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AfD auf dem KiekerSchwesig will beobachten lassen

Die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern fordert, das der Verfassungsschutz die AfD beobachtet.

Öffnet dem Verfassungsschutz die Augen: Manuela Schwesig (SPD) Foto: dpa

D er Zeitpunkt der Forderungen von Manuela­ Schwesig (SPD) war vermutlich bewusst gewählt:­ Drei Tage vor der Neuwahl eines Ministerpräsidenten­ in Thüringen forderte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-­Vorpommern die CDU auf, sich klarer im Kampf gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Alle „demokratischen Parteien“ müssten ein Kooperationsverbot zu der AfD „auf allen Ebenen“ einhalten, schrieb sie in einem Gastbeitrag für t-online.

Schwesig fordert darin auch die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Die Partei sei mitverantwortlich für die gestiegene Gewalt von rechts. „Verbale Munition endet­ oft in physischer Gewalt“, schrieb sie. Und „wenn AfD-Funktionäre auf öffentlichen­ Versammlungen zu Umstürzen aufrufen, müssen sie sich ihrer Verantwortung gewiss sein, dass dies bei Einzelnen zu Gewalttaten führen kann.“ Die Meinungsfreiheit dürfe nicht missbraucht werden, um Rassismus zu rechtfertigen. Meinungspluralismus höre da auf, wo Menschen in ihrer Würde angegriffen oder verletzt­ würden.

Die rassistisch und antisemitisch motivierten Attentate in Halle und Hanau sowie die Angriffe­ auf Engagierte, Bürgermeister oder Abgeordnete zeigen laut Schwesig, wie ernst die Lage sei. Wir müssten auch mit der Mär vom Einzeltäter aufhören. „Sie radikalisieren sich in einem spezifischen Umfeld“, schrieb sie. „Keiner­ wird als Rassist geboren.“

Schwesig befeuert damit die anhaltende Auseinandersetzung um die Einordnung der Partei. Die AfD als Gesamtpartei gilt beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bisher als Prüffall, was eine Vorstufe des Verdachtsfalls ist. Als solcher, der wiederum eine Vorstufe einer möglichen Beobachtung ist, wird seit Januar vergangenen Jahres der „Flügel“ geführt. Er wird maßgeblich von Björn Höcke­ und Andreas Kalbitz geführt, den AfD-­Landtagsfraktionsvorsitzenden in Thüringen und Brandenburg.

Wie bedeutend ist der „Flügel“ in der AfD?

Das parteiintern organisierte Netzwerk soll nach dem Bundestagsfraktionsvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland, der selbst bei „Flügel“-Veranstaltungen spricht, bis zu 40 Prozent der AfD-Anhänger vereinen.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung will das BfV schon sehr bald bekannt geben, dass der Flügel ein Beobachtungsfall wird. Inwieweit aber das BfV die Einschätzung vieler Beobachter teilt, dass eine klare Abgrenzung zwischen Flügel und Gesamtpartei nicht möglich ist, ist nicht öffentlich­ bekannt.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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