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Generaldebatte im BundestagMerkel bleibt (zu) lässig

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Kanzlerin wirkt in der Debatte frisch – zumindest rhetorisch. Zündende Ideen oder große Projekte hat die Große Koalition nicht mehr.

Wenn die Regierung hält, dann ist Angela Merkel weiterhin dabei Foto: Michael Sohn/ap

R ein stilistisch wird Angela Merkel uns fehlen. Am Ende ihrer Rede im Bundestag sagte die Kanzlerin, dass sie persönlich es ja besser fände, wenn die Regierung nicht auseinanderfliegt. Und falls die Regierung hält, wäre sie weiter dabei. So lässig hat wohl kaum ein Kanzler den möglichen Zusammenbruch einer Regierung kommentiert. Die SPD kann die Groko ja demnächst verlassen.

Die Generaldebatte im Bundestag ist Inszenierung, Rhetorik, Performance. Inhaltlich gibt es naturgemäß wenig Neues. Die AfD findet es völlig unsinnig, etwas gegen den Klimawandel zu tun – Alexander Gauland fehlt nur noch der Aluhut. Christian Lindner wirkt besserwisserisch wie immer und gibt den Bauernversteher, den Grünen geht die Energiewende zu langsam, der Linkspartei fehlt das Soziale.

Interessant ist Merkels langes Lob der Nato und die Ankündigung, dass Deutschland in den 2030er Jahren, wie von Trump verlangt, 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Rüstung ausgeben wird. Das ist noch eine Weile hin. Merkel wird dann eine Figur der Geschichtsbücher sein. Aber der Rüstungsetat steigt schon jetzt. Zudem kündigt die Kanzlerin eine Senkung der Unternehmenssteuer an. Und sie verteidigt die schwarze Null. Dass man sich bei Minuszinsen kein Geld leiht, obwohl man dabei mehr zurückbekommt, leuchtet zwar keiner schwäbischen Hausfrau ein. Aber die schwarze Null ist für die Union ein Fetisch. Es ist eines der letzten politischen Ausstellungsstücke in der Vitrine, die Merkels Modernisierungen ansonsten ziemlich leer gefegt hat.

Merkel warnt vor Auseinanderdriften der Gesellschaft

Wenn neue Schulden ausgeschlossen sind und die Einnahmen sinken, fragt sich, welche Ausgaben dann gekürzt werden – Verteidigung offenbar nicht. Merkel warnt, für ihre Verhältnisse schwungvoll, vor dem Auseinanderdriften der Gesellschaft. Doch mit welchem Geld diese Spaltungen gemildert und bekämpft werden sollen, bleibt dunkel.

Die Kanzlerin wirkt in der Debatte frisch – aber sie ist eine lame duck. Die Große Koalition hat keine zündenden Ideen oder großen Projekte mehr. Sie bleibt eine Regierung, die noch da ist, eine Regierung auf Abruf.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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11 Kommentare

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  • Etwas Besseres als das Exekutieren des neoliberalen Vollwaschprogramms ist von der realitätsfernen CDU nicht zu erwarten. Wird hier ein Schräubchendreh der Regierungsbeteiligung geopfert, wird dort sofort die Großschraube nachjustiert, auf dass sich die nächsten Regierungen erst einmal daran abzukämpfen haben, das zurückzudrehen, damit überhaupt Mittel zur Bekämpfung der Atmosphärenerhitzung frei werden. Verfassungsrang sei Dank ist an der Null ja kaum mehr etwas zu ändern, schon gar nicht, wenn disruptive Veränderungsprozesse (geplant und oder als Konsequenzen des Nichtstuns) die Einnahmen absehbar verringern und gleichzeitig Investitionen in Neues und Erhalt des sozialen Friedens nötig machen.

    Wie kann man über solche Akteure auch nur ein tendenziell positives Wort verlieren? Immer schön gelassen bleiben: www.tucsonsentinel...d-there-no-plan-b/

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich befürchte, ich müsste 120 Jahre alt werden, um diese Art von Habitus als "lässig" zu empfinden. Ich empfinde sie nur peinlich-fremdschämtauglich.

    Merkel und lässig - oder locker? Jo, Logger wie e backstoa.

    Apropos 'lässig': Mir scheint es an der Zeit für ein Revival meiner früheren Band "Jay and the hohlblocks". One hit wonder with "Shipping kies in the speismachine".

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Frau Merkel als Klimakanzlerin seit 2006 oder wie.

    Sie legt die Grundlage für die Nord-Sued Tangente der Rheintiefenautobahn. Wen alles Eis geschmolzen ist der Rhein trocken und Platz für LKW Verkehr. Ein Flussbett dient als Schalschutz. Und macht dann so schön trocken einen neuen Nutz.

    Wenn Frau Merkel mit Rhetorik erfrischt.



    Ich hätte besser Handel auf dem Tisch.

    Ciao Bella Bella Ciao

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @07400 (Profil gelöscht):

      Was haben Sie schon von Handel? Lebensmittel kämen gut. Händel meinetwegen auf dem Plattenteller.

      • 0G
        07400 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        bitte "n" handeln

  • Werter Herr Reinecke



    Haben Sie schon mal gehört, dass Schulden je zurückbezahlt wurden? Und dass Zinsen auch wieder steigen können (was ja erklärtes Ziel der Notenbanken ist)?



    Nehmen Sie beides zusammen, und Sie wissen, warum die Schwarze Null nicht zwingend verkehrt sei muss (v.a. wenn damit nicht Infrastruktur finanziert wird).

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Emmo:

      Holla, Holla,

      bitte etwas differenzierter, bei aller sonstigen Wertschätzung.

      Unterschieden wir bitte zwischen öffentlichen und privaten Schulden. Was letzteres angeht, soll es Menschen geben, die sich zumindest um Rückzahlung bemühen.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        wie immer natürlich korrekt!

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Sehr Interessanter Beitrag!

    • @Emmo:

      Die "Schwarze Null" ist aber zwingend verkehrt, wenn (a) Infrastruktur zusehends vergammelt ist und/oder (b) riesige Investitionen wegen Wandel anstehen.

      Also *genau jetzt*.

      • @tomás zerolo:

        einverstanden!