Anti-Antifa im Kieler Landtag: Im Windschatten von Trump
AfD-Politiker Claus Schaffer agitiert gegen die Antifa und bedient sich dabei einer Sprache, die der Verfassungsschutz Neonazis zuschreibt.
In seiner Partei dürfte die Ablehnung des Antifaschismus zur politischen Ausstattung gehören. Seitdem aber US-Präsident Donald Trump die Bewegung „BlackLivesMatter“ als antifaschistisch und die Aktivist*innen als „kranke, schlimme“ Menschen diffamierte, greifen viele diese Position auf.
In der Tageszeitung Die Welt etwa schrieb Henryk M. Broder diese Woche einen Kommentar mit dem Titel „Die ‚Antifa‘ ist eine Mogelpackung“ und argumentierte, dass der „Antifaschismus der Faschismus des 21. Jahrhundert“ sei und das „Fa“ eine „reine Chimäre“ wäre, die zu einer „Selbstermächtigung der Antifa“ diene, um „Autos abzufackeln, Polizeistationen zu überfallen“.
Dieser Logik folgt auch AfD-Mann Schaffer immer wieder. „Wo bleibt der Aufschrei“ gegen Linksextreme und Antifa? Das fragt er via Twitter regelmäßig. „Warum wird das Problem nicht benannt“, merkte er zuletzt nach dem umstrittenen Polizeieinsatz in Hamburg am vergangenen Samstag an und meinte den Protest gegen Polizeigewalt. Der frühere Kriminalhauptkommissar aus Lübeck erklärte zu seinem Anti-Antifa-Bekenntnis via Twitter aber auch gleich „Für #Demokraten selbstverständlich“ zu sein. Das Demokratiebekenntnis steht indes im Widerspruch zu seinem Anti-Antifa-Bekenntnis.
Als „Anti-Antifa“ im Parlamentarischen Kontrollgremium
Schaffer scheint vergessen zu haben, dass selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Online-Glossar den Begriff „Anti-Antifa“ alleine „Neonazis“ zuschreibt und ausführt, dass zu dieser Anfeindung das „Erfassen und Veröffentlichen von Daten politischer Gegner“ gehöre. Die Betroffen sollten „in der Regel“ verunsichert werden. Und „als Gegner werden dabei auch Angehörige der Sicherheitsbehörden angesehen“. In seiner Selbstdarstellung auf der AfD-Seite versichert Schaffer jedoch, sich für die „Stärkung der Polizei und Sicherheitsbehörden“ einzusetzen.
Wer sich selbst als Anti-Antifa versteht, muss sich fragen lassen, ob er oder sie Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium sein sollte. Schaffer ist es. Im Kieler Landtag ging er per Pressemitteilung gerade erst die polizeipolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Kathrin Bockey an. Bockey, selbst Polizistin, hatte eine Pflicht-Supervision für die Landespolizei zu Rassismus gefordert.
Zu viel für Schaffer, diese Forderung offenbare das „Misstrauen“ und die „Ablehnung“ der SPD gegenüber Polizei und Sicherheitsbehörden. Und ganz Anti-Antifa führt er weiter aus: „Die politische Linke führt einen Kampf gegen die Staatsgewalt und sieht in der aus den USA stammenden Rassismus-Debatte offenbar den geeigneten Zündfunken, um auch unsere Gesellschaft in Brand setzen zu können.“
Darf man diesen geistigen Brandstifter jetzt „Neonazi“ nennen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen