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Faschings-„Tatort“ aus dem SchwarzwaldBrutalität vor dem ersten Mord

Ein TV-Krimi in der Karnevalssaison, das könnte platt werden. Nicht so der Schwarzwald-„Tatort“ „Ich hab im Traum geweinet“.

Tatort im „Tatort“ ist mal wieder eine Schönheits­klinik: Darja Mahotkin als Krankenschwester Foto: Benoît Linder/SWR

Bevor Sie jetzt sagen: Sonntagabendkrimi, der in der Karnevals-­Faschings-Saison spielt, och nö, weil: zu viel Kostümierung, zu viel Traditionskolorit, zu viel Täterä-Musik, Alaafe und Helaue, kurz: Zu. Viel. Von. Allem. Mit der platten Rechnung: Verkleidung, Regeln außer Kraft, da lässt es sich halt herrlich morden. Bevor Sie das sagen: Sekunde.

Denn nichts davon trifft auf die neue Schwarzwälder Fasnets-Folge „Ich hab im Traum geweinet“ (Heinrich Heine/Robert Schumann!) zu, rein gar nichts. Das kann man schon mit Blick auf Regisseur und Ko-Autor ahnen: Wenn einer einen „Tatort“ zwischen Weiberfasching und Aschermittwoch platzieren kann, ohne dass es einen gruselt, dann Jan Bonny (seinen Von-Meuffels-„Polizeiruf“ „Der Tod macht Engel aus uns allen“ von 2013 mit Lars Eidinger als Almandine Winter werden die wenigsten vergessen, die ihn gesehen haben).

Bonny packt den Fall in ein Dorf während der schwäbisch-alemannischen Fasnacht. Überall Menschen mit Masken samt Besen und Dreschflegel, mit denen sie all jene verprügeln, die sich dem Treiben und seinen Regeln entziehen. Und breitet damit den Subtext aus für eine Story übers Täuschen – und Bestrafen für Verhalten, das Normen sprengt.

In einer Matthias Reim grölenden Provinz erst recht. Und mittendrin die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner), unverkleidet, angetrunken, mitsingend; Dinge machend, die man halt in jenen Tagen macht. Sorry, genauer geht’s nicht – weil.

Verkatert vor einer Leiche

Die Geschichte verträgt’s, auch weil sie erst nach 45 Minuten zum Job gerufen werden – und verkatert vor einer Leiche in einem Hotelzimmer stehen: Ehemann (Andreas Döhler) einer Patientin (Bibiana Beglau), die sich in einer der dortigen Schönheitskliniken gerade das Gesicht operieren ließ – und vergangenheitsverstrickt mit einer der Pflegerinnen.

Der Film

Schwarzwald-„Tatort“: „Ich hab im Traum geweinet“, So., 20.15 Uhr, ARD

Diese Romy Schindler (Darja Mahotkin) hat sich ein neues Leben im Dorf aufgebaut, mit ihrem Sohn und einem der Ärzte als Mann. Bis sie Besuch aus dem Davor bekommt. Männer, die sie einst bezahlten für Sex, erheben nun Anspruch – auf sie, das Kind. Sie rebelliert dagegen, dass sie als Verfügungsmasse gilt, bei jenen Typen und den Narren. An Romy zeigt sich: Brutalität fängt lange vor dem ersten Mord an.

Wer die Gewaltszenen in dieser Folge gesehen hat, untermalt mit sanftester Klaviermusik und Gesang von Jens Thomas, wird wissen: Das ist nicht einfach nur ein Faschings-„Tatort“. Der hier, der bleibt.

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6 Kommentare

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  • Anne Haeming schließt mit: "Das ist nicht einfach nur ein Faschings-„Tatort“. Der hier, der bleibt."

    Und sie hat recht. Denn ein merkmal hat ihn weit, wirklich weit über die übliche „Tatort“-langeweile hinausgehoben: das war ein film der überraschte, der forderungen an den/die betrachter/-in stellte. Nicht der erwartete, bequeme, ausgelatschte, ‚wie-jeden-sonntag‘-tatort. Kein nemec-wachtveitel einheitsbrei und – gott sei dank – auch kein Nick Tschiller-schrott.

    Also: ein „Tatort“ der hoffen lässt. Bitte mehr davon.

  • Dieser Tatort war vollkommen daneben - gescheitert an den hochtrabenden Ansprüchen, die man ihm anmerkte.

    Widerlicher, immer mit Gewalt und Erniedrigung verbundener Heterosex nahm 50 % der Sendezeit ein.

    Der Plot war keiner.

  • Immer wieder interessant, wie unterschiedlich Menschen erleben. Ich fand diesen Tatort anstrengend, darüberhinaus klischeehaft. Egal ob das das Kruzifix in der Kneipe hängt, unschöner Sex anscheinend normal ist - oder alle sich ausnahmslos zusaufen und nicht mehr Herr & Frau ihrer Selbst sind. Als Schwarzwälder kenne ich den Schwarzwald so nicht.

  • Dann bin ich mal voller gespannter vorfreude. Der „Tatort“, dieser öffentlich-rechtliche methusalem hat neue impulse dringend nötig. Als abschreckendstes beispiel seien Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl genannt: seit 1991 in diensten des bayerischen rundfunks.



    Ich habe nachgeschaut: 1991 gab es noch kein internet, dafür aber die sowjetunion, „Ötzi“ wurde gefunden und im irak tobte der zweite golfkrieg weshalb bei uns der karneval ausfiel. Die deutsche bahn nahm den ice-betrieb auf und der bundestag beschließt den umzug von bonn nach berlin. Unzählige veränderungen und umbrüche später ermittelt das münchner tatort-duo unverdrossen weiter. Und ich frage mich, was wohl zuerst passieren wird: die csu fliegt aus der staatsregierung oder der bayerische rundfunk entwickelt ein neues ermittler-tableau für den tatort? Vielleicht noch vor dem globalen klimakollaps?

    • @hinnerk untiedt:

      Ich habe sie trotzdem bisher immer gerne angeschaut und fand viele Themen auch interessant.

  • hier im südwesten gibt es keinen, fasching , das heist eingedeutscht fasnacht.



    ich glaube das kommt von der ignoranz, das im süden alles bayern sein soll.