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Linken-Abgeordnete über Libyen„Ein erster wichtiger Schritt“

Die Linkspartei-Parlamentarierin Sevim Dağdelen bewertet das Berliner Treffen als Erfolg. Aber sie sieht noch etliche ungeklärte Probleme.

Am Sonntag einigten sich die TeilnehmerInnen der Berliner Libyen-Konferenz auf ein Waffenembargo Foto: dpa
Interview von Franziska Schindler

taz: Frau Dağdelen, ist die Abschlusserklärung der Berliner Konferenz der Schlüssel zur Lösung des Libyen-Konflikts, wie Außenminister Maas sagte?

Sevim Dağdelen: Man kann es als einen Erfolg werten und einen ersten wichtigen Schritt zur Beilegung des Konflikts, dass die Konferenz überhaupt stattfinden konnte und dass es zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung kam.

Aber?

Es ist hochproblematisch, dass die islamistischen Terroristen aus Syrien im Auftrag des türkischen Präsidenten Erdoğan weiterhin vor Ort bleiben können. Es ist vollkommen unklar, ob sich die vereinbarte Entwaffnung der Kämpfer auch auf diese bezieht. Das ist eine wirklich schwere Hypothek für den Friedensprozess. Darüber hinaus hat die Erklärung eine große Leerstelle: Der Ölkonflikt wurde nicht ansatzweise gelöst. Darin liegt jedoch eine enorme Sprengkraft.

In der ARD haben Sie von einem „Stellvertreterkrieg der Ölkonzerne“ gesprochen – heißt das, alle ausländischen Konzerne sollten aus dem Land raus?

Nicht nur die ausländischen Truppen, wie es die UNO fordert, auch die ausländischen Ölkonzerne sollten das Land verlassen. Ihr erbitterter Streit um die Claims ist die Quelle des Stellvertreterkriegs infolge der Nato-Intervention. Der Profit aus dem libyschen Öl sollte allein dem libyschen Volk zugutekommen. So könnte der Wiederaufbau finanziert und den Libyern, aber auch Hunderttausenden Migranten im Land eine ökonomische Perspektive geboten werden.

Im Interview: Sevim Dagdelen

44, sitzt seit 2005 für die Linkspartei im Bundestag. Die gebürtige Duisburgerin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Fraktionssprecherin für Abrüstungspolitik.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat bereits vorgeschlagen, dass die Bundeswehr sich an der Absicherung eines möglichen Waffenstillstands beteiligen könnte. Wo sehen Sie die Bundeswehr in der Lösung des Libyen-Konflikts?

Diese außenpolitischen Debatten in Deutschland verlaufen mittlerweile frei nach dem Motto: „Wer als Erstes Bundeswehreinsatz sagt, hat gewonnen!“ Der Waffenstillstand existiert noch gar nicht – aber Hauptsache, die Bundeswehr wird ins Ausland geschickt. Das ist vollkommen unseriös und obendrein brandgefährlich für die Soldaten, die da eingesetzt werden sollen. Zudem hat UN-Generalsekretär António Guterres die Europäer explizit nicht zu einem militärischen Einsatz aufgerufen, sondern dazu, beim Wiederaufbau der Wirtschaft, dem politischen Prozess und der humanitären Hilfe eine wichtige Rolle zu übernehmen.

Was erwarten Sie da von der Bundesregierung?

Der humanitäre Aspekt des Konflikts war auf der Konferenz nur ein Randaspekt, Stichwort: Flüchtlingsbewegung. Die Zusammenarbeit mit einer islamistischen Miliz in Gestalt der libyschen Küstenwache, die auf Schutzsuchende schießt, sie nach Libyen zurückschiebt, dort in Horrorlager einpfercht und misshandelt, zerstört die europäische Idee. Da sollte die „Operation Sophia“ der EU, die diese „Küstenwache“ ausbildet, ehrlicherweise in „Operation Hades“ umbenannt werden. Diese Kooperation muss sofort beendet werden.

Während das Waffenembargo verhandelt wurde, exportierte Deutschland weiterhin Waffen an Staaten, die in den Libyen-Konflikt involviert sind …

Deutschland sollte die Waffenexporte an die im Libyen-Krieg beteiligten Länder stoppen. Dazu gehören die Emirate, Ägypten, Türkei und auch Katar, die seitens der Bundesregierung in den letzten Jahren massiv aufgerüstet wurden. Wenn islamistische Terroristen Erdoğans im auch von deutschen Rüstungskonzernen hergestellten Militärtransporter A400M nach Libyen geflogen werden, ist das jedenfalls kein Beitrag zum Frieden.

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