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Übergriffe bei AbschiebungenPolizistin mangelt es an Empathie

Weil sie ein Kind bei einer Abschiebung unter Druck gesetzt haben soll, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen eine Polizistin.

Polizist*innen sind auch an Abschiebungen beteiligt Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hamburg taz | Minutenlang soll eine Polizistin ein zwölfjähriges Mädchen bei seiner Abschiebung unter Druck und in Angst versetzt haben. So steht es im aktuellen Bericht des Hamburger Abschiebungsbeobachters. Mehrfach habe sie dem Mädchen demnach „in rauem Ton“ gesagt, dass sie und ihre Brüder allein ohne die Mutter abgeschoben würden. Die Polizistin versuchte offenbar über das Kind, die Mutter zur Mitwirkung bei der Abschiebung zu drängen.

Auf Anfrage der taz bestätigt die Staatsanwaltschaft Hamburg nun, dass gegen die Beamtin der Polizei im schleswig-holsteinischen Boostedt wegen versuchter Nötigung im Amt ermittelt wird.

Der Abschiebungsbeobachter Felix Wieneke ist bei Abschiebungen vom Hamburger Flughafen aus dabei – als neutraler Beobachter. Was er dokumentiert, wird in einem Gremium, dem Flughafenforum, besprochen. Darin vertreten sind unter anderem Mitglieder der Innenministerien verschiedener Bundesländer, der Polizei und Organisationen der Geflüchtetenhilfe. Einmal im Jahr veröffentlicht das Forum einen Bericht, in dem auch einzelne Abschiebungssituationen beschrieben werden.

So auch die des Mädchens und seiner aus Afghanistan stammenden Familie, die Anfang September vergangenen Jahres nach Stockholm abgeschoben werden sollten. Demnach klagte die Mutter über starke Bauchschmerzen, als Wieneke vor Ort eintraf. Die hinzugerufenen Sanitäter empfahlen, die Frau in ein Krankenhaus zu bringen. Daraufhin schlug die Polizistin vor, die drei volljährigen Brüder und die zwölf Jahre alte Schwester allein abzuschieben, während die Mutter behandelt werde. „Ich hatte den Eindruck, dass die Polizistin die Kontrolle über ihr Handeln verloren hat“, sagt Wieneke zur taz. „Für sie schien im Vordergrund zu stehen, die Personen außer Landes zu schaffen.“

Die Tochter fing laut zu weinen an. Die Polizistin soll weiter massiv auf sie eingeredet haben

Die Brüder waren laut Wieneke zu dem Zeitpunkt bereits in einem anderen Raum. Die Tochter sei bei der Mutter gewesen und habe nach dem Vorschlag der Polizistin laut zu weinen und zu schreien angefangen. Trotzdem habe die Polizistin weitergemacht, gesagt, das Mädchen könne sich das nun überlegen und mit seiner Mutter sprechen. Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde „interveniert schlussendlich“ und habe der Polizistin erklärt, dass eine Trennung des Kindes von der Mutter nicht zulässig sei.

„Solche Abschiebungen sind immer sehr aufgeregte Situationen, auch in diesem Fall war viel Aufregung im Raum“, sagt Wieneke. Er habe vorher noch nicht beobachtet, dass ein Kind so unter Druck gesetzt wurde. Dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, wusste er bereits, befragt wurde er aber noch nicht. Das kann wohl noch passieren, laut Staatsanwaltschaft wurde um die Vernehmung mehrerer Zeug*innen gebeten.

Auch im zuständigen Landespolizeiamt in Schleswig-Holstein seien die Vorwürfe bekannt, wie ein Sprecher auf taz-Anfrage mitteilt. Für den Einsatz bei Abschiebungen gibt es demnach eine eigene Einheit, die das Amt für Ausländerangelegenheiten unterstützt. Die Einheit gebe es seit Jahren, die Mitarbeiter*innen seien erfahren. „Ergeben sich grundsätzliche oder einzelfallbezogene Auffälligkeiten, werden diese erforderlichenfalls nachbereitet“, so der Sprecher.

