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Twitter warnt vor Trump-TweetHalbe Courage

Donald Trump dient Twitter als wichtigster Lieferant von Aufmerksamkeit. Der „Faktencheck“ des Kurznachrichtendienstes ist daher ein Risiko.

Der Kurznachrichtendienst Twitter hat US-Präsident Trump auflaufen lassen – na und? Foto: Stefan Boness/Ipon

Donald Trump und Twitter sind Arsch und Eimer der sozialen Medien. Jeder Tweet des US-Präsidenten simuliert Regierungstätigkeit per Verlautbarung und erreicht (zumindest theoretisch) mehr als 80 Millionen Menschen, ungefiltert und ungeprüft. Dafür findet sich wiederum Twitter, das kleinste der großen Netzwerke, regelmäßig journalistisch zitiert.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in Nachrichtensendungen und Zeitungen davon berichtet wird, was Trump „auf dem Kurznachrichtendienst Twitter“ erklärt hat. Diese beiläufige Promo für beide Seiten ist eine klassische Win-win-Situation, wenn nicht gar eine Beziehung mit symbio­tischem Charakter. Seit Dienstag hat diese Beziehung nun immerhin einen Knacks. Eine gewohnt realitätsverzerrende Behauptung Trumps über angeblichen Betrug bei Briefwahlen in den USA wurde nämlich von Twitter mit einem Link zu seriös recherchierten Fakten ergänzt. Auf diese erstmalige öffentliche Brüskierung des Präsidenten durch das Netzwerk hin lamentierte dieser wiederum, ebenfalls auf Twitter, von einem Angriff auf die Redefreiheit.

Tatsächlich überrascht der wenn auch behutsame Eingriff seitens Twitter ein wenig. Zumindest auf den ersten Blick ist eine Maßregelung eines der weltweit 10 followerstärksten Accounts, noch dazu dieses sehr speziellen, nämlich nicht ohne Risiko. Was, wenn Trump Twitter verlässt?

Die Aufmerksamkeit, die Trump, wie auch andere reichweitenstarke Accounts, mit seiner permanenten Selbstdarstellung für das Netzwerk erzeugt, hat ökonomische Implikationen. Die sind nicht ohne Weiteres bezifferbar, Vermutungen lassen sich dennoch anstellen. Twitter kämpft seit etwa fünf Jahren mit stagnierenden Nutzer*innenzahlen. In der von Ideologemen aus dem radikallibertären Kehricht des Silicon Valley geprägten digitalen Ökonomie aber gilt aggressive Expansion zum Zwecke der Marktbeherrschung alles. Wer nicht wächst, ist draußen.

Das nützliche hässliche Gesicht

Die Twitter-Aktie entwickelt sich seit 2013 im Vergleich zu anderen Techunternehmen eher unbefriedigend. Nicht etwa deshalb, weil über Jahre keine bedeutenden Gewinne eingefahren wurden, sondern weil die Marktdominanz für das Netzwerk mit gut 300 Millionen Nutzer*innen und den geringen Zuwächsen keine realistische Geschäftsperspektive zu sein scheint.

Immerhin verzeichnete Twitter 2018 und 2019 finanziell einigermaßen solide Jahresergebnisse. Das kann aber nur so bleiben, wenn Twitter für Werbetreibende als lohnende Plattform wahrgenommen wird. Dafür ist Trump ein nicht unbedingt schönes, aber kaum zu ignorierendes und deshalb wertvolles Marketinggesicht.

Und dieses Gesicht wiegt, zumindest bisher, einige andere Probleme des Netzwerks offenbar auf. Zum Beispiel die ständige Kritik wegen des viel zu laxen Umgangs mit Hassrede, inklusive drohender gesetzlicher Regulierungen. Würden Desinformation, Rassismus, Sexismus und Bedrohungen ernsthaft von Twitter angegangen, müsste Trumps Account schon lange dauerhaft gesperrt sein.

Das Problem ist jedoch nicht allein eines der sozialen Netzwerke. Schließlich sind auch klassische Medien in der Ökonomie der Aufmerksamkeit gefangen und berichten regelmäßig über die neuesten Ausfälle auf Twitter. Gerne wird dann journalistisch distanziert erklärt, der Präsident habe „behauptet“, Kritiker*innen „führten dagegen an“, dass es anders „sei“. Als gäbe es nicht meistens halbwegs objektive Fakten, die sich Trumps offensichtlichen Verzerrungen und Lügen gegenüberstellen ließen.

Wahrheits-Sandwich

Der Journalismusexperte Jay Rosen schlägt als Lösung für das Dilemma zwischen der Verpflichtung zu journalistischer Objektivität und Wahrhaftigkeit ein „Truth-Sandwich“ vor. Berichterstattung, vor allem Überschriften und Anteaserung sollten nach dem Prinzip „Fakt – Lüge – Fakt“ konstruiert werden, um die Amplifizierung der Lüge zu verringern.

