Kampf gegen Rechtsextremismus: Seehofers späte Einsicht

Der Innenminister präsentiert konkrete Maßnahmen gegen Nazis. Dass er damit reichlich spät dran ist, hat Seehofer inzwischen sogar selbst erkannt.

Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, spricht auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Leitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamtes zur Neuorganisation der Sicherheitsbehörden.

Plötzlich Vorzeigeschüler beim Kampf gegen Rechts: Inneminister Horst Seehofer Foto: dpa

Berlin taz | Horst Seehofer wählt klare Worte. Es gebe eine „hässliche Blutspur vom NSU bis Halle“, die rechtsextreme Bedrohung sei „sehr, sehr ernst“. Der Bundesinnenminister präsentierte am Dienstag mit den Chefs von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kürzlich angestoßene Reformmaßnahmen – und zog erste Bilanz.

Zurück liegt ein brutales Jahr. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, das Attentat in Halle, dazu Drohschreiben und Attacken auf Migranten, Engagierte oder Kommunalpolitiker. Die Behörden sind also zum Handeln gezwungen.

Reagiert wurde schon nach dem Lübcke-Mord. Seit Juli verstärkte der Verfassungsschutz seine Aufklärung im Internet und schuf eine neue Abteilung zur Neuen Rechten. Man wolle Netzwerke besser erkennen, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang. Seit zwei Jahren habe man islamistische Anschläge verhindert. Diese „gute Arbeit“ müsse man nun auf den Rechtsextremismus übertragen.

Der Verfassungsschutz stuft die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland deutlich hoch: von zuletzt 24.100 auf 32.200 Personen. Hauptursächlich ist die Neuerfassung des AfD-Nachwuchses Junge Alternative als „Verdachtsfall“, das Amt rechnet diesem 1.000 Personen zu. Gleiches gilt für das Rechtsaußen-Sammelbecken „Der Flügel“ mit 7.000 Extremisten.

Der öffentliche Dienst im Blick

Der Flügel habe „starken Einfluss“ in der AfD und werde „immer extremistischer“, sagte Haldenwang. Es läuft also auf eine volle Beobachtung beider Gruppen hinaus, am Ende könnte auch eine Einstufung der Gesamtpartei stehen.

Mit einer Zentralstelle nimmt der Verfassungsschutz Extremisten im öffentlichen Dienst in den Blick, erstellt dazu ein Lagebild. Seehofer betonte, es gehe weiter um „Einzelfälle“, ein Generalverdacht verbiete sich. Die Maßnahme sei aber zu begrüßen, da der öffentliche Dienst auf „ein besonderes Vertrauensverhältnis“ angewiesen sei.

Auch BKA-Chef Holger Münch verwies auf neue Maßnahmen. Rechtsextremisten würden künftig mit dem Analysetool Radar-rechts auf ihre Gefährlichkeit geprüft. Schon jetzt gebe es Fallkonferenzen zu Einzelpersonen. Eine lief bereits, zwölf weitere stünden bevor. Zudem ermittele man nun verstärkt zu Netzwerken in der Szene. Auch sollen Provider dem BKA ab 2020 Hasspostings melden, um diese zu verfolgen. „Ein völlig neuer Ansatz.“

Der Bundestag bewilligte gerade je 300 neue Stellen für BKA und BfV. Für Letzteres war die Zahl bisher geheim, Seehofer wollte nun Transparenz schaffen. Und er kündigte das Verbot einer rechtsextremen Gruppe für Anfang 2020 an – welche, ließ er offen. Die SPD und mehrere Innenminister hatten dies für Combat 18 gefordert. Am Ende verlor der CSU-Mann ein selbstkritisches Wort. „Man hätte die Bekämpfung des Rechtsextremismus politisch früher mit dieser Priorität versehen müssen“, gestand Seehofer. „Auch das gehört zur Wahrheit.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.