Eizellspende und Leihmutterschaft: Reproduktive Gerechtigkeit
Eizellspende und Leihmutterschaft sind mit Risiken verbunden. Ein Netzwerk von Wissenschaftlerinnen fordert ein EU-weites Verbot.
„Eizellspende und Leihmutterschaft beruhen auf sozialer Ungleichheit und Ausbeutung anderer Frauen und finden unter kommerziellen Verhältnissen statt“, heißt es in der von ihnen verfassten Stellungnahme „Für reproduktive Gerechtigkeit“, die Mitte Januar in einer vom Gen-ethischen Netzwerk (GeN) und BioSkop organisierten Veranstaltung in Berlin vorgestellt wurde.
Anlass für die Stellungnahme war, so die Politikwissenschaftlerin Sabine Könninger von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV), die Forderung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Eizellspende zuzulassen. Zudem setzt sich die Leopoldina dafür ein, die rechtliche Situation der Eltern zu erleichtern, die ein von einer Leihmutter im Ausland geborenes Kind in Deutschland als ihr eigenes eintragen lassen wollen. Auch die FDP forderte wiederholt eine Liberalisierung der Reproduktionsmedizin.
Vor kurzem erst sprach sich die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr für die Legalisierung der nichtkommerziellen Leihmutterschaft aus. „Wir sollten die Leihmutterschaft ähnlich ausgestalten wie eine Lebendspende von Organen“, sagte sie der Berliner Zeitung. Danach wäre eine Leihmutter zulässig, wenn sie den Wunscheltern nahesteht. Eine Bezahlung soll nicht erfolgen, nur eine Aufwandsentschädigung soll es geben.
Die Praxis in Ländern, in denen die neuen Reproduktionstechniken zulässig sind, zeigt jedoch, dass die sogenannte altruistische Leihmutterschaft oder Eizellspende nur seltene Ausnahmen sind. In den allermeisten Fällen geht es um Geld. In Spanien zahlen die Kliniken pro Eizellspende rund 1.000 Euro, berichtete in Berlin die Soziologin Sara Lafuentes Funes, die zum Thema Eizelltransfer in Spanien forscht und derzeit an der Goethe-Universität Frankfurt am Main arbeitet. Dieser Betrag sei weit mehr als der Mindestlohn in Spanien, er übersteigt auch das durchschnittliche Monatseinkommen (900 Euro) von Frauen unter 26 Jahren.
Es geht um Geld
Die Reproduktionskliniken werben mit dem Bild, dass junge Frauen mit ihren Eizellen den älteren helfen, ein Kind zu bekommen. Letztendlich gehe es jedoch nur um Geld, so Sara Lafuentes Funes. Sechsmal dürften Frauen Eizellen spenden. Da das Gesetz in Spanien nur zum Teil umgesetzt wurde, eine Kontrolle somit nicht stattfindet, würden viele Frauen von Klinik zu Klinik gehen und weitaus mehr Eizellen abgeben.
Die Gewinnung von Eizellen ist mit Gesundheitsrisiken verbunden. Da die Reproduktionsmediziner möglichst viele Eizellen entnehmen wollen, müssen sich die Frauen einer körperlich belastenden Hormonstimulation unterziehen. Die Entnahme der Eizelle findet dann unter Narkose statt.
In Spanien gibt es mittlerweile rund 300 Reproduktionskliniken, berichtete Sara Lafuentes Funes. Die meisten sind an der Küste, dort, wo auch die Touristenzentren sind. Zwar sind es vorwiegend Einheimische, die deren Dienste in Anspruch nehmen. Doch viele Kliniken werben auch gezielt um Kunden im Ausland. Internetseiten auf Deutsch sind fast schon Standard. Auch auf „Wunschkindmessen“ in Deutschland sind spanische Kliniken vertreten. Sie locken unter anderem damit, dass alles anonym abläuft, es ist in Spanien sogar vom Gesetzgeber so vorgegeben. Auch in Tschechien und Polen wird Eizellspenderinnen Anonymität zugesichert. Dies widerspricht dem hierzulande und in vielen europäischen Staaten geltenden Recht des Kindes auf Kenntnis seiner biologische Herkunft, schreiben die Netzwerk-Frauen in ihrer Stellungnahme.
„Das ist meine Arbeit“
Über die Situation in Russland berichtete in Berlin die Kultur- und Sozialanthropologin Christina Weis von der De Montfort University in Leicester in Großbritannien. Sie forscht über kommerzielle Leihmutterschaft in Russland und hat dort zahlreiche Interviews geführt. In Russland kämen zunehmend die Kunden auch aus dem Ausland. Vor allem nachdem die Leihmutterschaft in einigen asiatischen Ländern viel strenger geregelt wurde, weichen Wunscheltern vermehrt nach Russland aus. Auffällig ist, so Christina Weis, dass in Russland nicht mit altruistischen Motivationen geworben wird. Leihmütter sprechen ganz klar davon: „Diese Schwangerschaft, das ist meine Arbeit.“ Und je mehr Schwangerschaften sie schon hatten, umso höher fällt die Bezahlung aus.
Für das feministische Frauennetzwerk bildet das „Wohlstandsgefälle“ zwischen Ländern und Regionen, aber auch innerhalb der Gesellschaften die Basis für kommerzielle Eizellspenden und Leihmutterschaft. Würden diese Techniken auch in Deutschland zugelassen, wären auch hier „soziale Unterschiede und das ökonomische Gefälle“ die Grundlage für Eizellabgaben und Leihmutterschaft.
Beide Techniken sind mit Gesundheitsrisiken verbunden. Leihmütter und Eizellspenderinnen würden somit Gesundheit und Wohlbefinden gegen Geld einsetzen. „Reproduktionsfreiheit“ beinhaltet aber nicht „das Recht von Menschen mit Kinderwunsch, auf den Körper von Dritten zuzugreifen“, heißt es als Schlussfolgerung dazu in dem Papier der Netzwerk-Frauen. Gefordert wird daher, dass das im Embryonenschutzgesetz formulierte Verbot von Eizellspenden und Leihmutterschaft bestehen bleiben muss. Das Verbot müsse auch in das EU-Recht mit aufgenommen werden.
Widerspruch kam in Berlin aus den Reihen der Zuhörer*innen. Eine Teilnehmer*in kritisierte, dass in dem Positionspapier gleichgeschlechtliche Paare sowie Transsexuelle, die unfruchtbar sind, überhaupt nicht berücksichtigt worden sind. „Das ist doch oftmals der einzige Weg, eigene Kinder zu bekommen“.
Erika Feyerabend von BioSkop betonte, dass die Netzwerk-Frauen die „vielfältigen Formen des Zusammenlebens“ keineswegs infrage stellen. Hier gehe es aber um den Schutz von Frauen vor Ausbeutung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen