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Hass auf VanilleeisWie Roland Koch oder Schimmel

Er hat noch jeden Eiskaffee verhunzt! Vanilleeis ist das plump-klumpige Weihwasser der Generation Butterfahrt, eine perfide Biowaffe.

Schmeckt so scheiße, wie er aussieht: Vanilla Ice Foto: imago images/ZUMA Press

E s ist warm, also holen wir uns alle ein Eis. Basilikum-Zitrone, Schafswolle-Ingwer, Eiter-Glockenturm, oder, nein, doch lieber den Klassiker: Vanille, und, oh nein, jetzt ist es uns schon wieder passiert.

Vanilleeis passiert, wenn die Autorität eines Produkts die ihrer Konsument*innen so gewaltig überragt, dass es selbst im ungenießbarsten Zustand noch Aaaahh-Ooooohh-Wohlstandsgefühle und Ach-haben-wir-es-gut-Bescheidenheit hervorzaubert. Der Zombie unter den Eissorten verrichtet auch im Coronajahr sein modriges Werk, so wie Roland Koch oder Schimmel.

Tatsächlich sehen die schwarzen Punkte im Vanilleeis ziemlich genau aus wie Schimmel. Sie schmecken auch so. Eingeführt, eingerührt, um die Zweifel zu vertreiben, ob da denn „echte Vanille“ drin ist (ist niemals drin), lenken sie zumindest von der plumpen Klumpigkeit der weißbeigen Hauptmasse ab, die sich anfühlt wie ein mit Möwenscheiße geschmierter Block Butter. Sollten einmal alle Alpengletscher abgeschmolzen sein, wird man auf Vanilleeis statt auf Kunstschnee zurückgreifen, denn es ist billiger in der Herstellung und behält seine Konsistenz für Jahrzehnte.

Am liebsten im formschönen Zehnlitereimer serviert, ist der gefrorene Eiter so sinnlos wie eine Darmspiegelung ohne Spiegelung. Er hat noch jeden Eiskaffee verhunzt, noch jedes Taufbecken verödet. Das Weihwasser der Generation Butterfahrt, es ist unverdaulich: Wer nach dem Verzehr von Vanilleeis scheißt, erhält Vanilleeis. Ein Perpetuum mobile der ekligsten Art.

taz am wochenende

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Aus den Abfällen gemacht, die bei der Fleischerei und der Fliesenherstellung entstehen, leistet Vanilleeis einen wichtigen Beitrag zur Bruttowertschöpfung des Industriestandortes Deutschland. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es bei ihm im besten Falle mit einer maximal perfiden Biowaffe zu tun haben. Man riecht es nicht, es ist unbeweglich und tarnfarben – doch hat es einmal die Schwelle des Körpers überwunden, bringt es unaufhaltsam dessen Niedergang mit sich: Trägheit, schlechte Haut, Nörgelei.

Die kapitalistische Lebensweise verlangt nach solchen ekelhaft-mittelsüßen Pufferstoffen, um den Organismen, die sie verschleißt, bei vollem Tempo und vollem Preis den Anschein einer Pause zu gönnen. Das Leben ist kein Ponyhof, lehrt das Vanilleeis. Vanilleeis: Weil du mehr nicht wert bist. Vanilleeis: Muss halt weg. Vanilleeis: Gewöhn' dich dran.

Wie lange geht das noch? Wie lange hält ein Land das aus? Wohin führt das bloß? Fragen sich alle anderen Eissorten in heller Panik und schmelzen, bevor sie die notwendigen Schlüsse ziehen können, dahin.

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Adrian Schulz
Freier Autor
Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.
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7 Kommentare

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  • Ok, Milcheis ist ab 27° nicht das Richtige, aber im Kaffee doch recht nett. In meiner Jugend in den 70er Jahren hat man es in der Milchbar der mittelgroßen Stadt in ein Glas Coca-Cola reingeschmissen. Schäumte fürchterlich und war zu süß.

  • Wie die hier ab-„gedruckten“ Kommentare beweisen, sind die Geschmäcker überaus verschieden. Das gilt für Texte offenbar nicht weniger als für Speiseeissorten.

  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Der intelligenteste Text, der seit Langem in der taz erschienen ist.

  • Großartig! Selten hier so gut gelacht.

    Billigtiefkühlapfelstrudel wurde erfunden, um Vanilleeis genießbarer zu machen.

  • Ich zahl ja gerne jeden Monat meinen Beitrag für die taz.



    Aber für solche intelligenzfreien Machwerke?

  • Ist das jetzt eine Glosse für das Vanilleeis?

  • Dieser Text ist erheblich ekliger als das Vanilleeis.