Berlin hat ersten Corona-Fall: Die Lage ist hochpositiv
Am Sonntag wurde ein Mann in der Charité positiv getestet. Der Befund war zufällig entdeckt worden – der Mann wurde zunächst entlassen.
Berlin hat seinen ersten Corona-Fall – und der Positiv-Befund eines 22-Jährigen aus Mitte am Sonntagabend war lediglich ein Zufallstreffer. Laut dem ärztlichen Direktor der Charité, Ulrich Frei, hatte sich der junge Mann am frühen Sonntagmorgen zum ersten Mal in der Rettungsstelle des Virchow-Klinikums im Wedding gemeldet.
Dilek Kalayci (SPD), Senatorin
Weil er aber eine „völlig andere Symptomatik“ an den Tag gelegt habe als bisher typischerweise bei einer Corona-Infektion bekannt und auch ein Influenza-Test negativ gewesen sei, habe man den Mann am späten Vormittag zunächst wieder nach Hause entlassen, sagte Frei am Montagmittag auf einer Pressekonferenz im Haus von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD).
Die glückliche Fügung, Frei sprach lieber von einem „gezielten Zufall“: Weil man an der Charité seit einer Woche standardmäßig Doppeltests auf Influenza und das Coronavirus Covid-19 durchführe, habe man am Abend gegen 21 Uhr das „hochpositive“ Testergebnis erhalten. Der Mann befinde sich jetzt isoliert auf der Virologie-Station des Virchow-Klinikums. Ohne diese „interne Regelung“, so Frei, „würde er noch draußen rumlaufen“.
Senatorin Kalayci sagte am Montag, sie habe bereits in der Gesundheitsministerkonferenz angeregt, die Doppeltests verpflichtend zu machen für die Kliniken. „Bisher gibt es da aber keine Einigung.“ Mit dem Patienten habe sie am Morgen telefoniert, sein Zustand sei „stabil“, es gebe laut den Ärzten sogar „Zeichen der Besserung“.
Erkältet? Hausarzt anrufen. „Jeder Arzt entscheidet individuell, ob er die anrufenden Patienten testen wird und wann er in seine Praxis bittet“, sagt Burkhard Ruppert, Kassenärztliche Vereinigung.
Verdachtsfall ist, wer Symptome hat und/oder Kontakt zu einer Person aus einem Risikogebiet. Zu Hause bleiben, die Hotline des Senats anrufen: 030/90 28 28 28. Das Gesundheitsamt kommt, testet und organisiert ggf. den Transport in die Notaufnahme. (taz)
Wo sich der Mann selbst infiziert haben könnte, sei noch unklar, allerdings führe „eine leichte Spur nach NRW“, so Frei. Die Eltern des Mannes lebten dort und hatten ihren Sohn in der Vorwoche in Berlin besucht. Sie würden jetzt ebenfalls getestet, seien bisher aber symptomfrei.
Fiebriger, desorientierter Patient
Der 22-Jährige war noch am Samstag zum Impfen ins Tropeninstitut der Charité gegangen, weil er eine längere Reise plante. Abends habe er Fieber bekommen, in der Nacht zu Sonntag habe sich sein Zustand weiter verschlechtert. In der Rettungsstelle sei dann ein „fiebriger, desorientierter Patient“ eingeliefert worden, sagte Frei, mit „Symptomen einer oberen Atemwegsinfektion“.
Trotzdem tippten die behandelnden Ärzte zunächst nicht auf Corona. Stattdessen habe man eher einen neurologischen Befund erwartet und etwa zunächst eine Hirnhautentzündung ausgeschlossen, sagte Charité-Direktor Ulrich Frei.
Die ambulante Notaufnahme des Virchow-Klinikums soll laut Frei am Dienstagmorgen wieder öffnen. Bis dahin leite man alles in die chirurgische Rettungsstelle um. Nach dem positiven Testergebnis habe man die Ambulanz noch in der Nacht zu Montag geschlossen. Acht MitarbeiterInnen, die ohne besonderen Schutz in Kontakt mit dem Mann waren, bevor das positive Testergebnis da war, seien für 14 Tage in die häusliche Quarantäne geschickt worden.
Insgesamt sei der Mann mit etwa 60 Menschen in Kontakt gekommen – „das ist das, was wir bisher ermittelt haben“, betonte Lukas Murajda, Leiter des Gesundheitsamts des Bezirks Mitte. Die Devise für seine MitarbeiterInnen sei jetzt: „Isolieren, finden, testen“, sagte Murajda, da sei man bereits die ganze Nacht dran gewesen.
Unklar blieb, wie lange man diese Linie rein ressourcenmäßig in den bezirklichen Gesundheitsämtern aufrechterhalten kann, sollten sich Fälle häufen. Dass es weitere geben wird, daran hatte Murajda am Montag keinen Zweifel: „Das ist nur eine Frage der Zeit.“
Dennoch wollte Kalayci am Montag nicht über eine teilweise Abriegelung von Stadtteilen sprechen, wie es ihr Amtskollege Innensenator Andreas Geisel (SPD) vergangene Woche bereits getan hatte. „Da bräuchten Sie den Katastrophenschutz, und das ist ein großes Wort. Wir sind momentan beim Krisenmanagement.“ Auch Geisel hatte über die hypothetische Abriegelung von Stadtteilen in Zusammenhang mit einem Katastrophenschutzfall gesprochen. Würde Corona zum Katastrophenfall werden, wäre der Innensenator zuständig.
Bisher seien auch noch keine LehrerInnen oder ErzieherInnen unter den Kontakten des jungen Mannes ausfindig gemacht worden. Deshalb müsse man also „zum jetzigen Zeitpunkt“ noch nicht darüber reden, ob Schulen oder Kitas geschlossen werden müssen, sagte Kalayci.
Lage neubewertet
Die Ergebnisse der Tests werden für spätestens Dienstagmorgen erwartet. „Dann“, sagte Kalayci, „müssen wir schauen und gegebenenfalls noch mal neu bewerten“.
Neu bewertet hat man die Lage nach Sonntagabend auch für die Rettungsstellen und die hausärztlichen Praxen. Dorthin sollen sich alle wenden, die glauben, bei sich typische Corona-Symptome zu bemerken (siehe Infokasten). Allerdings habe man, auch nach Rücksprache mit der Kassenärztlichen Vereinigung, den Eindruck, dass viele Hausärzte mit der Situation überfordert seien – sowohl was die Menge der Anfragen als auch die Entscheidung für oder gegen einen Test angehe, sagte Kalayci. Zudem wolle man zukünftig verhindern, dass man ganze Rettungsstellen für 24 Stunden vom Netz nehmen müsse, wie jetzt geschehen.
Ab Dienstagmorgen soll es deshalb eine gesonderte Anlaufstelle für „Abklärungsfälle“ auf dem Gelände des Virchow-Klinikums geben. Man habe ein Haus auf der Mittelallee des Campus sowie ein Extra-Zelt mit Wartebereich eingerichtet. Frei betonte: „Das ist keine Anlaufstelle für ganz Berlin. Es geht darum, Verdachtsfälle abzuklären und die Arztpraxen zu entlasten.“ Kalayci sagte, diese dezentrale „neue Struktur“ sei an mehreren Kliniken angedacht.
Ansonsten hatte die Senatorin noch eine ganz praktische Botschaft: „Kaufen Sie Seife und vergessen Sie nicht, sich die Hände zu waschen. Und bitte stecken Sie niemanden an.“
inland 7, berlin 22,
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen