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Unternehmerin über Geflüchtete mit Job„Wir sind froh, dass wir sie haben“

Antje von Dewitz kämpft dafür, dass Geflüchtete mit Arbeitsvertrag nicht abgeschoben werden. Ein Gespräch über Engagement und Geschäft.

In der Manufaktur des Bergsportausrüsters Vaude arbeiten inzwischen 13 Geflüchtete Foto: Nicole Maskus-Trippel
Benno Stieber
Interview von Benno Stieber

taz: Frau von Dewitz, Sie haben die Unternehmer-Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“ gegründet. Wie kam es dazu?

Antje von Dewitz: 2016 haben wir im Unternehmen angefangen, Verantwortung für die Integration von Geflüchteten zu übernehmen. Damals dachten wir noch gar nicht daran, Leute einzustellen, weil wir gar keine freien Stellen hatten. Stattdessen haben wir Nähworkshops angeboten, oder einen Tag der offenen Tür, auch Freizeitangebote.

Das war erfolgreich?

Wir haben festgestellt, dass das Interesse an unseren Freizeitangeboten sehr gering war, aber das Interesse der meisten Geflüchteten, ganz schnell einen Job zu kriegen, riesengroß. Da gab es einige Leute, die sich mit textiler Verarbeitung auskannten, zum Beispiel nigerianische Designer oder afghanische Näher. Die haben dann erst einmal Praktika bei uns gemacht.

Wie viele Geflüchtete arbeiten heute bei Ihnen?

Heute beschäftigen wir 13 Geflüchtete. Diese Integration war eine richtig taffe Zeit für uns. Es gab viel Hilfsbereitschaft im Haus, durch Mitarbeiter, die Patenschaften übernommen haben, die mit zu Ämtern gegangen sind und Deutschkurse organisiert haben. Das ist alles mit viel Aufwand verbunden. Die meisten hatten noch nie in einem Unternehmen gearbeitet, schon gar nicht in einem deutschen.

Klingt als hätten alle an einem Strang gezogen.

Ja schon. Aber gleichzeitig haben wir auch festgestellt: Oh, es gibt bei uns im Haus aber auch die gleichen Ängste, wie im Rest von Deutschland. Wir haben dann angefangen, Integration und Diversität auf die Tagesordnung zu setzen und die Führungskräfte entsprechend zu schulen. Zugleich habe ich aber auch eine harte Kante gezeigt und gesagt: Wer das nicht möchte, der muss sich fragen, ob wir das richtige Unternehmen für ihn sind. Es war ein langer, teurer und anstrengender Prozess. Aber das Ergebnis ist, dass unsere Mitarbeiter gut integriert sind, einen wertvollen Beitrag leisten und das Team geschlossen hinter ihnen steht.

Sie hätten es sich ja auch einfacher machen können.

Im Interview: Antje von Dewitz

Antje von Dewitz, Jahrgang 1972, ist Geschäftsführerin des Bergsportausstatters Vaude. Anfang 2018 gründete sie gemeinsam mit dem Brauunternehmer Gottfried Härle die Initiative „Bleiberecht durch Arbeit“.

Ja und nein, denn wir sind schon auch auf die geflüchteten Mitarbeiter angewiesen. Bei uns in der Region gibt es praktisch keine Arbeitslosigkeit und allgemein wenig Interessenten für diese Art von handwerklichen, produzierenden Arbeitsplätzen, die es in unserer Manufaktur gibt. Es ist da schwierig jemanden zu finden. Wir sind also froh, dass wir sie haben.

Sie haben alles gemacht wie es sich die Bundesregierung nach 2015 von Unternehmern gewünscht hat.

Genau, so hatte ich das damals auch verstanden. Wir wurden dann für unser Engagement auch zweimal ausgezeichnet. Einmal auf nationaler Ebene und einmal vom Land. Und zwei Wochen nach der Preisverleihung kamen bei unseren Angestellten die ersten Abschiebebescheide ins Haus. Das war wie ein Schlag ins Gesicht, wir konnten es nicht fassen.

