piwik no script img

Die Deutsche Bahn und das VirusGemeinwohl vor Gewinn

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

In der Corona-Krise macht das Management der Deutschen Bahn gerade vieles richtig. Gemeinwohl gilt vor Gewinn- das wäre auch dauerhaft gut.

Menschenleeres Gleis am Münchner Hauptbahnhof Foto: dpa

D ie Deutsche Bahn lässt Züge fahren, die kaum ausgelastet sind; sie hält einen großen Teil ihres Angebots aufrecht. Denn wer in diesen Tagen reist, der oder die wird am Zielort dringend gebraucht. Fahrgäste sollen nicht in vollen Zügen fahren, sondern ebenso wie das Personal vor einer möglichen Infizierung mit dem Coronavirus bestmöglich geschützt werden.

Das Management der Deutschen Bahn macht in diesen schwierigen Zeiten vieles richtig. Bahnchef Richard Lutz und mit ihm der angeschlagene Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schauen nicht auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen des zu 100 Prozent in Staatsbesitz befindlichen Konzerns. Ihnen ist die gesellschaftliche Verantwortung der Bahn wichtiger. Das heißt: Gemeinwohl geht vor Gewinn. Gut so!

Leider ist das alles andere als selbstverständlich. Denn die Deutsche Bahn hat noch immer die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Das festgeschriebene Ziel des Konzerns ist es, Gewinne zu erwirtschaften. Es ist richtig, dass sich die Verantwortlichen jetzt daran nicht halten. Sie können sich über diese Vorgabe hinwegsetzen, weil der Bahnkonzern dem Staat gehört.

Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn das Unternehmen wie ursprünglich geplant an die Börse gegangen wäre. Dann würden jetzt AnalystInnen und InvestorInnen Druck auf die Konzernführung ausüben – und ganz sicher nicht mit Blick auf das, was die BürgerInnen jetzt brauchen, sondern auf das, was den Aktienkurs stützt. Das sind sicher keine Züge mit einer Auslastung von 15 Prozent.

Der letzte große Konjunktureinbruch, die Finanzkrise, hat verhindert, dass die Bahn an die Börse ging. Der Bundesregierung war seinerzeit das Risiko zu groß. Die Coronakrise kann für die Bahn eine Chance zur Erneuerung sein, wenn VerkehrspolitikerInnen die Gelegenheit für eine große Reform nutzen. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern vor allem um das Selbstverständnis. Die Bahn darf sich nicht nur in Krisenzeiten dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    Meine volle Zustimmung.

    Was passiert wäre, wenn die Bahn nicht mehr in Staatshand gewesen wäre, sieht man bei Flixbus. Da dreht sich kein Rad mehr.