piwik no script img

Prozess in NürnbergGeldstrafe wegen Papierfliegern

Elisabeth Schwemmer ließ zu, dass bei einer Demo Papierflieger über den Zaun des Bamf flogen. Nun ist sie zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Das Bamf in Nürnberg Foto: dpa/Daniel Karmann

Berlin taz/dpa | An einem Julitag 2018 flogen etwa 50 Papierflieger, beschriftet mit Botschaften wie „Stop Deportation“, über den Zaun des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg. Geworfen hatten sie demonstrierende Frauen und Kinder des „Bündnis 8. März“ und der Flüchtlings-Selbstorganisation „Women in Exile“.

Das Nürnberger Amtsgericht hat die Verantwortliche der Kundgebung, Aktivistin Elisabeth Schwemmer, wegen Verstoßes gegen das bayerische Versammlungsgesetz nun zu einer Geldstrafe verurteilt. Die 20 Tagessätze à 15 Euro setzte das Gericht zur Bewährung aus. Dafür bekam die Angeklagte aber die Auflage, 350 Euro an ein Frauenhaus zu zahlen. Obwohl die Polizei das Werfen von Gegenständen verboten hatte, habe Schwemmer als Versammlungsleiterin dies „zugelassen“, so das Gericht.

Das Bamf selbst hatte keinen Anlass gesehen, den Vorfall zur Anzeige zu bringen – die Polizei hingegen schon. Die Staatsanwaltschaft klagte Schwemmer an und plädierte für eine Geldstrafe von 500 Euro. Weil Schwemmer sie nicht zahlen wollte, landete der Fall vor Gericht.

„Typisch bayerische“ Anklage, so Schwemmer

Am ersten Prozesstermin Mitte Dezember wurden die beiden Polizeibeamten, die die Kundgebung begleitet und die Aktion zur Anzeige gebracht hatten, zu den Vorgängen befragt. Laut einer Erklärung des „8. März Bündnis“ hätten sie vor Gericht ausgesagt, dass sie es damals nicht für nötig befunden hätten, Verstärkung anzufordern oder die Versammlung aufzulösen.

„Wir fragen uns deshalb, warum Staatsanwaltschaft und Gericht nach wie vor ein Verfolgungs- und Ermittlungsbedürfnis gegen die Versammlungsleiterin haben“, heißt es in der Erklärung des „8. März Bündnis“ weiter. „Geht es darum, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von jeglichem Protest freihalten zu wollen?“

Nach dem ersten Verhandlungstag im Dezember hatte Schwemmer die Anklage „typisch bayerisch“ genannt. „Das reiht sich ein in eine Strategie, VersammlungsleiterInnen einzuschüchtern. Egal, was hier angemeldet wird, es kommt immer eine Geldstrafe raus, irgendwas macht man immer falsch.“ Schwemmer erwägt, in Revision zu gehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • ...eigentlich hatte ich immer Vertrauen in unser Rechtssystem, insbesondere auch mit Blick auf europäische Nachbarn wo die Gewaltenteilung von der herrschenden Politik außer Kraft gesetzt wird oder werden soll - schade, dass ich mit Blick auf unseren Staat immer wieder so enttäuscht werde.

  • Ich würde mich als Jurist und Richter in Grund und Boden schämen. Das sind genau diese Art von Urteilen, die in der Bevölkerung zunehmend den Eindruck vertiefen, die Justiz sei außer demokratischer Kontrolle. Eine politisch motivierte Klassenjustiz.



    Das Amtsgericht hat sich mit diesem Urteil selbst den größten Schaden zugefügt.

  • Das Werfen von Gegenständen soll verhindern, dass Menschen/Sachen schaden nehmen im Rahmen einer Versammlung. Nur diesen Zweck umfasst die unsinnige Auflage der Polizei, da sie selbstverständliches mitteilt. Ein Papierflieger mit einer politischen Botschaft hat nicht das Ziel Mneschen zu schaden. Es ist von der Versammlungsfreiheit gedeckt.



    Die Grundrechte in Bayern haben aber kaum eine Bedeutung.

  • Werden Papierflieger wirklich "geworfen", oder sollte in diesem Fall nicht eher von "gleiten lassen" die Rede sein? Evtl. wäre ein entsprechendes Gutachten in der zweiten Instanz für die naturwissenschaftliche Weiterbildung der bayerischen Richter*Innenschaft sinnvoll - inklusive vergleichendem Demonstrationsversuch.

  • Umweltschutz und bösartiges Quälen. Die Polizei hebt das Papier sicher nicht auf und die Demonstranten wollen keinen Hausfriedensbruch begehen. So bleibt es liegen und jeden Morgen schreit der Leiter des Bsmf: Meine Akten! - Das geht ins Riechsalz!

  • Was dazu die Geschwister Scholl und die die Mitglieder der Weissen Rose kommentiert hätten?



    Einige Menschen in der real existierenden deutschen Justiz befinden sich wohl geistig immer noch in metalhistorischen rechten Zwangsvorstellungen?!

    • RS
      Ria Sauter
      @Sonnenhaus:

      Genau auch meine Gedanken.