Was sagen Ihnen denn die Politiker, die Ihnen eben noch Preise verliehen haben, wie so etwas sein kann?

Das Regierungspräsidium zum Beispiel hat das ganz gut zusammengefasst: Die Geflüchteten sollten arbeiten, damit die Sozialkassen entlastet werden, nicht damit sie bleiben.

Eine offene Auskunft.

Wissen Sie, ich verstehe ja: Es gibt kein richtiges Einwanderungsgesetz sondern nur ein Asylrecht, und die Geflüchteten sind über das Asylrecht gekommen und dürfen nur bleiben, wenn es einen Asylgrund gibt. Das ist so. Aber das verschleiert ja, dass 2015 niemand wusste, wer ein Recht hat zu bleiben und wer nicht.

War der Aufruf zur Integration nur ein Lippenbekenntnis?

Nein, es gibt schon sehr viele Politiker, die uns recht geben. Aber ich höre halt auch, dass sie Angst haben, den rechten Rand zu stärken, wenn sie gut Integrierte ohne Asylgrund hier behalten. Mein trauriger Eindruck ist, dass Politik nicht gestaltet, sondern aus Angst vor Kräften von rechts zögert und damit Unsinn zulässt.

Politiker sagen auch, es kann nicht sein, dass Unternehmer mittels Arbeitsvertrag entscheiden, wer im Land bleiben darf und wer nicht.

Auch das kann ich im Prinzip nachvollziehen, aber genau aus diesem Grund wurde ja im Beschäftigungsduldungsgesetz, das seit 1. 1. 2020 gilt, ein Stichtag vorgesehen. Es gilt nur für Menschen, die bis 1. 8. 2018 ins Land gekommen sind. Wenn das Gesetz also halten würde, was es verspricht, würde es eben einen Spurwechsel aus dem Asyl in die Einwanderung für jene ermöglichen, die zwischen 2015 und 2018 gekommen sind. Aber leider ist das Gesetz bewusst so gestaltet worden, dass es eine Farce ist.

Abschiebung von Beschäftigten: Die gesetzliche Situation

In Baden-Württembergs grün-schwarzer Koalition gab es wochenlang Streit darüber, ob ausreisepflichtige Asylbewerber, die bestens integriert sind, abgeschoben werden dürfen oder nicht.

Die Grünen, aber auch Teile der CDU kritisieren Innenminister Strobl, weil er es immer wieder zuließ, dass Geflüchtete, die sich integriert haben und allein für ihren Lebensunterhalt aufkommen, abgeschoben werden und blockierten deshalb ein bereits vereinbartes Polizeigesetz.

Diese Woche einigten sich die Koalitionspartner dann darauf, dass solche Fälle der Härtefallkommission vorgelegt werden sollen. Gleichzeitig setzt sich die baden-württembergische Landesregierung über den Bundesrat für eine Liberalisierung des Bundesgesetz ein.

Was sagen Sie Ihren geflüchteten Mitarbeitern?

Wir sagen Ihnen, dass wir alles tun, damit sie bleiben können. Aber unsere Rolle gibt wirklich Anlass zu Zynismus: In Baden-Württemberg wird häufig gerade in den Unternehmen abgeschoben. Weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz ordentlich zur Arbeit kommen, weiß die Polizei, dass sie sie dort antrifft. Bei uns ist das aber zum Glück noch nicht passiert.

Wer ist bei der Unternehmer-Initiative dabei?

Das sind mittlerweile fast 200 Unternehmen, vor allem in Baden-Württemberg: Handwerksbetriebe, Metzgereien, Pflegeeinrichtungen bis hin zur Deutschen Post oder der EnBW. Bei einer Pressekonferenz in Berlin haben wir auch Verbände aus Sachsen und Sachsen-Anhalt kennengelernt, die sich aus dem gleichen Grund gegründet haben. Auch dort mangelt es an Arbeitskräften für einfache anzulernende Tätigkeiten.

Und alle Mitglieder sind Überzeugungstäter, wie Sie?

