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Demo für Maria

Linke Szene erinnert an von Polizist erschossene Frau

Vor dem Haus in der Grünberger Straße, in dem vor anderthalb Wochen die 33-jährige Maria B. von einem Polizisten erschossen wurde, liegen Blumen und leuchten Grablichter. Auf Zetteln und an der Hauswand finden sich Parolen gegen die Polizei. Der Tod der Frau, die in ihrem Friedrichshainer Kiez viele kannten und deren Zimmer eine Antifa-Fahne schmückte, mobilisiert die linke Szene. Am Freitagabend zogen mehr als 1.000 Teilnehmer einer Demonstration zunächst an ihrem Haus vorbei und anschließend weiter zur Polizeidirektion 5 in der Wedekindstraße, der Dienststelle der an dem tödlichen Einsatz beteiligten Polizisten.

Eine Schweigeminute sollte es nicht geben, stattdessen wolle man „jenen eine Stimme geben, die keine mehr haben“, hieß es zum Auftakt der linksautonomen Demo am Wismarplatz. „Maria B. – das war Mord“, so die an diesem Abend vielfach wiederholte Parole. Die Stimmung war aufgeladen, auch angesichts eines Polizeiaufgebots, das fast eine Eins-zu-eins-Betreuung zuließ. 800 Beamte ließen die Demonstranten zwar noch ohne Begleitung an dem Unglücks­ort vorbeilaufen, bildeten dann aber ein enges Spalier. Den mehrfachen Durchsagen, Vermummung abzulegen, folgte kurz vor Demo-Ende der Zugriff. Insgesamt 21 Personen wurden laut Polizeiangaben auf der eigentlich friedlich eingehegten Demo vorübergehend festgenommen.

Die Umstände der Erschießung werden derzeit von der Staatsanwaltschaft geprüft. Nach Polizeiangaben waren die Beamten von einem Mitbewohner gerufen worden, der zuvor von Maria B. bedroht wurde. Als sie in der Wohnung eintrafen, befand sich B. aber allein in ihrem Zimmer. Nachdem die Polizisten die Tür gewaltsam geöffnet hatten, sei die Frau mit einem Messer auf sie zugegangen und daraufhin in den Oberkörper geschossen worden. Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte den Einsatz der Schusswaffe verteidigt: Wenn ein Angreifer sechs Meter entfernt sei, könne die Attacke mit einem Messer in „kürzester Zeit tödlich enden“.

Hintergrund der seit längerer Zeit angemeldeten und erst kurzfristig nach Friedrichshain verlegten Demonstration ist der europäische Polizeikongress, der am Dienstag und Mittwoch im Congress Center am Alexanderplatz stattfindet. Seit Jahren protestieren linke Gruppen gegen das Treffen von Vertretern aus Polizei, Sicherheitsbehörden, Innenpolitik und Industrie. Das Motto dieses Jahr – „Rechtsstaat durchsetzen“ – nährt das rechte Narrativ, die europäischen Staaten hätten im Zuge der Flüchtlingsbewegungen zu nachsichtig gehandelt. Wie Polizisten auf Menschen in psychischen Ausnahmesituation reagieren können, ist dagegen kein Teil des Programms. Erik Peter

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