensozialarbeiter haben im Wesentlichen das gemacht, was sie immer machen“.
Dank großzügiger Spenden von insgesamt knapp 450.000 Euro hatte er die große Chance, „endlich das zu tun, was wir seit Jahren fordern“, sagt Stephan Karrenbauer, Straßensozialarbeiter bei Hinz & Kunzt. Er konnte Menschen einfach ein Zimmer anbieten – ohne Bedingung. Binnen zehn Tagen seien die Plätze voll gewesen. Karrenbauer spricht vom „positivsten Sozialexperiment“ seiner 25-jährigen Berufszeit.
„Es ist erstaunlich, wie schnell sich Wohnungslose stabilisieren, sobald sie ein selbstbestimmtes Leben führen dürfen“. Dazu gehörten simple Dinge, wie jederzeit auf Toilette gehen zu dürfen, was auf der Straße und in Notunterkünften nicht möglich sei. Ein Mann, der unter Darmbeschwerden litt, wurde im Hotel gesund.
Diakonie und Alimaus brachten 119 Personen in acht Hotels unter, Hinz & Kunzt 50 in zwei Hotels, bezahlt mit 441.595 Euro Spenden.
Die Stadt bietet wegen Corona ganzjährig 350 Notplätze in Zweier- und Dreier-Zimmern.
Beraten werden sollen die Menschen nun auch durch Fachkräfte der Stadt.
„Die Menschen waren wieder in der Lage, an die Zukunft zu denken“, ergänzt Kai Greve vom Träger Alimaus. Eine Person sei von einem Hotelier angestellt worden. Etliche fanden auch eine neue Bleibe. Doch etwa 150 der 170 Teilnehmer kehren auf die Straße zurück, wenn ihnen nichts angeboten wird. Sofern sie einen Rechtsanspruch haben, werden für sie Folgeunterkünfte bei der Stadt beantragt. Für weitere Hotelnächte, die im Schnitt 32,50 Euro kosteten, fehlt das Geld.
Die Linke hatte Anfang April beantragt, dass Hamburg, ähnlich wie Berlin, 300 Zimmer für Obdachlose anmietet. Der Antrag wurde im Mai von Rot-Grün abgelehnt. Eine Begründung, die nun widerlegt scheint, war eben, dort wäre die Betreuung nicht gewährleistet. „Eigentlich müsste die Stadt dieses Hotel-Projekt weiter bezahlen“, sagt die Linke-Sozialpolitikerin Stefanie Rose. „Dass man Abstand halten muss, ist ja nicht vorbei.“
Doch die Sozialbehörde geht anders vor. Sie wird das Winternotprogramm ganzjährig anbieten. An den Standorten Friesenstraße und Kollaustraße gibt es 350 Plätze, die die Bewohner jeweils tagsüber von halb zehn bis 17 Uhr verlassen müssen. Die Unterkünfte würden „nur locker belegt, sodass die Abstände eingehalten werden können“, sagt Sprecher Martin Helfrich. Je nach Zimmer bedeute das „zwei, maximal drei Personen“.
Laut Dirk Hauer wollen die Menschen des Hotel-Projekts aus verschiedenen Gründen nicht in die Notunterkünfte. Doch Obdachlose seien eine Hochrisikogruppe, die genauso geschützt werden müsse wie andere. Und Distancing heiße dann eben: „Solange Infektionsgefahr besteht, müssen sie einzeln untergebracht werden.“
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