Was das im Fall der Polizistin heißt, bleibt aber unklar. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes will der Sprecher nicht sagen, ob die Polizistin noch bei Abschiebungen eingesetzt wird.

„Die Verantwortlichen sollten zumindest überlegen, ob die Person weiter in diesem Bereich eingesetzt werden sollte“, findet Wieneke. Denn: Es sei nicht das erste Mal, dass Vorwürfe gegen die Beamtin erhoben würden.

Bereits im letzten Bericht des Abschiebungsbeobachters schildert er eine Situation mit einer aufgebrachten Frau, die abgeschoben werden sollte. Die Frau habe abgelehnt, eine von einem herbeigerufenen Notarzt angebotene Beruhigungstablette zu nehmen. Auch der Ehemann und die Tochter hätten vergeblich versucht, ihr die Tablette zu geben. Dann habe sich die Polizistin die Tablette genommen und sich über die Frau gekniet, die auf einer Sitzfläche lag. „Sie redete heftig auf sie ein, es sei besser, wenn sie das Medikament nähme“, steht in dem Bericht.

Wieneke versuchte demnach die Polizistin anzusprechen und fragte, ob sie versuche, der Frau gegen ihren Willen ein Medikament zu geben. Aber sie habe nicht reagiert. „Eigentlich ist es nicht meine Aufgabe, bei Abschiebungen zu intervenieren“, sagt Wieneke. „In diesem Fall habe ich das tatsächlich gemacht, um zu unterbinden, was da gerade passiert.“ Der Eindruck, dass dort Zwang gegen die Frau angewendet werde, sei für ihn eindeutig gewesen.

Laut Bericht stimmte der Notarzt Wienekes Einschätzung zwar zu, unternahm aber nichts. Die Beamtin blieb über der Frau und hielt ihr die Tablette vor den Mund, bis diese sie einnahm. Wegen des Zustandes der Frau wurde die Abschiebung abgebrochen.

Auch zu diesem Fall wurde Wieneke nicht von Ermittlungsbehörden befragt. Laut Staatsanwaltschaft wurden die Ermittlungen gegen die Beamtin eingestellt, weil ein Anfangsverdacht für eine Straftat nicht bejaht wurde. Zu den Gründen konnte sich die Staatsanwaltschaft bis Redaktionsschluss nicht äußern, wolle das aber tun, sobald ihr die Akte vorliege. Wann die Ermittlungen wegen der versuchten Nötigung abgeschlossen sind, ist noch nicht absehbar.

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14 Kommentare

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  • Wer auch immer Polizeidienst Anwärter



    beurteilt, macht seit Jahrzehnten einen echt beschissenen Job.



    Es wimmelt ja gerade zu von Rambos, Machos, Nazis und hohlen Befehlszombies. Mänlich oder weiblich spielt keine Rolle

  • Leider ist die Macht, die man als Polizist ausüben kann, für viele immer noch unglaublich attraktiv.

  • Manche Leute bei der Polizei sind schlicht im falschen Beruf, merken es aber selbst gar nicht, weil bereits schon die Ausbildung an ihnen spurlos vorbeigegangen ist.

  • Um einen Job zu machen der darin besteht das Gewaltmonopol durchzusetzen ist Empathielosigkeit eine Kernqualifikation.



    Das zentrale Problem liegt aber nicht bei einzelnen schwarzen Schafen die ihre Aufgabe mit 'besonderer Eloquenz' ausführen, sondern darin wie Staat und Gesellschaft diese Aufgaben definieren. Wenn also etwa Seehofer ein "Zweiten Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung der Ausreisepflicht“ (aka „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“) mit massiv erweiterten Befugnissen und dem Ziel möglichst schnell möglichst viele Menschen außer Landes zu schaffen verabschiedet oder sich über 69 Abschiebungen zu seinem Geburtstag freut während sich einer der Abgeschobenen aus Verzweiflung kurz darauf suizidierte, dann schafft dies eben auch den Rahmen dafür wie diese Aufgabenstellung von den Beamt*innen umgesetzt wird.

