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das portraitDer iranische Rapper Amir Tataloo wird in der Türkei festgenommen

Foto: privat

Der iranische Rapper Amir Tataloo ist ein echter Gangster: Er posiert gerne neben knapp bekleideten Frauen, hat gleich mehrere Gesichts­tattoos und raucht bei seinen Konzerten fette Tüten auf der Bühne. Dass der iranischen Regierung der Lifestyle nicht gefällt, den der 31-jährige Exiliraner seinen 2,5 Millionen Instagram-Followern vorlebt, ist wenig verwunderlich. Die Islamische Republik ist sogar so besorgt, dass sie den Rapper kurzerhand per Interpol zur Fahndung ausschreiben ließ. Offiziell, weil er die Jugend zum Drogenkonsum verleite, inoffiziell wohl eher wegen seiner regierungskritischen Songs und Aussagen auf Social Media. Wie die britische BBC nun berichtet, wurde Tataloo nun in seiner Wahlheimat Istanbul festgenommen, seine Auslieferung in den Iran werde derzeit überprüft.

Wer jetzt denkt, Tataloo sei ein echter Rebell, der mit seiner Kunst gegen das unterdrückerische Mullah-Regime kämpft, liegt womöglich falsch. Das Verhältnis des Rappers zur iranischen Regierung ist ambivalenter, als es auf den ersten Blick scheint.

2013 steht Amirhossein Maghsoudloo, wie der Rapper mit bürgerlichem Namen heißt, dass erste Mal vor Gericht. Nicht wegen seiner Liedzeilen, sondern weil er seine Musik ohne die nötige Lizenz vom iranischen Kulturministerium verbreitet. 2015, wenige Tage vor der Unterzeichnung des Atom-Deals veröffentlicht Tataloo ein Lied mit den Namen „Energy Hasteei“ (zu Deutsch: Atomenergie). Darin pocht er auf das Selbstverteidigungsrecht Irans am Persischen Golf und posiert im zugehörigen Video vor Marinesoldaten der regulären Streitkräfte der Islamischen Republik.

Das Skurrile: Obwohl das Propagandavideo offensichtlich in Zusammenarbeit mit der iranischen Armee entstanden ist, zensiert die Regierung weiterhin seine Musik. Ein Jahr später wird der Rapper wegen seiner Texte sogar zu knapp zwei Monaten Haft verurteilt. Doch bereits im nächsten Jahr bandelt Tataloo wieder mit der iranischen Obrigkeit an. Diesmal ausgerechnet im Dienste des erzkonservativen Präsidentschaftskandidaten Ebrahim Raisi. Der erhofft sich im Rennen gegen den Konkurrenten Hassan Ruhani Unterstützung durch Tataloos Fangemeinde.

Absurd: Der Mann, der auf Partys mit knapp bekleideten Frauen posiert, Cannabis raucht und westliche Rapmusik produziert, fungiert als Wahlkampfhelfer für einen Mullah, dessen politisches Lager Musik am liebsten generell verbieten will. Geholfen hat es keinem von beiden: Raisi verliert, Tataloos’ Musik bleibt verboten. 2018 zog der Musiker erst nach Georgien, später dann in die Türkei, wo er nicht zensiert wird. Selbst seine Fans sind sich unsicher, wie der Rapper zur Islamischen Republik steht. Die einen glauben, er hege still und heimlich die Hoffnung, offiziell als Musiker in Iran zugelassen zu werden, andere halten ihn für verrückt. Sicher ist: Er hat treue Fans. In einer Petition auf change.org fordern sie nun seine Freilassung. Innerhalb von 24 Stunden sind dort knapp 230.000 Unterschriften zusammengekommen. Patrick Wagner

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