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Hamburgerin klagt Corona-Geld einDurch den Rost gefallen

Beate Schwartau ist soloselbstständig und hat wegen der Coronapandemie keine Aufträge mehr. Seit sechs Wochen wartet sie auf Unterstützung.

Kämpft für ihr Recht: Beate Schwartau auf der 1.-Mai-Demonstration in Hamburg-Harburg Foto: Serkan Yildiz

Hamburg taz | Der Bund und die Länder geben Milliarden von Euro aus, um Soloselbstständigen und Kleinunternehmern durch die Coronakrise zu helfen. Doch selbst in dieser Notsituation, wo der Staat versucht, schnell und unbürokratisch zu helfen, kann man in die Mühlen der Bürokratie geraten und sich vorkommen wie in einem Roman von Kafka.

Die Hamburger Unternehmungsberaterin Beate Schwartau wartet seit sechs Wochen darauf, dass ihre Anträge auf die Hamburger Corona-Soforthilfe und Arbeitslosengeld 2 („Corona-Hartz-IV“) beschieden werden – dauern sollte das bei der Corona-Soforthilfe eigentlich nur fünf Tage. Weil sie von den diversen Stellen nach eigener Aussage immer wieder hingehalten worden ist, sieht sie sich nun gezwungen zu klagen.

Vergangenen Freitag beantragte sie beim Sozialgericht Hamburg im Eilverfahren die sofortige Auszahlung von Corona-Hartz-IV durch das Jobcenter. Bis dato habe sie ihre privaten Kosten aus ihrem Dispositionskredit finanziert. Der reiche nun aber nicht mehr aus.

Wie vielen anderen Selbstständigen hat ihr die Pandemieverordnung des Landes das Arbeiten unmöglich gemacht. „Nach dem 11.3.2020 sind mir alle Aufträge bis zum 12.06.2020 weggebrochen“, schreibt sie in der Begründung ihres Eilantrags. „Meine Kund*innen haben damit 37 Auftragstage gekündigt oder storniert“. Sie habe seither keine Einnahmen mehr und sei faktisch mit einem „Berufsverbot“ belegt.

Verschiedene Hilfen beantragt

Schwartau hat als Soloselbstständige zwei verschiedene Arten von Corona-Soforthilfen beantragt: Zum einen das Corona-Hartz-IV, das den Lebensunterhalt ermöglichen soll. Wegen der Coronakrise wird es für sechs Monate unter vereinfachten Bedingungen gewährt. So werden die Ausgaben für die Wohnung in tatsächlicher Höhe und nicht nach Bedarf anerkannt und der Antragsteller muss bis zu einer Grenze von 60.000 Euro auch nicht seine liquiden Mittel wie Girokonten oder Aktiendepots offenlegen.

Für die Betriebskosten und die Kosten für Beschäftigte können Soloselbstständige die Corona-Soforthilfe in Anspruch nehmen, einen Topf, der teils vom Bund, teils vom Land finanziert wird. Weil sie bis Ende April eine Büroangestellte hatte, war sie bis dahin Kleinstunternehmerin. Jetzt ist sie Soloselbstständige. Auch dieser Antrag wurde bisher nicht beschieden. Seit sechs Wochen liege er bei der Investitions- und Förderbank (IFB) des Landes.

Schwartau findet, dass sie nach dieser langen Zeit wenigstens Schreiben bekommen müsste, dass ihre Anträge eingegangen seien. Auf ihre Nachfragen bei der IFB habe sie nur Standardantworten bekommen und einmal die Auskunft: „Wir können Ihren Bearbeitungsstand nicht rausgeben, das würde die Bearbeitung der Anträge verzögern.“

Das Jobcenter habe sie für den Hartz-IV-Antrag erst mal überraschenderweise um eine Vermögensauskunft gebeten. Mit ihren Anrufen beim Jobcenter sei sie entweder nicht durchgekommen oder sie sei gebeten worden, noch mal anzurufen – um eine E-Mail-Adresse zu erhalten, bei der sie dann nachfragen könnte. Schwartau hat allerdings nicht an das Kundenreaktionsmanagement des Jobcenters gemailt.