  • In Verbindung mit Abschiebungen/ Rückführungen scheinen Amtsdelikte an der Tagesordnung zu sein und finden demnach sogar im Beisein der offiziellen Beobachter statt. Hier spielt mit Sicherheit auch mit rein, dass die Opfer keine Beschwerdemacht haben weil sie in Kürze außer Landes gebracht werden. Auch hier ist festzustellen: Je geringer die Beschwerdemacht des Individuum ist, desto schneller überschreiten PolizeibeamtInnen ihre rechtlichen Grenzen.

  • Die Polizisten haben schon einen harten Job. um dann noch von irgendwelchen Klugschwätzern vom Sofa aus erklärt zu bekommen was richtig und falsch ist.

    • @Kristina:

      Das ist schlicht die Antwort einer Person, die Unmenschlichkeit gutheisst. Das ist nicht ok. Haben Ihre Eltern denn Ihnen nicht beigebracht, was Menschlichkeit ist ?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Kristina:

      Auch in diesem Forum muss es Menschen geben, deren Beiträge einfache Erklärungen beinhalten. Ich freue mich, dass dieser Part hier von Ihnen sehr gewissenhaft ausgefüllt wird.

    • @Kristina:

      Die Polizisten haben in erster Linie die Aufgabe, rechtsstaatliches Handeln sicher zu stellen und auszuüben.



      Es sind keine "Klugschwätzer", die ihnen erklären was richtig und falsch ist, es ist das Gesetz.



      Sie repräsentieren die Staatsgewalt. Wenn sie nicht rechtmäßig handeln, wie soll man da Vertrauen haben?



      Sie möchte ich mal sehen, wenn Ihre Grundrechte von Polizisten missachtet werden......

      • @Life is Life:

        Vermute, dass Kristina selbst Polizistin ist, oder zumindest der Polizei, wie auch immer, nahesteht.



        Das lassen ihre Beiträge in der Taz Kommune vermuten.

    • @Kristina:

      Gesetze gelten auch für Polizisten und sie müssen diese genauso einzuhalten wie jeder andere Bürger. Sie sind im Dienst nicht frei zu tun und lassen was sie wollen, wir leben noch nicht in einem Polizeistaat.



      Die von Ihnen als 'Klugschwätzer' bezeichneten Menschen, sorgen dafür das die Polizei unter Beobachtung steht und nicht vollends macht was sie will. Innerhalb der Polizei schreitet bei bei Vergehen und Straftaten durch Polizisten im Dienst fast nie ein KollegIn ein. Für den in der Polizei sehr weit verbreiteten Korpsgeist, bei dem sich Polizisten bei Vergehen und Straftaten gegenseitig decken, gibt es viele Beispiele.



      Polizisten die sich nicht an die Gesetze und Vorschriften halten wollen oder in angespannten Situationen dazu nicht in der Lage sind sollten sich einen anderen Job suchen!

  • Interessantes Symbolfoto!

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @Anna Konda:

      Blond, ja.



      Blauäugig, kann man nicht sehen.



      Aber sicher Nazi, wegen gleicher Kleidung.

      Frauen in der Polizei.



      Haben Sie etwas dagegen?



      Hätte der abgeklärte männliche Beamte sich anders/besser verhalten?

      Was sonst noch finden Sie an dem Foto interessant?

      • @06360 (Profil gelöscht):

        Wenn da nicht einfach dreimal ein und dieselbe Frau aus verschiedenen Winkeln fotografiert wurde und dann ins Fotos kopiert wurde , könnte man schon den Eindruck gewinnen, der blonde Pferdeschwanz sei das Erkennungsmerkmal der deutschen Polizistin schlechthin. Pferdeschwanzvergleich?!