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Neue Baumschwebebahn im HarzHauptsache Fun

Der Tourismus im Harz läuft nicht von alleine gut. Deshalb werden immer neue Touristenattraktionen geschaffen. Leider.

Bau der Baumschwebebahn im Harz: Ein Hubschrauber setzt einen Träger Foto: dpa

D er Harz ist nicht erst seit Corona in Schwierigkeiten“ – schreibe ich und halte inne. Wie kann „Der Harz“ durch die Coronakrise in Schwierigkeiten gelangt sein? Bäume, Sträucher, Pilze, Gräser, Eichhörnchen, Greifvögel und Igel, sie sind doch von diesem Virus gar nicht betroffen?

Betroffen ist eher die Wirtschaftsregion Harz. Die Menschen, die im Harz leben und ihr Geld verdienen, die sind auf vielerlei Weise vom Virus betroffen, denn Tourismus gibt es gerade nicht und wird es vielleicht auch noch länger nicht geben. Den Bäumen und Eichhörnchen kann das egal sein. Pilzen und Igeln tut das vielleicht sogar gut. Denn im Großen und Ganzen sind Menschen, die einen Wald touristisch nutzen, für diesen Wald keine Bereicherung, im besten Falle sind sie nicht allzu störend.

Ich bin gerne im Wald, ich bin im Wald ja aufgewachsen, und ich besuche auch gerne den Harz, der in der letzten Zeit allerdings sehr trocken geworden ist. Die Klimakrise geht, anders als die Coronakrise, nicht am Nationalpark vorbei. Aber der Nationalpark muss natürlich mit den Menschen auskommen. Die Menschen, die Region, will von diesem Gut profitieren. „Von irgendwas leben“, nennt man das im Volksmund. Wenn ich im Harz wandern gehe, dann nutze auch ich den Harz, und auch das ist ohne Vorteil für die Pflanzen- und Tierwelt.

Aber vielleicht habe ich als Mensch das Recht, mich im Wald aufzuhalten. Irgendwie ist ja auch der Mensch, zwar als ihr größter Zerstörer, doch ein etwas entwöhntes und degeneriertes Teil von Mutter Natur. Ich bemühe mich natürlich, mich so wenig schädigend wie möglich zu verhalten, ich werfe nichts weg, ich gehe nicht von den Wegen ab und bin leise, so habe ich es auch den Kindern beigebracht.

Lou Probsthayn
Katrin Seddig

ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Vielen reicht die Natur nicht

Aber vielen Leuten reicht die „Attraktion“ Wald – Bäume, Sträucher, Pilze, Gräser, Eichhörnchen, Greifvögel und Igel –, einfach nicht aus, oder ist ihnen gar keine Attraktion. Ich stelle mir vor, wie Familie Schrönz aus Köln-Rodenkirchen sich erstaunt umblickt: „Wo ist denn hier die Attraktion? Überall nur Bäume und Luft und manchmal ein Reh, was soll ich damit anfangen, wo bleibt denn da der Fun?“

Dieser Enttäuschung will die Tourismusbranche natürlich vorbeugen, indem sie sich Attraktionen erschafft. In Braunlage haben sie einen kleinen See auf dem Wurmberg, damit sie Schnee herstellen können, wenn diese natürliche Attraktion der Skisaison ausbleibt. So weit sind wir ja nun schon lange, dass wir Schnee auch einfach selber herstellen können. Leider schmilzt auch künstlicher Schnee, dem stehen wir alle hilflos gegenüber, und so wird der Klimawandel irgendwann auch das Ende aller Schneekanonen einläuten.

Es ist dann wohl das Beste, sich auf andere Attraktionen, als die auf Schnee beruhenden, zu konzentrieren. Der Vorteil: Man wird die Wintersportarten, abgewandelt, irgendwann auch alle im Sommer ausüben können. Rollen unter die Ski, Kunstpisten für Schlitten, irgendsowas. Hauptsache Attraktion, Hauptsache Fun.

In Bad Harzburg gab es bisher schon eine schöne Attraktion: Den Baumwipfelpfad. Mit den Wipfeln der Bäume Aug’ in Aug’, den Wald auch mal von oben kennenlernen, das ist schon was anderes, als auf der Erde rumlatschen. Aber dann ist das vielleicht Jennifer und Justin aus Neumünster noch nicht Attraktion genug. Und deshalb wird es in Bad Harzburg künftig noch eine Touristenattraktion geben, die Baumschwebebahn! Das Schweben ist ja vielleicht gegenüber dem Laufen zwischen den Baumwipfeln eine sogar noch größere, die Gäste noch mehr anlockende Attraktion.

Und ich verstehe diese Notwendigkeit der Anlockung vollkommen, ich persönlich allerdings mache von jeher um jede Art von „Attraktion“ einen großen Bogen und hoffe sehr, dass am Ende dieser touristischen Attraktionenschöpfungswut noch Wald übrig bleibt, in dem die einzigen Attraktionen sind: Bäume, Sträucher, Pilze, Gräser, Eichhörnchen, Greifvögel und Igel. Wildbienen hoffentlich, und unendlich viele andere Tier- und Pflanzenarten, die im Harz heimisch sind und es hoffentlich noch lange bleiben.

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1 Kommentar

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  • ein gutes plädoyer ...

    für den harz.



    ostharz / bad sachsa