piwik no script img

Christian Lindners UmarmungDie Standards setzt er selbst

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Der FDP-Chef lässt bei sich eine Milde walten, die er anderen niemals zugestehen würde – und die völlig unangemessen ist.

Ein Mann der Fehler – Christian Lindner Foto: Christophe Gateau/dpa

D er FDP-Vorsitzende Christian Lindner macht derzeit Fehler um Fehler. Mal rechtfertigt er die Wahl seines Thüringer Parteifreundes Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten mit den Stimmen der Rechten. Dann wittert er in bester Populistenart „Maulkörbe“ in der politischen Corona-Debatte. Und schließlich umarmt er den Honorarkonsul von Weißrussland.

Man könnte sagen, das ginge keinen etwas an, wenn Lindner den Statthalter einer Diktatur eng an sich zieht. Auch, dass es Sache der Berliner Polizei ist, wegen „Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetzes“ ein überfülltes Promirestaurant zu räumen, in dem Lindner und der Mann mit dem Operettentitel Gäste sind. Aber es macht durchaus einen Unterschied, wenn ein Spitzenpolitiker nach einem Restaurantbesuch öffentlich vollkörperlich wird und dabei seinen Mund-Nase-Schutz unters Kinn schnipst. Und das während im ganzen Land BürgerInnen nicht nur gebeten, sondern verpflichtet werden, Abstand zu halten.

Anders als nach der kürzlichen Teilnahme von Thomas Kemmerich an einer Demo rechter Corona-Leugner, ging es diesmal relativ flott mit der Klarstellung. Christian Lindner schreibt auf Twitter zu der Sause in Berlin: „Die spontane Umarmung bei der Verabschiedung am Freitag war ein Fehler, wie er unter Freunden nach einem privaten Abend leider passiert. Das war kein Vorsatz, sondern Unkonzentriertheit. Am Ende bleibt man Mensch. Tut mir leid!“

Ein klassischer Lindner. Die Standards, die setzt immer noch er selbst. In Zeiten, da Menschen ihre engsten Angehörigen nicht besuchen, geschweige denn sie umarmen dürfen, gehen mit dem FDP-Vorsitzenden die Gefühle durch. Man muss sich nur mal vorstellen, ein Altenpfleger oder eine Rettungsärztin würden ihren Gefühlen in dieser Weise freien Lauf lassen und umarmen, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Christian Lindner würden sicher ein paar wertvolle Hinweise dazu einfallen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • An die Autorin, bitte den letzten Link nachreichen, der würde mich doch interessierten.



    Ansonsten kein großes Wunder - Filmtitel "Lindner der Profi: Bedenken IInd"

    • Paula , Moderatorin
      @Tongo:

      Haben wir geändert, danke für den Hinweis.

  • Umarmung?



    Geschenkt.



    Aber ich habe keine Vorstellung, wie jemand mit so einem Titel kein halbseidener Typ sein kann.



    Warum ist so ein Mensch Lindners "Freund"?

    • @Sonntagssegler:

      Bin selbst drauf gekommen.

      Wer für so einen Titel einem mafiösen Diktator viel Geld bezahlt, hat mit Lindner auf den zweiten Blick eventuell viel gemeinsam.

      Aua.

  • Das ist der rechte Spruch für rücksichtslose Radler und Autofahrer, für Leute, welche Müll in Springbrunnen entsorgen, für Rempler im ÖPNV, ...



    Wat dem eenen sin Uhl, is dem anderen sin Nachtigall.



    Läuft.



    "Das war kein Vorsatz, sondern Unkonzentriertheit. Am Ende bleibt man Mensch. Tut mir leid!"

  • Na Mahlzeit - klein Lindie - 🥳 -

    Ein weiterer gescheiterter Versuch.

    kurz - Christian - es bleibt dabei!



    "Breschnjew - küßt am besten.“

  • der letzte link führt auch zu dem artikel hier! :)

  • Journalismus ist nicht umsonst genau doch mitschwimmen ohne Leistung schon!

    • @Manfred Hagenmaier:

      Gerade keine Zeit gehabt für n kleines Argument? Leistungsträger, wa?

  • Hm. Ich bin ja derjenige, der hier immer Hanlons Razor [1] bemüht. Herr Lindner wirkt auf mich aber so obsessiv auf seine öffentliche Wirkung getrimmt, dass ich dafür einen Bastard mit Clarke's Third Law erfunden [3] habe: Clarke's and Hanlon's Bastard:

    "Any sufficiently advanced form of malice is indistinguishable from stupidity"

    Gut möglich, dass ich den Menschen falsch einschätze. Dann bin ich bereit, um Verzeihung zu bitten.

    [1] en.wikipedia.org/wiki/Hanlon's_Razor



    [2] en.wikipedia.org/wiki/Clarke%27s_Laws

  • Die Taz konvertiert mich noch zum FDP Wähler.

  • Ok - es gibt gewiss eine Menge guter Gründe die es Wert sind, sich mit der Person Lindner kritisch auseinanderzusetzten.

    Aber eine Umarmung unter Missachtung der Maskenpflicht, echt jetzt ...?



    Was kommt als Nächstes?