Twitter, selber nicht einmal an journalistische Standards gebunden, hat es jetzt also immerhin einmal mit „Lüge – Link zum Fakt“ versucht. Ob es hilft, wer weiß. Zumindest haben wir wieder etwas zu berichten über den Präsidenten und das Netzwerk. Und vielleicht wird demnächst sogar klarer, wer Arsch ist und wer Eimer in der Symbiose zwischen Twitter und Trump.

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10 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    "Heute war ich besonders blöd.



    Ich glaube, ich könnte Amerika regieren."



    Diesen Satz gibt es auf einer Karte, zum verschicken.



    Schaut euch mal um und schickt sie ans weisse Haus.



    Dann kommt wahrscheinlich die Kriegserklärung via Twitter.

  • Wie "seriös recherchiert" können Fakten sein, die in Abrede stellen, dass Briefwahlen ein Einfallstor für Wahlbetrug sind?



    Auch in Deutschland haben wir bereits zahlreiche Fälle gehabt, in denen via Briefwahl betrogen wurde.

  • "Ideologemen aus dem radikallibertären Kehricht..."



    Supersatz, Hut ab, man lernt nie aus.



    Aber mit "Anteaserung" sind ihm die Pferde durchgegangen, da wusste sogar Google nicht weiter.



    Ich glaube, ich werde wohl doch einen Englischkurs besuchen, damit ich die "taz" lesen kann.



    In unserer Sprache ging das nicht?

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @ubk:

      Ich glaube der "teaser" entspricht dem deutschen "Anreißer" also dem kurzen Block zwischen Überschrift und eigentlichem Text.

  • Ist es die Aufgabe von twitter sowas - wie auch immer - zu kommentieren? Ich meine, in einem Punkt hat trump recht: das ist politsche Einflussnahme auch wenn es noch so ein Schwachsinn ist was er von sich gibt.

    • @lord lord:

      Letzten Endes darf man nicht vergessen, dass Twitter eine Plattform ist, die ein Angebot darlegt. Als President hat er durch Pressekonferenzen die Möglichkeit, seine Meinungen frei zu äußern. Diesen Kanal kann er nutzen. Ich frage mich immer, wie sehr das Thema Meinungsfreiheit mit sozialen Netzwerken vereinbar ist. Wenn ich ein Geschäft habe, habe ich auch ein Hausrecht. Wenn also ein Kunde mir nicht gefällt, weil er sich nicht an die Hausordnung hält, kann ich ihn rauswerfen. Die Hausordnung, darf ich selbst aufstellen. Und letzten Endes sind für mich die sozialen Medien Geschäfte. Wenn es sich Twitter zur Aufgabe macht, solche Aspekte zu kommentieren, dann kann man das kritisch sehen. Letzen Endes muss aber Twitter selbst entscheiden, wie es mit dem Inhalt umgeht. Ich finde und fand es schon immer sonderbar, dass eine private Firma zudem die Grundlage der Meinungsfreiheit darstellen soll.

      • @JuPeBob:

        "Wenn also ein Kunde mir nicht gefällt, weil er sich nicht an die Hausordnung hält, kann ich ihn rauswerfen."

        So einfach ist es offenbar nicht, wie zahlreiche Gerichtsurteile zeigen, die Sperren von Nutzern für rechtswidrig erklärt haben.



        Zudem mögen Twitter und Facebook zwar Nutzer rauswerfen, aber deren Daten behalten sie. Offenbar gibt es sehr viele Menschen, die dieses zweifelhafte Gebaren völlig OK finden. Meist aber auch nur so lange, bis sie selbst mal betroffen sind.

  • wenn es hoch kommt glauben max. 50% der Amerikaner Trump's Märchen. Der Rest der Welt findet Trump wohl eher lächerlich.



    Es könnte durchaus auch rufschädigend für Twitter sein, an der Verbreitung von zu viel Irrsinn beteiligt zu sein.



    Twitter-Nachrichten haben bei mir jedenfalls schon länger etwa den Stellenwert der Bild-Zeitung, also: braucht man nicht lesen, ist sowieso Unsinn.

    • @haribo:

      Heute hat T. gedroht, Twitter zu "schließen. - Wenn man denkt, es geht nicht irrer. muß man nur etwas zuwarten...

  • Wahrscheinlich hat die Twitter-Geschäftsführung eingesehen, dass die Trump‘schen Fake-News nicht gut für die Glaubwürdigkeit von Twitter insgesamt und somit für die zu erwartende Gewinn-Entwicklung sind.



    Auf Dauer wird sich Trump wohl lieber ein Sprachrohr suchen, das ihm nicht hineinredet. Wie wär’s mit einem „Trump-TV“ in jedem Trump-Tower weltweit, zur ungestörten Übertragung der neuesten Trump‘schen Geistesblitze?