Pixarproduktion bei Berlinale Special: Aus den Verhältnissen zaubern
Von zwei ungleichen Elfenbrüdern erzählt Dan Scanlons Animationsfilm „Onward“. Es geht darin um Neurosen und Kapitalismuskritik.
Das Leben von Ian und Barley Lightfoot ist kein langer, ruhiger Fluss. Dafür sind die beiden Elfenbrüder zu verschieden: Klapperdürr und unsicher der eine (Ian), korpulent und renitent der andere (Barley). Auch beim Intellekt scheiden sich die Geister, es steht Stratege versus Intuitiver.
Mit dieser Ausgangslage können sie in der Stop&Go-Suburbia, die sie mit ihrer alleinstehenden Mutter Laurel bewohnen, zwar weiterwursteln, viel mehr gelingt ihnen aber nicht. Zwischen Highschool, Bungalow und Fastfoodrestaurant gedeiht Aggro, weil kein Raum für Magie ist – und erst recht keine Möglichkeit besteht, eigene Ängste zu beheben und Versäumnisse nachzuholen. Der Zauber war verflogen, als ihr Vater gestorben ist.
„Es war einmal eine Zeit...“: So beginnt „Onward“, eine Pixar-Produktion unter der Regie von Dan Scanlon, in der die Elfen noch mehr Sinn für Magie hatten und noch nicht so viele Gadgets zur Verfügung, um den Alltag zu bewältigen. Gadget hin oder her, man hat diese teil einäugigen Märchenwesen mit den langen, spitzen Ohren und ovalen Jetnasen (und Pferdehinterteilen) recht schnell ins Herz geschlossen, weil trotz aller Fantasyanmutung Neurosen und Komplexe nur allzu menschlich erscheinen.
Smalltalk mit Shakespeare-Dringlichkeit
Außerdem ist der Elfencast durchaus divers, die family issue (Trauer um den Vater) bleibt nachvollziehbar und überschattet nicht die Action. Zudem zitiert Scanlon recht freigiebig in der Filmgeschichte herum: Von „The Wild One“ bis „Rivers Edge“. Die Originalstimmen, unter anderem gesprochen von Tom Holland, Chris Pratt und Octavia Spencer, tun ein Übriges, um dem Suburb-Smalltalk Shakespeare-Dringlichkeit zu verleihen.
22. 2., 9.30 Uhr, FSP
22. 2., 17.30 Uhr, FSP (Dt. Synchronfassung)
24. 2., 12.15 Uhr, Zoo Palast 1
Man findet zur Bilderwelt von Pixar aber auch Bezug, weil „Onward“ zumindest ein Hauch von Kapitalismuskritik umweht. Hexen und Feen leben und arbeiten in prekären Verhältnissen. Streunende Einhörner fressen aus Mülltonnen und streiten sich um die besten Abfälle. Früher war zwar nicht alles besser, aber mit etwas Willensstärke ließe sich wenigstens die Flucht aus den Verhältnissen verschaffen.
Der Dresscode des Brüderpaars, rein äußerlich der kalifornischen Punkszene nachempfunden, scheint darauf hinzudeuten: Nietenarmband, Bandana, kariertes Hemd, Chucks... Wie in dieser Subkultur spielt auch in „Onward“ ein Van, ein Lieferwagen Marke Chevrolet G-10, eine wichtige Rolle. In den 1980ern tourten Bands damit D.I.Y.-mäßig durch die USA: „Get in the Van“ hatte für Bands wie die Minutemen eine magische Bedeutung.
Einhorn mit Airbrush
In „Onward“ gehören die Fahrszenen mit zu den Höhepunkten, weil sie mit ordentlich PS animiert sind. Natürlich ist der Van zum Vanicorn mit Einhornwappen im Airbrushstil aufgepimpt. Das alles geht mit Dads postumer Hilfe vonstatten. Denn der Vater hat seinem jüngeren Sohn Ian zum 16. Geburtstag einen Zauberstab vermacht: Mit dem Vermächtnis bestünde auch die Möglichkeit, den Vater noch mal für 24 Stunden in die Elfenwelt zurückzuholen.
Diesen schwierigen Auftrag löst das Brüderpaar nicht ganz. Und so müssen der Stratege und der Intuitive lernen, die Defizite im Zaum zu halten und mit ungewöhnlichen Lösungen zu Rande zu kommen. Neben der flauschigen Kapitalismuskritik fließt also auch noch ein Esslöffel Selbstoptimierungskitsch mit in den Zaubertrank. Geschenkt!
Spannender ist es zu sehen, wie sich Ian am Steuer des klapprigen Van in den Mörderverkehr auf dem Freeway einordnet oder was Barley macht, um einem Gallertwürfel auszuweichen.
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