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Kämpfe in LibyenTürkei bremst Haftar-Vormarsch

Das Eingreifen der Türkei hilft Libyens Regierung, die Haftar-Rebellen abzuwehren. Die Lage für Migranten wird derweil immer prekärer.

Die Feinde heißen Haftar und Coronavirus: Patrouille in Misrata Foto: reuters

Tunis taz | Eine dunkle Rauchsäule stieg am Montagmorgen über der libyschen Hafenstadt Sabratha in den Himmel. Augenzeugen berichten der taz am Telefon von mehreren Raketen auf das Hauptquartier der Wadi-Brigade, einer mehrheitlich salafistischen Miliz. Sie steht auf der Seite des ostlibyschen Rebellengenerals Chalifa Haftar und kontrolliert die Stadt.

Handyaufnahmen eines Anwohners zeigen den Abschuss einer Boden-Luft Rakete von einer vor der Küste kreuzenden Fregatte. Bewegungsdaten und Vergrößerungen der Video deuten auf eine türkische Fregatte der Gabya-Klasse hin. Libysche Journalisten haben mindestens zwei davon gesichtet.

Die Türkei unterstützt Libyens international anerkannte Einheitsregierung in der Hauptstadt Tripolis. Mit den Aufnahmen des Raketenbeschusses in Sabratha wurde nun erstmals in der von heftigen Kämpfen getroffenen Küstenregion von Surman und Sabratha ein ausländischer Militäreinsatz gefilmt.

Nachdem es Anfang April der Haftar-Rebellenarmee LNA (Libysche Nationalarmee) gelungen war, mehrere Orte an der tunesischen Grenze zu erobern, scheint sich das Blatt in Libyens Krieg nun zugunsten der Einheitsregierung zu wenden – dank des türkischen Eingreifens.

Bayraktar-Kampfdrohnen, Korkut-Luftabwehrpanzer und das Eingreifen der beiden Fregatten vor der libyschen Küste haben Haftar in die Defensive gedrängt. In dem südlich von Misrata gelegenen Verkehrsknotenpunkt Abu Grein konnten Einheiten der Einheitsregierung am Sonntag einen Angriff von Haftars Einheiten abwehren und schossen einen Mig-Kampfhubschrauber ab.

Noch existiert Irini nur auf dem Papier

Das nun massive Eingreifen der Türken in Libyen findet zeitgleich mit dem Aufbau der EU-Marinemission Irini statt, mit der die EU mit Nato-Hilfe vor der ostlibyschen Küste das seit 2011 bestehende Waffenembargo überwachen will. Der Einsatz vor der ostlibyschen Küste betrifft vor allem die Nachschubwege aus der Türkei.

Noch existiert Irini nur auf dem Papier, aber vor Ort wird bereits gehandelt. Libysche Kommandeure aus Misrata berichten der taz von einer französischen Fregatte, die über mehrere Monate vor der Hafenstadt kreuzte und einige ankommende Containerschiffe zum Abdrehen aufforderte.

Bei Haftars Luftangriffen auf die von türkischen Spezialisten geleitete Luftwaffenakademie in Misrata fiel regelmäßig das Luftabwehr-Radar sowie sämtliche Kommunikationswege aus, so die Offiziere. „Wir sind sicher, dass es französische Spezialisten auf Seiten von Haftar eingreifen, zum Beispiel mit der Störung von Funksignalen“, behauptet ein libyscher Pilot.

Direkt durchs Kampfgebiet

Die Routen der immer noch aus Afrika südlich der Sahara nach Libyen kommenden Migranten führen nun direkt durch das Kampfgebiet. Laut der UN-Migrationsorganisation IOM verweigert die Behörden in Tripolis auf dem Mittelmeer geretteten Migranten zugleich aufgrund möglicher Corona-Infektionen den Zutritt zu libyschem Boden.

280 Menschen hatte die libysche Marine am vergangenen Woche aus Schlauchbooten vor der Küste gerettet. Nach Rückkehr der Patrouillenboote in den Hafen von Tripolis mussten die aus Subsahara-Afirka stammenden Menschen an Bord ausharren und wurden von der IOM notdürftig versorgt. Am Sonntag flohen viele der an Bord hungernden Menschen unter unklaren Umständen in die Altstadt, berichten Hafenmitarbeiter.

Eine unbekannte Zahl soll an die tunesische Grenze gebracht werden. Die Leiter der Aufnahmezentren für Migranten in Westlibyen sind nicht mehr bereit, Gerettete aufzunehmen, da sie einen Ausbruch von Cov-19- Erkrankungen befürchten.

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1 Kommentar

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  • Eine wirklich neue Eskalationsstufe.

    Mal schauen wie es die verbündeten der parlamentarisch gewählten Regierung von Haftar, auf dessen Seite das lybische Parlament ist.

    Wer waren nochmals die die verbündeten Frankreich, Russland, USA und wahrscheinlich auch die African Union.