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Ausstellung „Zonenrandgebiet“Vom Leben am Rand

Vom „Grünen Band“ bis Nordkorea: Das Braunschweiger Photomuseum beschäftigt sich mit Grenzen und dem einstigen „Zonenrandgebiet“.

Früher Grenzübergang, heute Gedenkstätte: Ansgar Marx’ zeigt den „Grenzübergang Marienborn“ (2019) Foto: Ansgar Marx

Braunschweig taz | Wortwörtlich alle Jahre wieder veranstaltet das Braunschweiger Museum für Photographie seine Mitgliederausstellung. In ihr ging es auch schon mal ganz konkret ums weihnachtliche Befinden, aber ebenso um die Eintracht (nicht nur als lokalen Fußballverein) sowie Zwietracht – oder es wurde gar kein inhaltlicher Bezugspunkt gesetzt.

Dieses Jahr stehen 30 Jahre Mauerfall im Blickpunkt, in Braunschweig ja ein Thema mit großem Erinnerungspotenzial. Denn für die strukturschwache Region bedeutete die Lage im sogenannten Zonenrandgebiet zwar einerseits hoch willkommene Finanzspritzen aus dem Sonderabschreibungs- und Investitionsförderprogramm der Bundesregierung, andererseits aber auch ein kaum zu überschätzendes großes Trauma. Die so martialisch wie grotesk gesicherte, unüberwindbare Grenze der DDR beschnitt der Stadt nicht nur ihr historisches Hinterland: Man fühlte sich hier stets ein wenig wie am Ende der Welt, mit dem Rücken zur Wand.

Allerdings wird wohl keine*r der ab den 1980ern Geborene*n dieses Lebensgefühl nachempfinden können. Und auch tief im Westen der alten BRD herrschten zwar jede Menge Probleme, aber halt anderer Art. Ganz zu schweigen vom Leben jenseits der Grenze in der DDR. So fallen dann die Bildbeiträge der 28 Mitglieder, die nach einem Workshop und einer Jurierung nun in die Ausstellung fanden, höchst unterschiedlich aus – je nach Alter, biografischem Bezug, Prägung Ost oder West. Getragen wird das Museum für Photographie von einem Verein, dem Berufsfotografen, Amateurlichtbildner und interessierte Laien angehören, sowohl regional Ansässige wie Auswärtige: Auch das spiegeln die Ausstellungsbeiträge wieder.

Geradezu klassisch und naheliegend ist der Blick in die Anlagen der DDR zur Kontrolle der Ein- und Ausreise, meist ja zwecks Transits von und nach Westberlin. Der heute als Gedenkstätte umgewidmete Grenzübergang Marienborn war der höchstfrequentierte, denn er gewährte die kürzeste und mit Westmitteln gut ausgebaute Strecke durch die DDR nach Berlin. In seinem letzten Expansionsstadium Mitte der 1980er-Jahre besetzte er eine Fläche von 35 Hektar, allein zwischen 1984 bis zum Mauerfall wurden hier zehn Millionen Autos und fünf Millionen Lastwagen abgefertigt, insgesamt waren es wohl 35 Millionen.

Mit dem Rücken zur Wand

Ungefähr tausend Bedienstete waren hier tätig, ein Drittel von ihnen wohl auch als IM für die Stasi: Die Kontrolleure wurden also selbst kontrolliert. Dieses beklemmende Klima versucht die Gedenkstätte aufzuzeigen, Ansgar Marx nahm sie 2019 in aktuellen Augenschein. Und fand neben dem allgegenwärtigen Porträt des SED-Generalsekretärs Erich Honecker auch penible Dienstanweisungen.

Die fast 1.400 Kilometer lange innerdeutsche Grenze forderte über die Jahre Todesopfer, man schätzt ihre Zahl auf 800. Herbert Döring-Spengler widmet ihnen – und weiteren, statistisch wohl nie offiziell Erfassten – ein Gedenken. Er vermerkt in seiner fotografischen Überblendearbeit etwa Todesfälle wie „Herzinfarkt während der Kontrolle“.

Die Grenze war ein auch psychologisch hoch komplexes System aus mehreren „Schutzstreifen“ sowie einem fünf Kilometer breiten Sperrgebiet auf Seiten der DDR. Dörfer oder Einzelbauten, die hier lagen, mussten meist aufgegeben werden, ihre Bausubstanz wurde dem Verfall überlassen.

So auch das Renaissanceschloss auf mittelalterlicher Burg und seine barocken Wirtschaftsgebäude in Harbke, westlich von Marienborn. Den verfallenden vormaligen Besitz der Familie von Veltheim dokumentierte die Braunschweigerin Bettina Akinro zwischen 1989 und 1991, heute ist er nur noch eine einsturzgefährdete Ruine. Lediglich der gehölzkundlich bedeutende Schlosspark und eine spätklassizistische, künstlich angelegte Turmruine erschienen der gesamtdeutschen Denkmalpflege erhaltbar.

Der pittoreske Bauverfall in der DDR zog nach der Grenz­öffnung westliche Katastrophentouristen an. Michael Ewen fand 1989 in Halberstadt noch komplette, wenngleich verwaiste Straßenzüge mit Fassaden, Türen und Reklamen auf Vorkriegsniveau. Auch von diesen beklagenswerten Architekturen musste nach der Wende so manches weichen, und sei es nur einem großen Stellplatz für Wohnmobile unterhalb des Dombereichs.

Mehr Glück hatten da die Bauhausbauten in Dessau. Henrike Junge-Gent nahm sie 1991, während ihrer Dienstzeit als abgeordnete niedersächsische Beamtin, ins Visier. Selbst die Meisterhäuser, in denen Gropius und Kolleg*innen einst logierten, sind pünktlich zum diesjährigen Bauhaus-Zentenarium ja wiederauferstanden, zum Teil aus wahren Ruinen.

Versöhnlich will sich das „Grüne Band“ auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze über all diese Erinnerungen legen: Das ökologische Vorzeigeprojekt des BUND, ein Refugium für mehr als 1.200 seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten, inspirierte gleich mehrere Fotograf*innen. Wer das Auge offen hält, findet Relikte der ehemaligen Funktion, etwa die Doppelreihen aus Betonplatten, den sogenannten Kolonnenweg.

Die Ausstellung

Ausstellung „Zonenrandgebiet“: bis 12. 1. 20, Braunschweig, Photomuseum

Es gibt weiterhin Nationen, die geteilt sind, am präsentesten ist wohl Korea. Leonhard Hofmann schaute vom Berge Inwangsan auf Seoul, die Hauptstadt Südkoreas. Von hier sind es etwa 60 Kilometer bis zum Reich Kim Jong-uns, also Nordkorea. Die angetroffenen Soldaten beobachten somit nicht die Grenze, sondern die eigene Stadt, die eigenen Landsleute. Südkorea gilt laut Demokratieindex als „unvollständige Demokratie“, besonders wegen Defiziten in seiner politischen Kultur, verboten sind auch Informationen aus dem Norden.

Den ganz persönlichen Zonenrandgebieten widmet etwa Andreas Bormann höchst humorvolle Alltagsstillleben: Müll neben japanisch anmutender Akkuratesse, Vegetation neben versiegeltem Boden und kleine Spiegelflächen zur Selbsterkenntnis.

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1 Kommentar

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  • Das östliche Wendland, vor der Wende Touristenhochburg, hohe Immobilienpreise, nach der Wende, auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Durchgangsverkehr, vor allem schwere Lkw terrorisieren die verbliebene Bevölkerung und zerstören historische Bausubstanz. Touristen kommen kaum noch. Die Immobilien sind nichts mehr wert.