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Spielplätze in der CoronakriseNein, macht sie bloß zu!

Kommentar von Frederic Valin

In Berlin bleiben Spielplätze teils weiterhin offen. Das ist zutiefst unsolidarisch – und es wird Leben kosten.

Auf einem Hamburger Spielplatz im März: Hund Hagen ganz allein Foto: Daniel Reinhardt/dpa

A m Dienstag ging es zunächst hin und her, dann hat der Berliner Senat schließlich beschlossen, die Spielplätze offen zu halten. Einen Artikel in der taz, in dem für das Offenhalten der Spielplätze argumentiert wird, verlinkte Kultursenator Klaus Lederer zustimmend, als er die Entscheidung verkündete.

„Ist es wirklich sinnvoll, nun die Jungen einzusperren, um die Älteren zu schützen? Müsste es nicht umgekehrt sein?“, stand da, als wäre nicht längst klar, dass es natürlich nicht nur die Alten trifft. Dann kommt, was Kinder alles dürfen müssten: spielen, frei sein, unbeschwert leben. Und zu guter Letzt der Hinweis, dass gerade Kinder aus armen Familien besonders betroffen seien von einer Schließung.

Kinder haben häufig Eltern, und diese Eltern sind gerade belastet. Besonders belastet sind – das stimmt – Menschen, die prekär leben. Diese Menschen leben besonders oft mit Vorerkrankungen; sind also in der jetzigen Krisensituation besonders gefährdet. Ganz düster wird es, denkt man an chronisch kranke Alleinerziehende. Papa hat dann einmal die Woche Umgang und bringt das Kind fröhlich zum Spielplatz, weil ist ja erlaubt. Und er will ja das bessere Elternteil sein: Das Kind soll Spaß haben, mit vielen Kindern.

Am Spielplatz steckt sich das Kind dann mit relevanter Wahrscheinlichkeit an. Beim Kind verläuft die Erkrankung asymptomatisch, bei der Mutter nicht. Ist die Vorerkrankung schwer genug, stirbt sie.

Alle mitdenken

Am Mittwoch begannen dann erste Berliner Bezirke, die Spielplätze doch zu schließen. Es ist auch widersinnig, ausgerechnet die Spielplätze offenzulassen. Da gibt es die geringste Möglichkeit der Kontrolle. Da auf selbstverantwortliches Handeln zu setzen, wie die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci es tut, ist illusorisch, das hat ja schon bei den Erwachsenen nicht funktioniert.

Solidarische Politik denkt alle mit und spielt nicht die armen Kinder gegen die Gefährdeten aus.

Diese Entscheidung vergrößert die Einsamkeit und die Verzweiflung jener, die in dieser Gesellschaft eh schon alleingelassen werden; die müssen jetzt auch noch ihrem Kind erklären, warum alle auf den Spielplatz dürfen, nur das Kind nicht. Alle Kinder spielen vor dem Haus, nur nicht Magda, weil ihre Mutter arm und krank ist. Man kann nicht das Leben weniger opfern, um die Nerven der vielen zu schonen. Es braucht andere Lösungen.

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5 Kommentare

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  • Ist erstaunlich, wenn an Risikogruppen arm und alleinerziehend nur in Zeiten von Epedemien gedacht wird. Bei einer Schließung von Kindergärten können Alleinerziehende nicht mehr arbeiten, und dann fehlt das Geld für Nahrung und Miete. Muss sich dann eine solche Person bei der Arge oder dem Sozialamt anstellen (eventuell mit Kind), dann gibt es besonders gute Chancen einer Infektion. Viele Menschen heutzutage haben von einer Regelung mit Kurzarbeitergeld überhaupt nichts.

  • Ich schätze mal, dass uns die Diskussion pro und contra Spielplatzschließungen in ein paar Wochen ziemlich grotesk erscheinen wird.

    Wenn die Ausgangssperre verhängt ist und die ersten Behelfs-Krankenhäuser geöffnet haben.

  • Dann treffen sich die Kinder halt woanders. Kann ich schon draußen sehen: Sonnenschein und die Kinder fahren fröhlich mit dem Roller durch die Gegend. Fünf Wochen einsperren: Lächerlich!

    Und wer meint die Schulpause schützt die Alten: Pusteblume, die passen jetzt auf die Kinder auf. Dementsprechend sind die Schulschliessungen Quatsch.



    Meine Empfehlung: überregionalen Personverkehr unterbinden um lokale Begrenzungen zu erreichen, allgemeine Hygienemassnahmen und die Isolierung von Risikogruppen. Und genau diese Gruppe kann dann solidarisch geholfen werden durch großzügige Krankengeldlösungen, engmaschige Testung der Person die noch direkten Kontakt haben müssen (Einkaufen, Fürsorge, Beistehen,...) und einfach Zuspruch.

    • @Andi S:

      Wie zu dem genau anders lautenden Artikel schon mehrfach angemerkt, scheint sich auch in Italien ein schwerer bis lebensbedrohender Krankheitsverlauf nicht mehr nur auf sogenannte Risikogruppen zu beschränken.



      Und klar, es trifft immer die Armen zuerst. Aber, wie auch schon anderswo angemerkt, auf einem fremden Arsch ist halt auch immer am besten durch´s Feuer reiten.



      Soll heißen, wer nicht zu einer "Risikogruppe" gehört, hat erst mal leicht reden.

  • Wie es im Artikel steht, weil sich die Erwachsenen nicht einschränken wollen, müssen es eben die Kinder.



    Ist es richtig? Wahrscheinlich. Trifft es die mehr, die auf solche Freiräume angewiesen sind, weil keinen Garten, keinen Raum? Ganz sicher.



    Ist es in der Situation wichtig, ob es richtig ist? Wird vielleicht mal beantwortet, momentan ist es das wohl nicht.



    Aber ist es richtig, die, die von Corvid am meisten betroffen sind, also >60 Jahre alt, oder nicht fit, einfach so herumhüpfen zu lassen?



    Ganz sicher nicht.



    Nachdem aber (auch) die sich natürlich nicht einschränken wollen, wirds darauf hinauslaufen, dass alle richtig eingeschränkt werden. Ab spätestens Freitag ist dann wohl Ausgangssperre im Land.