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Vor der VierschanzentourneeWenn der Ski beißt

Glücksgefühle nach der Landung, das Erlebnis in der Luft, der Moment der Schwerelosigkeit: Weitenjäger sprechen über den perfekten Sprung.

Schnell und hoch: Karl Geiger beim Weltcup im finnischen Ruka Foto: Sammy Minkoff/imago

Karl Geiger beschrieb mit seiner flachen Hand immer wieder einen Halbkreis. Es war wie beim perfekten Sprung, den der Oberstdorfer, derzeit die Nummer eins im deutschen Skisprungteam, beschreiben sollte. Die Finger mal mehr, mal weniger gestreckt, redete sich der 26-jährige Vizeweltmeister in ein wahres ­Hochgefühl. „Ein sehr guter Sprung fühlt sich wirklich genial an“, beschreibt er seine Eindrücke bei der Luftfahrt. Und wieder kommt die flache Hand zum Einsatz: „Wenn man dann übers Eck kommt, beißt der Ski bei einem richtig guten Sprung unter einem, man wird schnell und auch hoch.“

Auch Markus Eisenbichler und Junior Constantin Schmid, die Geigers Ausführungen gebannt verfolgen, kennen diese Situation. „Dafür springen wir Ski, damit man die Schwerelosigkeit irgendwie erfährt“, erklärt Dreifach-Weltmeister Eisenbichler, „es geht um den Moment im Flug, in dem die Welt ein bisschen stillsteht und kein Druck auf einem lastet, sondern man einfach nur die auf einen wirkenden Kräfte genießen kann und merkt, wie man mit der Luft spielen kann.“

Diesen Ball nimmt Geiger ansatzlos auf. „Am Ende des ersten Drittels kriegt man die letzte Drehung“, sagt der Oberstdorfer und zeichnet mit seiner Hand eine weitere Kurve, „man wird richtig schnell und kann richtig weg vom Hang fliegen. Das zeichnet den perfekten Sprung aus. Man ist wie in einem schwerelosen Gefühl. In der Situation muss man gar nicht mehr viel machen. Man kann es genießen.“ Dann verlässt die Hand den Radius und schnellt auf eine größere Bahn: „Man pfeift wirklich weg vom Hang.“

Das Ziel ist die Perfektion

Nicht das pure Ergebnis, sondern das Erlebnis und die Perfektion sind das Ziel der meisten Sportler. Dabei ist es egal, ob Golfspieler oder Skispringer, Tennisspieler oder Weitspringer. Wenn man sein Sportgerät oder seinen Körper optimal trifft, dann löst dies Glücksgefühle aus. „Ich finde es genial und faszinierend, was ein Mensch in der Luft mit zwei Latten unter den Füßen fähig ist zu leisten“, sagt Eisenbichler. Er selbst war diesem Idealzustand schon ziemlich nahe, als er beim Skifliegen in Planica 2017 und in diesem Jahr jeweils auf die deutsche Rekordweite von 248 Metern geflogen war.

Noch weiter ging’s für Gregor Schlierenzauer, als der Österreicher im März 2018 den Weltrekord seines Landsmanns Stefan Kraft von 253,5 Metern egalisiert hat. „Der Flug war sehr konsequent vom Tisch, ich bin dann gleich voll auf der Welle geblieben, hatte sicher auch das nötige Glück vom Wind her. Mir hat es die Latten um die Ohren geschlagen, aber ich bin draufgeblieben.“ So beschrieb der 53-malige Weltcupsieger diesen Flug. Doch mit der Landung, bei der er mit beiden Händen in den Schnee greifen musste, war dieser noch lange nicht beendet. Dazu produziert der Körper in diesen fünf Sekunden viel zu viel Adrenalin.

„Die erste Stunde nach dem Flug konnte ich nicht richtig sprechen“, erzählt Schlierenzauer, „nachdem ich dann eine Stunde laufen war, war auch der Adrenalinspiegel gesunken.“ Eines ist er sich sicher: „Dieses unbeschreibliche Gefühl des Fliegens bleibt ein Leben lang.“ Das bestätigt auch Geiger: „Diese Sprünge bleiben für immer im Gedächtnis.“

In der Vorbereitung auf diese Saison hat Geiger diesen Ansatz von Schwerelosigkeit in Klingenthal und auf der Garmischer Olympiaschanze einige Male erlebt. Oder wie er es ausdrückt: „Mir sind ein paar von denen rausgerutscht.“ Danach hätte er nur noch grinsen können. Und dieses Grinsen kehrt auch noch einmal beim Erzählen in sein Gesicht zurück. Und schon kommt wieder die Hand zum Einsatz.

Wie im Flug

„Das hat sich auf der Großschanze angefühlt wie auf einer Skiflugschanze, dass die Drehung immer weitergeht“, erzählt er, „man hat das Gefühl, während man in der Luft liegt, dass hinten an den Füßen einer mit seiner Hand anpackt und nach vorne oben zieht, ohne dass man das Gefühl hat, vorn überzukippen.“ Dann pfeife man einfach so weg. Das Besondere an diesen extrem weiten Sprüngen sei, dass man diese trotzdem relativ locker stehen könne.

So groß die Euphorie während des Fluges, für Eisenbichler hat die Landung auch etwas Tragisches und Trauriges. „Wenn man landet, weiß man: Jetzt ist es vorbei.“ Doch dann folgt auch schon der innere Antrieb: „Jetzt muss ich wieder rauf und schauen, dass ich das wieder produziere.“ Auch Gregor Schlierenzauer ist dazu bereit: „Ich habe es im Kopf; wenn ich das Gefühl habe, dass es weit geht, musst du durchziehen.“

Auch wenn das Fluggefühl endlich ist und möglicherweise nie wieder zurückkehrt, missen möchte es Eisenbichler nicht: „Es ist ein Privileg, das wieder erleben zu können.“ Auch Geigers Fazit lautet: „Das macht wirklich Spaß.“ Dann verlässt seine Hand wieder die Kreisbahn.

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4 Kommentare

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  • Kein Wort zu den auftauenden Permafrostböden, kein Wort zum Klimakollaps, kein Wort zu Doping, kein Wort zu einer vor kurzem hier erst als Knie mordend titulierten Sportart? Hat Frau Herrmann das mal quergelesen, von wegen CO2 frei noch in 2025?



    Der ganze Skizirkus nachhaltig und nur der reinen Lehre der Athletik verpflichtet?



    Hat hier Keine(r) was zu meckern, alles gut, nur alte weiße Männer mit SUV schlecht?

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Wieviel hat Schrauben-Würth der taz gezahlt, damit seine Werbung nicht verpixelt wird?

    • Bruno , Moderator
      @84935 (Profil gelöscht):

      Schrauben-Würth und Rübenkraut haben einfach nichts miteinander zu tun. Gar nichts!

    • @84935 (Profil gelöscht):

      Ich frage mich tatsächlich, warum überhaupt verpixelt wurde. Konkurrent zu einem taz-Sponsor?