Anti-Rassismus-Aktivist aus Dessau: Der Freund und Kämpfer

Seit sein Freund Oury Jalloh in Polizeigewahrsam starb, setzt sich Mouctar Bah gegen Rassismus und Polizeigewalt ein. Am Donnerstag wird demonstriert.

Portrait von Mouctar Bah

Mouctar Bah kämpft in Dessau schon seit Jahren gegen Rassismus und wird oft dafür angefeindet Foto: Imago

BERLIN taz | Es sind die Kontinuitäten, die Mouctar Bah umtreiben. Die Kontinuitäten der rassistischen Gewalt in Sachsen-Anhalt, in Deutschland – und der kontinuierliche Einsatz dagegen. Die antirassistische Demo, die am Donnerstag durch Dessau zieht, hat der 47-Jährige mitorganisiert. Dort lebt er mit seiner Familie, dort engagiert er sich in der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. „Für uns ist das, was in den USA passiert ist, keine Überraschung“, erklärt er am Telefon. „Doch diesen Rassismus gibt es auch vor unserer Tür. Er ist nur nicht immer live im Video zu sehen.“

Seit sein Freund, der Asylsuchende Oury Jalloh aus Sierra Leone, 2005 im Dessauer Polizeigewahrsam verbrannte, hat sich Mouctar Bah der Aufklärung dieses Todes verpflichtet. „Wir konnten das nicht wahrhaben“, erinnert Bah sich und meint die anfängliche Behauptung der Behörden, Jalloh habe sich selbst angezündet. Bah und sein Freundeskreis sammelten Geld für unabhängige Autopsien und Brandgutachten.

Doch erst 12 Jahre später gestehen die Behörden ein, was die Initiative längst nachgewiesen hatte: Oury Jalloh wurde angezündet – nur um den Fall im Oktober 2017 zu den Akten zu legen. Dagegen wiederum legte die Familie Jallohs, mit Unterstützung der Initiative, im November 2019 eine Verfassungsbeschwerde ein. „Die Staatsanwaltschaft hat uns immer wieder Steine in den Weg gelegt. Sie wollten die Aufklärung nicht, sie machten das Opfer zum Täter“, erzählt Bah. Er selbst wurde in Guinea geboren und verließ mit 19 Jahren das Land. In Dessau machte er sich mit einem Internetcafé selbstständig, das schnell zu einem Treffpunkt für Geflüchtete wurde. Dort lernte er auch Oury Jalloh kennen, traf ihn dort noch am Tag vor seinem Tod.

Dessau bleibt seine Stadt

2009 bekam Bah für sein Engagement die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen. Gleichzeitig gerät er seines Einsatzes wegen aber auch immer wieder ins Visier von Behörden, Polizei und Neonazis. 2013 wurde er von der Polizei bei einer Gedenkdemo so schwer verletzt, dass er mit einer Gehirnerschütterung vier Tage lang im Krankenhaus lag. Doch Dessau zu verlassen ist für Mouctar Bah keine Option. „Ich habe viele Freunde hier, die meine Unterstützung brauchen. Ich habe mir hier eine Familie aufgebaut.“ Menschen aus Kurdistan, aus Syrien, aus Deutschland und afrikanischen Ländern würden mit ihm zusammen gegen den Rassismus ankämpfen. Dies halte ihn in der Stadt.

Am Donnerstag soll in Dessau auch an den Mosambikaner Alberto Adriano erinnert werden, der dort im Juni 2000 von Neonazis zu Tode geprügelt wurde. „Wir demonstrieren, um daran zu erinnern, dass er noch da ist, dass wir noch da sind“, erklärt Bah. Die aktuelle Aufmerksamkeit für rassistische Polizeigewalt findet er gut. „Aber das darf nicht nach sechs Monaten wieder nachlassen. Wir kämpfen weiter. Wir brauchen Kontinuität. Denn institutioneller Rassismus hat einen langen Arm.“

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