Corona-Soforthilfe

Eine Zwischenbilanz nach zwei Monaten Coronahilfe für Selbstständige und kleine Unternehmen hat der Hamburger Senat vorgelegt.

Soloselbstständige stellten 67 Prozent der Anträge, Kleinstunternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern 22 Prozent.

Die meisten Anträge kamen mit je 14 Prozent aus Kultur und Unterhaltung sowie Handel und Kfz-Instandhaltung. 13 Prozent kamen aus dem Gastgewerbe, zwölf Prozent waren freiberufliche wissenschaftliche oder technische Dienstleister.

Knapp 9.400 künstlerisch oder kreativ Tätige stellten knapp ein Sechstel der Anträge. 3.100 Anträge stellten sonstige Freiberufler, wobei Architekten und Ingenieure oder Unternehmensberater extra zählen.

Zu dem Einzelfall konnten die Finanzbehörde und das Jobcenter angesichts der kurzen Frist der taz-Anfrage nichts sagen. Allgemein teilte die Finanzbehörde mit, dass seit Freischaltung des Soforthilfeportals zum 1. April 48.000 von 49.000 Anträgen bearbeitet worden seien – in Spitzenzeiten 8.000 Anträge pro Tag. 60 Prozent des ausgezahlten Geldes sei vom Bund gekommen. Hamburg habe das vom Bund bereitgestellte Geld um weitere 300 Millionen aus eigener Tasche ergänzt.

Damit könnten in Hamburg etwa auch Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern Corona-Soforthilfen beantragen, sagt Doreen Hotze von der Handelskammer Hamburg. „Hamburg hat eine breite Lösung geschaffen, die viele Aspekte abdeckt, aber natürlich reicht das nicht aus“, sagt sie. Bei manchen Unternehmen seien die Summen angesichts der tatsächlichen Kosten zu gering. Und für Corona-Kredite seien die Unternehmen oft zu jung und ihre Bilanzen noch nicht vorzeigbar genug.

Dazu komme, dass vielen Unternehmern trotz der Steuer- und Gebührenstundungen und der Kredite über kurz oder lang Privatinsolvenzen drohten, weil sie den verlorenen Umsatz nicht mehr aufholen könnten. Damit wäre ihnen eine erneute Firmengründung verbaut. „Da müssen neue Regelungen her, die coronabedingte Insolvenzen anders bewerten“, fordert Hotze.

Wie Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte, hat es bei dem Fördersystem zwar am Anfang viele Fragen gegeben, unterm Strich hätten aber „die positiven Rückmeldungen weit überwogen“.

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2 Kommentare

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  • 0G
    02195 (Profil gelöscht)

    Es ist zu hoffen, das bald Kohle kommt in diesem Fall und niemand alleine gelassen wird.

    Was mich aber erschreckt ist, das anscheinend kaum eine kleine, mittlere oder große Firma genug Rücklagen, genug Eigenkapital hat, um ein paar Monate ohne Einnahmen über die Runden zu kommen. Und das bei einer blühenden Wirtschaft vor Corona. Bei KünstlerInnen, Kulturschaffenden, etc. ist das ja noch verständlich, aber das große Firmen sofort Pleite zu gehen drohen, ist bedenklich. Hier sollte man, wie in der Banken und Finanzkrise, lernen und Firmen verpflichten künftig genug Rücklagen zu bilden für solche Fälle, damit erst mal eine gewisse Zeit überbrückt werden kann aus eigenen Mitteln. Der Staat kann nicht jedes Mal, bei der nächsten Pandemie, mit Schulden und Steuergeldern in zig-Milliarden-Höhe die Wirtschaft retten.

  • Was macht eigentlich die von Frau Schwartau nach vier Wochen Corona entlassene Büroangestellte? Es hat wirklich was von Kafka, dass jemand mit einer solchen beruflichen Vita nach ein paar Wochen Krise finanziell dermaßen in die Knie geht, dass er staatliche Leistungen beantragen muss. Ich meine das nicht zynisch, sondern es erschreckt mich zutiefst. Hinzu kommt, dass diese Coacherin seit mehreren Jahrzehnten anderen erklärt (siehe Referenzen auf ihrer Website), wie es zu laufen hat und damit Geld ihr Geld verdient hat(te).



    Unfassbar!