piwik no script img

Hilfe für Erdbebenopfer in AlbanienVertrauen und Solidarität

In Tirana wollen Besetzer das Theater vor dem Abriss retten. Nun sammelten sie nach dem Erdbeben in Albanien Spenden für die betroffenen Dörfer.

Vor dem Theater werden Spenden gesammelt, um den vom Erdbebenopfern zu helfen Foto: Kollektiv der Besetzer

Der Protest gegen den Abriss des Nationaltheaters in Tirana erreicht eine neue Ebene. Nach dem schweren Erdbeben, das Albanien am 26. November erschütterte, riefen die Besetzer*innen des Theaters ihre Unterstützer*innen zur Hilfe für die Erdbebenopfer auf.

„Wir baten um Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis, Nudeln, Öl, Zucker und Wasser, um Kleidungsstücke, Decken, Matratzen und Zelte sowie Medikamente. Nach unseren Schätzungen reagierten etwa 15.000 Menschen, nicht nur aus Albanien, sondern auch aus Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Italien“, erklärte Lindita Komani, Sprecherin der Allianz für die Verteidigung des Nationaltheaters, der taz.

Material zum Aufbau von einigen Wohncontainern für die Unterbringung von Menschen, die ihr Obdach verloren haben, wurde aus Geldspenden bezahlt. „Mehr als 200 Freiwillige halfen, die Sachspenden anzunehmen, sie zu verpacken und auch die Lastwagen und Pkws zu begleiten, die die Materialien an die am schlimmsten betroffenen Orte im Land transportierten“, erzählte Komani weiter. In mindestens zwei Dörfern seien die über die Theaterbesetzer*innen organisierten Spenden die ersten gewesen, die dort ankamen, betonte sie.

Komani wertete die große Resonanz auf die Bitte um Unterstützung der Erdbebenopfer als ein Zeichen des Vertrauens der Bevölkerung. „Wir haben nicht erwartet, dass so viele Leute an uns glauben. Offenbar haben sie uns als vertrauenswürdige Personen angesehen, weil wir bewiesen haben, dass wir der Regierung und deren korrupten Praktiken widerstehen können“, sagte sie.

Bis zum Wochenende (7./8. Dezember) wollen die Be­set­ze­r*innen noch mit der Hilfe fortfahren, danach aber alle Sachspenden der Caritas und anderen NGOs übergeben.

Erprobung horizontaler Organisation

Dem Erreichen ihres ursprünglichen Anliegens, der Rettung des historischen Nationaltheaters vor den Abrissplänen einer albanischen Investmentfirma und des dänischen Architektenbüros BIG (Bjarke Ingels Group), seien die Besetzer*innen trotz dieses Nothilfeengagements aber nicht näher gekommen, schätzte Komani gegenüber der taz ein.

„Wir haben aber gesehen, dass dann, wenn es engagierten und vertrauenswürdigen Menschen erlaubt wird, ernsthafte Probleme zu bewältigen, sie große Erfolge auch mit wenig Geld erreichen können. Wir haben gezeigt, dass ein horizontales Modell funktionieren kann und dass das überall in Albanien wiederholt werden kann“, bilanzierte sie.

In den nächsten Tagen wird es auch wieder künstlerische Aktivitäten im Nationaltheater geben. Aus Kosovo kommt die freie Gruppe Qendra Multimedia mit der Produktion „Five Seasons“, einem Stück über Korruption im Bausektor. Die Hälfte der Einnahmen des Gastspiels soll Erdbebenopfern zugute kommen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!