Gore-Tex-Erfinder gestorben: Uniformiert, aber frei

Das Alternativmilieu hat Robert W. Gore viel zu verdanken. Ohne sein wasserabweisendes Gewebe ließe sich der Traum vom Landleben nicht erfüllen.

Portrait

Robert W. Gore, fröhlicher Erfinder der Gore-Tex-Technologie Foto: Eric Crossan/ap

Am vergangenen Donnerstag verstarb im Alter von 83 Jahren Robert W. Gore, der US-amerikanische Erfinder der Gore-Tex-Technologie. Das Andenken dieses Revolutionärs der wetterfesten Kleidung nicht zu würdigen wäre unverzeihlich – und unsere kleine Zeitung steht hier besonders in der Pflicht.

Denn das alternative Milieu, das die taz gleichzeitig trägt und abbildet, ist ohne die 1969 von Gore entdeckte wasserdichte Membran nicht denkbar. Interessant sind dabei an dieser Stelle weder die technischen Details noch die durchaus vorhandenen Kritikpunkte, was Funktionstüchtigkeit und Umweltverträglichkeit des Materials angeht.

Was der Chemiker Gore erfand, ist vielmehr zu einem soziologischen Phänomen geworden. Die wetterfeste Outdoormode geriet besonders für Städ­ter:innen zum unverzichtbaren Accessoire der Landsehnsucht, zum Statussymbol des allzeit auf alle meteorologischen Unwägbarkeiten vorbereiteten Checkers, der, in sein Gore-Gewand gehüllt, gerade auch für die im Milieu regelmäßig beschworene Apokalypse bestens vorbereitet war.

Gore-Tex stand weniger für das praktische Bedürfns, trocken zu bleiben, als für ein tief romantisches Verlangen nach dem ganz anderen Leben. Gleichzeitig fand eine Abgrenzung statt gegen Träger älterer Technologien wie Loden oder Parkas, denen seit Beginn der 1970er Jahre zunehmend etwas Reaktionäres bzw. Verlierermäßiges anhaftete.

In die „Kotze“ hüllen

Gore-Tex erlöste eine ganze Generation, die sich ja tatsächlich noch in ein Kleidungsstück namens „Kotze“ hüllen musste, wenn Mutti es draußen zu nass fand. Die Marke Gore-Text verkörperte Freiheit und den Willen, sich nicht nach dem Äußeren beurteilen zu lassen, sondern nach den oft auch mal ungeduschten, aber ewigen inneren Werten.

Elegant war das natürlich nicht; aber im scharfgeschnittenen Anzug lässt sich auch nicht Fahrrad fahren. Verfolgt man die Berichterstattung von Radtouristen, so sind sie insbesondere begeistert von der Funktionswäsche, die abends im Bikerhotel ausgeschweißt und zum Trocknen aufgehängt wird, um am Morgen wieder atmungsaktiv zur Verfügung zu stehen – natürlich bügelfrei. So würden sie gern immer leben.

Outdoormode ist eben eine freiwillige Form der Uniformierung und Militarisierung der Freizeitgesellschaft – oder eben umgekehrt: Der Freizeitisierung des Gleichschritttriebs. Robert W. Gore ist für all das nicht verantwortlich zu machen. Wir sehen ihn vor uns, im ewigen Frühling des Paradieses, wo Kleidung gar keine Rolle mehr spielt.

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