Das ist eine bunte Mischung. Wir haben einen Unternehmer, der beschäftigt 60 Geflüchtete, für den hängt eine Menge davon ab. Wir haben Metzgereien oder Handwerker dabei, die können den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten, wenn ihre Hilfskräfte abgeschoben werden. Dann gibt es Unternehmer, die sich mit Herz und Seele für ihre Geflüchteten eingesetzt haben. Die gehören dann fast zur Familie.

Die Regierungskoalition in Ihrem Bundesland hat sich ja jetzt geeinigt, Fälle von Beschäftigten, denen die Abschiebung droht, dem Härtefallausschuss vorzulegen. Ist das Problem in Baden-Württemberg damit gelöst?

Wir begrüßen die Einigung grundsätzlich, aber leider hat dieser Beschluss einen großen Haken: Die Änderung gilt nur für Geflüchtete, die vor dem 29. 2. 2016 nach Deutschland gekommen sind und schränkt damit den Personenkreis extrem ein. Hinzu kommt, dass die Empfehlungen der Härtefallkommission derzeit in Baden-Württemberg bei mindestens 50 Prozent der Fälle abgelehnt werden. Daher ist der Beschluss leider kein Anlass zu großer Hoffnung.

Wie hoch ist der Frust unter den Unternehmern?

Die Stimmung ist: Ausgerechnet die Partei, die sich als Anwalt des Mittelstandes darstellt, macht so einen ökonomischen Unsinn. Dabei sind sich in der Union nicht mal alle einig in dieser Frage. Die CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann und auch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sprechen sich für andere Lösungen aus.

Kostet Sie das gesellschaftliche Engagement als Unternehmen nicht auch Kunden?

Manche wenden sich von uns ab, aber andere wenden sich uns aber auch bewusst wieder zu. Wenn ich Interviews zu unseren Engagement für Geflüchtete gebe, dann geht eine Welle von Hass über mich nieder. Aber wir engagieren uns ja ganz bewusst für Themen, die wir für richtig halten. Spätestens seit Trump haben wir gesagt, die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft muss sich ändern. Und wenn ich als Unternehmerin, die es gewohnt ist, auch mal im Sturm zu stehen, zurückweiche, wie soll es da den anderen in der Gesellschaft gehen, die sich engagieren?

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2 Kommentare

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  • Gute Arbeit, die VauDe schon lange macht, auch im Bereich Fairtrade und Nachhaltigkeit. Schade dass nicht mehr Unternehmen dem Beispiel folgen. Ich werde auf jeden Fall das nächste Mal, wenn ich Wanderzubehör brauche, bei VauDe einkaufen.

  • Danke an die TAZ für diesen Artikel. Er macht Hoffnung, dass es doch noch ein Engagement aus der Wirtschaft heraus gibt, sich für ihre geflüchteten Arbeiter*innen, Kolleg*innen, Azubis etc. einzusetzen. Das Perverse dabei, wer regelmäßig zur Arbeit geht, ist für die Behörden ein leichtes Opfer. Denn sein/ihr Aufenthaltsort ist bekannt und sie sind somit leichter abzuschieben.



    Das Argument mit der Angst vorm rechten Rand - wenn man gut Integrierte, die Arbeit haben nicht abschiebt - kann mittlerweile aber auch nur noch als vorgeschobener Grund gelten. Die bisher schon weitreichend erfolgten Zugeständnisse nach rechts was z. B. das Asyl- und Aufenthaltsrecht betrifft, haben weder die Todesschüsse in Hanau, den Anschlag in Halle oder den Mord an Walter Lübcke verhindert. Von daher kann eigentlich nur noch von politischem Irrsinn gesprochen werden, wenn man kleine Betriebe lieber kaputt gehen lässt, indem man ihnen ihre Arbeiter*innen weg nimmt.



    Und warum sollten die Betriebe in dieser Hinsicht keine Zugeständnisse erwarten können? Wenn es um Steuersenkungen, niedrigere Sozialabgaben, weniger Umweltschutz etc. geht, folgt die Politik doch weitgehend auch deren Wünschen - zumindest wenn es um Großlobbyisten (Auto- oder Agrarindustrie) geht.